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Baerbock in IsraelVolle Solidarität

Bei ihrem Israel-Besuch sichert Außenministerin Annalena Baerbock Israel Unterstützung zu. Und fordert die Hamas auf, alle Geiseln freizulassen.

Außenministerin Baerbock mit Israels Verteidigungsminister Eli Cohen (l.) in Netiwot am 13. Oktober Foto: Iliya Yefimovich/dpa

Netiwot taz | Bei einem Besuch im Süden Israels hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Israel die Solidarität der Bundesregierung versichert. “Wir werden Israel mit allem unterstützen, was es braucht, und mit allem heißt auch mit allem“, sagte sie bei einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Eli Cohen in der Stadt Netiwot in der Nähe des Gazastreifens am Freitag. Am Abend will Baerbock nach weiteren Treffen in Tel Aviv zu Krisengesprächen nach Kairo weiterreisen.

In Netiwot, das am vergangenen Samstag wie viele andere Ortschaften nahe des Gazastreifens von der in Gaza herrschenden Hamas angegriffen wurde, traf die Ministerin auch zwei Angehörige von mutmaßlich in den Küstenstreifen entführten deutschen Staatsangehörigen. Israel habe das Recht und die Pflicht, die Geiseln zu befreien und sich “im Rahmen des internationalen Rechts gegen diesen brutalen, barbarischen Terror“ zu verteidigen. Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson. Für den Krieg sei “alleine die Hamas“ verantwortlich. Deren Vorgehen sei “nicht zu rechtfertigen“.

Ihr Amtskollege Cohen verglich das Vorgehen der Hamas mit der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Israel kämpfe für die gesamte freie Welt, um den Terror zu zerschlagen und „sicherzustellen, dass sich solch grausame Szenen nirgendwo in der Welt wiederholen“.

In einem Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit sei ihr ein Video des Hamas-Angriffs vorgespielt worden, “wo niemand hinschauen kann, weil es das Schlimmste ist, was man sich als Mensch vorstellen kann“, sagte die Außenministerin. Zum Inhalt des Videos wollte sie sich auf Nachfrage nicht äußern.

Freilassung gefordert

Mit ihren Gewalttaten schade die Hamas “auch den Palästinensern“. Zudem habe sie damit den jüngsten Annäherungsversuchen zwischen den arabischen Staaten in der Region und Israel geschadet. Baerbock forderte von der Organisation und ihren Verbündeten in Gaza “nicht nur als deutsche Außenministerin, sondern als Mensch und als Mutter“, die Entführten freizulassen.

Im wenige Kilometer entfernten Gazastreifen versuchten nach einem Aufruf Israels, den Norden des Küstenstreifens binnen 24 Stunden zu räumen, Hunderttausende nach Süden zu gelangen. Baerbock wies auf eine Einschätzung der Vereinten Nationen hin, welche die Evakuierung des Gebietes, zu dem auch Gaza-Stadt mit rund einer halben Million Einwohner gehört, für unrealistisch hält. Die Aufnahmekapazität im südlichen Gazastreifen sei bereits jetzt überschritten.

Israels Außenminister Cohen erklärte auf die Frage nach dem Schutz von Zivilisten vor israelischen Luftschlägen auf den Gazastreifen, Israel habe nie Zivilisten angegriffen, sondern Terrororganisationen und -einrichtungen. Gefragt, wie diese Evakuierung praktisch vonstatten gehen könne, sagte er, „ich denke, zu Fuß“. Man hoffe zudem auf einen Korridor, um Gaza zu verlassen, so Cohen.

Bei ihrem anschließenden Besuch in Ägypten will Baerbock neben der regionalen Lage nach dem Angriff der Hamas auf Israel auch die Bemühungen um die Freilassung der von der Hamas nach Gaza verschleppten Geiseln erörtern, hieß es aus Delegationskreisen. Außerdem sollen die humanitären Hilfen Ägyptens für die Zivilbevölkerung in Gaza Thema sein.

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24 Kommentare

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  • “Wir werden Israel mit allem unterstützen, was es braucht, und mit allem heißt auch mit allem“



    Interpretiere ich das richtig, dass Baerbock hier die Entsendung von Truppen anbietet? Und wäre ein solcher BW-Einsatz in Gaza völkerrechtlich überhaupt ohne UN-Mandat machbar?

    • @Ingo Bernable:

      Ich würde jetzt nicht gleich die Pferde scheu machen.

      Meine Fantasie reicht nicht aus, mir Bundeswehrsoldaten in Gaza vorzustellen.

      Einfache fürs Erste die Kirche mal im Dorf lassen und abwarten, was als nächstes passiert.

      • @Jim Hawkins:

        ...schließe mich Ihnen an - zudem ja Soldaten - " nur ' in Gaza nicht ausreichen dürften, da zuviele Staaten & zuviele Interessen verschiedener Machthaber, - in diesen Konflikt - direkt & indirekt verwickelt sind....

    • @Ingo Bernable:

      Israel wird wohl kaum nach deutschen Truppen rufen.

      Gauland von der AfD wäre übrigens dafür, deutsche Truppen zu entsenden:

      "Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, sagte, "es war und ist richtig, die Existenz Israels zu einem Teil unserer Staatsräson zu erklären". Das enthalte jedoch die Verpflichtung, im Ernstfall an Israels Seite "zu kämpfen und zu sterben"."

      Quelle: www.zeit.de/politi...-bundestag-debatte

      Spätestens dieses statement eines AfD-"Führers" sollte einen doch nachdenklich machen.

      • @Uns Uwe:

        Die Position der AfD dazu dürfte sich wohl sehr viel eher durch deren üblichen Rassismus und anti-muslimische Ressentiments, denn durch Lehren aus der Vergangenheit erklären. Für die Einordnung des Regierungskurses auf internationaler Ebene halte ich das aber für eher irrelevant.

  • Ach ja das Kriegsrecht, die Vorstellung man könnte sich gegenseitig zivilisiert abschlachten und die Beteiligten würden sich in einer solchen Situation daran halten.



    Zu den israelischen Luftschlägen:



    In Art. 28 des Genfer Abkommens ist festgehalten: "Keine geschützte Person darf dazu benützt werden, um durch ihre Anwesenheit militärische Operationen von gewissen Punkten oder Gebieten fernzuhalten."



    Dies bedeutet nach (meiner unbedeutenden) teleologischen Auslegung, dass die Zivilperson in diesen Fällen nicht mehr absolut geschützt ist, was man natürlich auch anders interpretieren mag (hat ein Forist dazu einen Kommentar daheim?). Sonst bestünde aber eine einfache Möglichkeit, Militärbasen, Kriegsschiffe und Truppenteile unangreifbar zu machen.



    Was jedoch für die von einem Mitforisten an anderer Stelle geäußerte Argumentation der notwendigen Kosten/Nutzen Rechnung spricht, ist Art. 51 Abs. 5 b) des 1. Zusatzprotokolls: Danach sind unterschiedslose Angriffe verboten und unterschiedslos ist "ein Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen." Dies ist zu beachten und nach meiner Einschätzung müssten in Wohnblöcken schon erhebliche militärische Kräfte konzentriert sein, um hier den Angriff zu rechtfertigen.

    • @BluesBrothers:

      "Dies bedeutet nach (meiner unbedeutenden) teleologischen Auslegung, dass die Zivilperson in diesen Fällen nicht mehr absolut geschützt ist, was man natürlich auch anders interpretieren mag (hat ein Forist dazu einen Kommentar daheim?). Sonst bestünde aber eine einfache Möglichkeit, Militärbasen, Kriegsschiffe und Truppenteile unangreifbar zu machen. "

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      Ich kenne nur in Bezug auf die Bombardierung von militärischen Zielen das Haager Luftkriegsrecht. Und das gestattete die Bombardierung eines militärischen Objektes, sofern "deren Zerstörung einen "klaren Vorteil darstellen würde". Da die Luftkriegsordnung nie ratifiziert wurde, wurde diese Regelung "Völkergewohnheitsrecht".

      Man kann also sagen: Wenn die IDF militärische Ziele bombardiert, in der sich Zivilisten befinden (ob mit Zwang oder Freiwillig ist nicht relevant) wird gegen kein geltendes Kriegsrecht verstossen. Wenn die Zerstörung des Objektes einen klaren Vorteil verspricht dürfen Kollateralschäden in Kauf genommen werden.

      • @SeppW:

        Vielen Dank für den Hinweis. Es handelt sich hierbei um Rechtsnormen, mit denen man als 'normaler' Jurist kaum in Berührung kommt.

      • @SeppW:

        Wie praktisch, dass der 'klare Vorteil' so viel Interpretationsspielraum zulässt.

