Aufstandsbekämpfungen weltweit: Sozialpolitik und Uniformen

Die USA haben den inneren Einsatz des Militärs nicht erfunden, davon träumt auch die deutsche Innenpolitik. Und Rassismus gibt's natürlich auch.

Porträt Heiko Maas

Trotz Sonnenbrille nicht im Urlaub: Außenminister Heiko Maas Foto: Michael Fischer/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: „Bazooka“ und „Wumms“ sind durch.

Und was wird besser in dieser?

Nächstes Konjunkturprogramm heißt „Hossa!“?

US-Präsident Donald Trump drohte diese Woche damit, das Militär einzusetzen, wenn die Gouverneure die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt nicht selbst in den Griff bekommen würden. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gefährlich kann ein Präsident sein?

Ungefähr so gefährlich wie deutsche Innenminister. Otto Schily forderte 2003 Inlands­einsätze „gegen Terrorgefahr“, Wolfgang Schäuble 2006 anlässlich der Fußball-WM. Sein Schwiegersohn Thomas Strobl holte den Verfassungs-Untoten gerade „wegen Corona“ aus der Gruft. Scheint eine Art obligates Amtsgebet von Innen­ministern zu sein. Tenor: Neben Unglücksfällen und Naturkatastrophen soll die Armee ins eigene Land ausrücken, wenn „innerer Notstand“, Umsturz oder fremde Mächte drohen. Das ist mit dem Grundgesetz derzeit kaum zu machen, doch trotzdem dröhnte die Luftwaffe bereits über den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017. Trump wurde von einer kleinen Privatarmee stillgelegter Verteidigungsminister zur Ordnung gerufen – sollte bei uns einer durch­drehen, hoffen wir also auf Rühe, Scharping, Guttenberg, Jung, de Maizière, von der Leyen. Immerhin würden sie keine Armee gegen die Rechte von Schwarzen losschicken, die zu 43 Prozent aus Schwarzen besteht.

Eines der Versprechen aus Trumps Wahlkampf war, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen. Derzeit gibt es Videos davon, wie ein meterhoher Zaun um das Weiße Haus in Washington gebaut wird. Wie viele Wochen kann sich Trump dort verbarrikadieren?

Trump twitterte, die „boshaftesten Hunde, bedrohlichsten Waffen und Agenten, die nur auf Action warten“, stünden bereit. Was fragen lässt, wo bei Twitter aktuell die Latte für „Gewaltverherrlichung“ liegen mag. Apropos: Der ohnmächtigste Mann der Welt scheint jetzt regelmäßig selbst nachzuschauen, ob er noch alle Latten am Zaun hat; Bunker, Kapelle, Truppenbesichtigung. Was heißt eigentlich „Reichsbürger“ auf Amerikanisch?

300 Euro Kinderbonus bekommen Eltern, so steht es im 130-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket, dass die Koalition diese Woche beschlossen hat. Große Dankbarkeit?

Konjunktivpaket. Könnte nutzen. Eine Studie des Familienministeriums ergab bereits 2008 „mehr als 150 ehe- und familienpolitische Leistungen“ des Staates im Volumen von über 200 Milliarden Euro. Einfluss auf die Geburtenrate: ungefähr null. Diesmal geht es direkt um den Konsum. Wie auch bei der Mehrwertsteuer. Man darf träumen, dass nun einige Preise sinken – man kann drauf wetten, dass sie im Januar mit derselben Begründung spürbar erhöht werden.

In Göttingen sind alle Schulen dicht, die Stadt wird als neuer Corona-Hotspot gehandelt. Schuld daran sollen Familien sein, die im sogenannten Iduna-Zentrum leben, einem heruntergekommenen Hochhaus am Rande der Stadt. Die Boulevardmedien scheinen damit einen neuen Sündenbock gefunden zu haben: die armen Ausländer. Schuld sind immer die anderen, oder?

Den Job, am unteren Ende unseres Wohlstandes herumzuleben, haben wir lange gern an Zuwanderer vergeben. Nun verwechseln wir beides – Zuwanderung und Armut – und dreschen drauf. Der Schlüssel zur gelingenden Migrationspolitik ist Sozialpolitik – Überraschung.

Es werde keine Rückhol­aktionen mehr für deutsche Tourist:innen geben, sollte eine zweite Infektionswelle kommen. Das sagte Außenminister Heiko Maas diese Woche, als er die Aufhebung der Reisewarnung ab dem 15. Juni verkündete. Sollte man noch schnell ins Ausland fliehen, damit man nie wieder zurückmuss?

„Kaum waren sie alle wieder da, riefen sie auf dem Krisentelefon an, um zu fragen, wann sie wieder wegkommen“, seufzt ein gestresster Außenminister im Deutschlandfunk. Mit den Nachbarländern will er einheitliche Regelungen hinbekommen bis Mitte Juni. Dann wäre eine Reisewarnung gegen alle Länder, mit denen es keinen Deal gibt, fairer.

Der Berliner Senat hat das erste Landes-Antidiskriminierungsgesetz Deutschlands verabschiedet. Wie viele Jahre wird’s dauern, bis die anderen Bundesländer nachziehen?

Das Gesetz kehrt – damit’s kein frömmelnder Sonntagsspaß bleibt – die Beweislast für die Behörden um. Prompt sind Polizeigewerkschaft und Unionsländer voll beleidigt und wollen der Hauptstadt nicht mehr amtshelfen. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir künftig beweisen müssen, nicht zu diskriminieren? Nach Berlin.

Bei Sandra Maischberger sollten diese Woche vier weiße Menschen über Rassismus diskutieren. Nach Kritik in den Sozialen Netzwerken wurde doch noch eine Schwarze Frau eingeladen. Warum sind die öffentlich-rechtlichen Politsendungen so wenig lernfähig?

Um fair zu sein: Mit welcher Privatsender-Politsendung wollen wir vergleichen? Es ist noch immer ein unterkonkurrierter Markt und ein Indiz mehr, dass der freie Markt im Fernsehen nicht funktioniert. Eingriffe in redaktionelle Entscheidungen sind heikel; so war die Wiederholung einer Plasberg-Show auf Wunsch einiger Feministinnen grenzwertig und keine Heldentat einer selbstbewussten Redaktion. Bei „Maischberger“ reagierte eine breite Öffentlichkeit und die Lehre wurde vor der Sendung gezogen – also hat da etwas funktioniert.

Und was machen die Borussen?

„Yes, we can“. Emre Can. O. k., wenn wir wieder reindürfen, rufen wir das.

Fragen: Ambros Waibel, Erica Zingher

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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