Berichterstattung aus Katar: Zu wenig interkulturelle Kompetenz
Die WM hätte eine Chance für den Westen sein können, sich der arabisch-muslimischen Kultur zu nähern. Stattdessen war die Berichterstattung arrogant.
D ie Fußball-WM hinterlässt einen faden Beigeschmack durch die wochenlange Befeuerung orientalistischer, antiarabischer und antimuslimischer Rassismen in der Berichterstattung. Deutschland fehlt es an interkultureller Sensibilität! Wir sehen nach dem Pokalsieg Argentiniens, wie Lionel Messi ein arabisches Gewand namens „Bischt“ umgehängt bekommt. Deutsche Medien sprechen von Bauchschmerzen und einem unguten Gefühl.
Zdf, ntv und magentasports sind sich einig – dieser Auftritt sorgte für Irritation. In der arabisch-muslimischen Kultur ist das Schenken eines traditionellen Gewands Zeichen der Wertschätzung und der Zugehörigkeit. In diesem Moment hatte der argentinische Fußballstar etwas „königliches“ geleistet, was durch die Geste des Sheikhs Tamin bin Hamed Al Thani untermauert wurde.
Statt Traditionen, Werte und Normen anderer Kulturen kennenzulernen und zu akzeptieren, wurde jeder einzelne Moment dieser WM in der medialen Berichterstattung instrumentalisiert, um antiarabische Klischees zu befeuern. Als unüblich empfand es RTL Sport, als Katars Premierminister Al Thani bei der Schiedsrichterehrung nach dem Spiel um den dritten Platz Neuza Back, der vierten Offiziellen des Schiedsrichter-Teams, nicht die Hand schüttelte.
schreibt als freie Journalistin vor allem über Rassismus, extreme Rechte, Religion und Social Media. Sie hat Politikwissenschaften und Soziologie studiert und setzt sich ehrenamtlich für den interreligiösen Dialog ein.
Ich frage mich, wieso mir als muslimische Person in Deutschland gesagt wird, ich solle mich an die Normen und Sitten des Landes halten und zur Begrüßung die ausgestreckte Hand zwanghaft entgegennehmen, während gleichzeitig ein muslimisches Land die eigenen Werte und Normen nicht so eindeutig vertreten darf?
Natürlich darf bei Menschenrechtsverletzungen nicht geschwiegen werden. Aber ich kann der Berichterstattung in den letzten Wochen keine edle Bedeutung beimessen. Kritisiert wurde vom hohen Ross herab, mit wenig Offenheit und Respekt für andere Kulturen. An der medialen Resonanz ist unschwer zu erkennen, dass es eindeutig an interkultureller Kompetenz fehlt. Als Bilanz des Turniers steht eins fest: Deutschland muss dazulernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee