Berichterstattung über AfD: Die Frage, was der AfD nutzt
Die mediale Debatte über die AfD wird immer wieder von der Frage bestimmt, was der AfD nutzt und was nicht. Nutzt das dem Journalismus?
D ie Frage „Cui bono?“ gilt als anrüchig und wird als so unappetitlich empfunden wie jemand, der in der U-Bahn Rotz durch seine Nase hochzieht. Es ist einerseits schon okay, diese Frage zu stellen, selbst Adorno empfahl sie im Rahmen der Ideologiekritik. Doch haftet ihr das Aroma von Verschwörung an, vor allem, wenn noch das Wörtchen „wirklich“ vor das Fragezeichen der Formulierung „Wem nützt es?“ geschoben wird. Suggeriert wird damit, der Profiteur des Ereignisses könnte auch dessen geheimer Urheber sein.
Wenn es um die AfD geht, liegt die Sache mit der Verschwörung zwar etwas anders. Aber die Frage, ob dies oder jenes der AfD nützt, ihr hilft, ihr schadet oder sie schwächt, übertönt in diesen Tagen alles andere. Und zwar so sehr, dass ich mich schon frage, wem es eigentlich nützt, dauernd zu fragen, ob dies oder jenes der AfD nützt.
Kaum hatte man sich zur Demo gegen die AfD aufgerafft, wiegten schon die ersten den Kopf: „Wenn das am Ende mal nicht der AfD mehr nützt als schadet.“ Die Kollegen der FAZ wussten gleich nach dem ersten Großdemowochenende, dass die Demos, die Correctiv-Recherche und die Verbotsdebatte der AfD nicht schaden, sondern ihr „helfen“, und schrieben davon, dass es „irgendwo in Berlin einen bedauernswerten Briefträger gibt, der jeden Tag 130 bis 150 Mitgliedsanträge in die Bundesgeschäftsstelle der AfD schleppen muss“.
Die Kollegen von der FAZ haben sicher überprüft, ob diese von der AfD stammenden Zahlen und Begründungen stimmen. Sie haben sicher auch den Briefträger gefragt, ob da wirklich so viel Post ankommt, und sicher vorher nachrecherchiert, dass die Parteieintrittsanträge nicht größtenteils über den großen Onlinebutton auf der Homepage der AfD eingehen. Die Kollegen haben ihre Nutzenanalyse sicher nicht einfach nur auf Grundlage der Angaben der AfD angestellt. Ihr Bericht liest sich aber so.
Die Erzählung, das Narrativ, das Framing der AfD
Wurde in den Anfangsjahren der AfD die Frage diskutiert, ob die Berichterstattung über diese Partei ihr nütze, scheint es mittlerweile nichts mehr zu geben, was der AfD nicht nützt.
Die Correctiv-Recherche? „Rechte profitieren von Enthüllungen“(taz).
Die szenische Lesung der Correctiv-Recherche? „Schadet der AfD nicht. Im Gegenteil“ (Welt).
„Stimmungsmache“? „Nützt nur der AfD“ (Politologin Ursula Münch).
Das „Feindbild Berlin“? „Nutzt nur der AfD“ (Spiegel).
Die „Schwächung der CDU durch politische Kastration“? „Taugt nicht zur Einhegung der AfD (FAZ).
Die Schuldenbremse? „Hilft der AfD“ (SZ).
Die Debatte über Clans? „Nützt nur der AfD“ (NRW-Innenminister Reul).
Immerhin gibt es noch minimale Einschränkungen: „Ein hoher CO2-Preis nützt vor allem der AfD“ (Handelsblatt).
Manchmal wird’s kryptisch: „Harte Bretter über Populismus: Das hilft nur der AfD!“ (FAZ).
Manchmal pauschalistisch: „Dieser ganze Tag nützt nur der AfD“ (Markus Söder).
Und wenn einem gar nichts mehr einfällt: „Business as usual à la Merkel hilft nur der AfD“ (DiEM25).
Mein Highlight: „Wer auf AfD-Niveau diskutiert, hilft der AfD“ (ntv).
Es war die AfD die nach der Correctiv-Recherche, den ersten Demos und der erneuten Verbotsdebatte erst mal geschluckt hat, deren Umfragewerte zurückgingen, die sich dann aber sammelte und laut lachend brüllte: Ihr macht uns nur stärker! Dieser Satz ist die Erzählung, das Narrativ, das Framing der AfD.
Vielleicht wird ihr die Zukunft recht geben, vielleicht nicht. Bis dahin sollten aber vor allem Journalisten nicht einfach nachplappernd übernehmen, was die AfD erzählt. Das schadet nämlich vor allem einem: dem Journalismus.
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