Baraba Borchardt, Corona und Renault: Gegen den Kapitalismus!
Eine Verfassungsrichterin beweist, dass man links und für das Grundgesetz sein kann. Und die Deutschen machen patriotischen Urlaub.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Trump plant statt G7 ein G10, G11 oder Gdingens.
Und was wird besser in dieser?
Merkel erfindet G nachhause.
Das neue Verfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern tritt am Donnerstag erstmals zusammen. Neu mit dabei: Verfassungsrichterin Barbara Borchardt, Mitglied der Antikapitalistischen Linken. Kommt jetzt der Systemwechsel in Meck-Pomm?
Borchardt taugt zum Designer-Dämon: Sie fand die Mauer „alternativlos“, vernebelt „Menschen, die dort ihr Leben verloren“, und meidet artistisch Widersprüche zu ihrer SED-Mitgliedschaft seit 1976. Schließlich wirft sie die Frage auf, ob man gegen den Kapitalismus und zugleich für das Grundgesetz sein kann. Artikel 14 schützt das Eigentum, seine Absätze schränken es zum Wohle der Allgemeinheit wieder ein. Borchardts Berufung erregte schon mal einen Schwung Besinnungsaufsätze, ob die Verfassung die Marktwirtschaft erzwingt. Nach Ramelows Wahl in Thüringen ist nun auch die CDU Meck-Pomm in eine gut gelaunte Duldungsstarre verfallen und demoliert die Autorität der Parteivorsitzenden. Kampf bis zur letzten Matrone; AKK lernt bei der Gelegenheit, dass sie auch Metastasen einer Blockpartei vorsaß.
Deutschlandweit haben Hotels und Campingplätze wieder geöffnet. Haben Sie Ihre Koffer schon gepackt?
Einen gewissen Trend zur Eigenbefröhlichung kann man den Lockerungen nicht absprechen: Erst mal warme Dusche für den zernierten Inlandstourismus; wer jetzt sucht, bucht patriotisch.
Oder wie wäre es mit einer Kreuzfahrt? Die Branche bereitet sich auf ein Comeback nach der Coronakrise vor. Sind Sie Zielgruppe?
Ja, für „Schiffe versenken“.
Der französische Autokonzern Renault will weltweit fast 15.000 Stellen abbauen. Manch ein Öko mag da frohlocken. Und manch ein Arbeiter?
Es scheint leichter, um eine Idee herum ein Auto zu bauen – als einen Haufen altes Blech um eine neue Idee zu dengeln. Lange vor Corona knallten Fehlzündungen bei Digitalisierung und Elektrifizierung. Da mag es willkommen sein, Massenentlassungen unter Corona zu buchen, statt nachzuschauen: Renault wollte bereits mit Peugeot fusionieren. Also Renault, Nissan, Mitsubishi mit Peugeot, Citroen, Opel. VW bastelt mit Ford, Mercedes teilt im Einkauf mit BMW. Fiat fusionierte Chrysler, Volvo ist chinesisch. Frankreichs Macron bindet Staatshilfen, wie bei Air France, an ökologische Ziele. Immerhin klingt das anders als lobbynahe Politiker, die vom Kindersitz quengeln: „Wann sind wir da?“
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat ihren Corona-Wiederaufbauplan präsentiert. Das 750 Milliarden Euro schwere Paket wurde von Italiens Premier Giuseppe Conte bejubelt. Können wir wieder nach Italien reisen, ohne dass uns jemand ins Gelato spuckt?
Mercorn bietet 500 Mrd. Geschenke, von der Leyen 250 Mrd. Kredite und 500 Mrd. Geschenke. Mal unter uns: 250 Mrd. Geschenke und 250 Mrd. Kredite und fertig? Oder je 500 Mrd., damit die schicke Zahl „Billion“ prangen kann? Zombiestaaten wie Italien ist mit noch mehr Kredit nicht zu helfen, die „Genügsamen vier“ bewachen ihr Säckerl. Ab durch die Mitte. Detail: Bei den Krediten, die von der Leyen aufnehmen lassen will, ist inzwischen von „Anleihen“ die Rede. Da mögen die Italiener von „Eurobonds“ träumen und die Österreicher „Niemals!“ rufen. Beide. Zum selben Inhalt.
Das Berliner Humboldt Forum soll nun doch ein Kreuz auf die Kuppel bekommen – und eine biblische Inschrift, welche die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum fordert. Halleluja?
Architekt Schinkel wollte weder Kuppel noch Kreuz, sondern Licht. Doch der Monarch, Friedrich Wilhelm IV., frömmelte gern im Dunkeln und ließ den gottgefälligen Deckel auf die Kapelle mörteln. Und schrub ins Gebälk, „dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind“. Gerade wenn’s mal erhaben werden soll, passiert dem König ein schwülstiges Lob der Kniebeuge. Nennen wir den architektonischen Bastard den unfreiwilligen Tumor von Berlin.
Und was machen die Borussen?
Dortmunds Sancho und Gladbachs Hazard bekunden in Geste und Unterhemd-Typo Solidarität mit George Floyd. Bayern-Vorstand Oliver Kahn lobte, „die Spieler sollen ruhig mündig sein und ihre Meinung öffentlich kund tun“. Das wäre neu bei Bayern.
Fragen: Beate Scheder, Peter Weissenburger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?