        • @Ingo Bernable:

          Die IDF sagt in Punkt Verhältnismäßigkeit dazu :

          "„Selbst wenn es nicht möglich ist, Zivilisten von einem Militärschlag auszunehmen und es keine andere Möglichkeit gibt als anzugreifen, muss der Kommandant einen Angriff



          unterlassen, der erwartungsgemäß der Zivilbevölkerung Schaden zufügt, der unverhältnismäßig zum erwarteten militärischen Ertrag ist.“ (Israel Manual on the Laws of War (2006), S. 27)

          Fazit: Es gibt keine fixen Richtlinien, es gibt nur Abwägungen, Interpretationen und moralische Hemmschwellen.

    • @BluesBrothers:

      Die Bestimmung der Genfer Konvention bedeutet eben nicht, dass Zivilist*innen die als menschliche Schutzschilde missbraucht werden dann einfach so getötet werden dürfen, sondern, dass es ein Kriegsverbrechen ist Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde einzusetzen.

      • @Ingo Bernable:

        Das will ich gar nicht ausschließen, hätte aber die oben geschilderte Folge. Man müsste lediglich in jeden eigenen Panzer eine Geisel setzen und diese Panzer wären dann unangreifbar. Ja das wäre dann ein Kriegsverbrechen, aber wenn dieser Panzer auf mich zurollt, bringt mir das wenig. Das kann natürlich so sein, erscheint mir aber unwahrscheinlich.



        Woher haben Sie denn diese Information, ich habe dazu nichts gefunden, außer NGO Quellen die ohne rechtlichen Bezug oder Kommentarzitat Behauptungen aufstellen? Oder missverstehe ich Ihr "einfach so", meinen Sie damit "auf keinen Fall niemals" oder "es ist möglichst auszuschließen"?



        Nach § 35 StGB sind Sie entschuldigt, wenn Sie Unbeteiligte töten, um einen Angriff abzuwehren. Dass im Krieg 'höhere?' Moralische Ansprüche gelten sollen als im Alltag, wäre irgendwie seltsam.

        • @BluesBrothers:

          Das StGB spielt in Gaza wohl keine Rolle, die Genfer Konvention ist im Umgang mit Zivilpersonen aber unmissverständlich und ich würde kaum annehmen, dass die so garantierten Rechte durch die Geiselnahme verloren gehen. Wenn wir andersherum annehmen, dass der Tod von Zivilist*innen - ob Geisel oder nicht - für die Erreichung des militärischen Ziels, hier die Zerstörung der Hamas, akzeptabel ist, würde das radikal konsequent zuende gedacht den Atomschlag gegen Gaza zur naheliegendsten Option machen da er die eigenen Kräfte den geringsten Verlusten aussetzt.

          • @Ingo Bernable:

            Nein. Ein Atomschlag dürfte die fernstliegende Option sein, weil Israel direkt neben Gaza liegt und die Strahlenbelastung nicht an der Grenze haltmacht.

            • @Budzylein:

              Wenn sie sich auf technische Details fokussieren wollen gehen sie eben von einer taktischen Neutronenbombe mit begrenztem Fallout aus. Im Kern geht es aber um die Frage wie weit auf die Belange und das Leben von Millionen Zivilist*innen Rücksicht zu nehmen ist oder auch nicht um einige tausend Terroristen zur Strecke zu bringen.

          • @Ingo Bernable:

            Die Anwendbarkeit des StGB in Gaza habe ich nicht behauptet, jedenfalls wollte ich dies nicht andeuten, sondern nur einen Vergleich anstellen und Rechtsvergleichung ist eine der anerkannten Auslegungsmethoden. So eindeutig wie Sie, sehe ich die Genfer Konvention nicht. Es wäre auch einmalig in der Rechtsgeschichte, wenn eine Rechtssammlung nur eine Interpretation zuließe. Zwischen einem Atomschlag und der Ausschaltung einzelner Ziele nach Güterabwägung, gibt es doch noch einige Abstufungen. Aber mal mit Butter, Sie meinen, ein Panzer in dem auch eine Geisel sitzt, dürfte ein Soldat, selbst bei unmittelbarer Lebensgefahr ohne Ausweichmöglichkeit nicht bekämpfen?

            • @BluesBrothers:

              Für den Bomberpiloten der den Wohnblock in dem auch eine Hamas-Infrastruktur vermutet wird geht von dieser aber keine unmittelbare Lebensgefahr aus, der Angriff dient also nicht der unmittelbaren Verteidigung, sondern der Prävention zukünftiger Angriffe. Also nein, wenn der mit einer zivilen Geisel besetzte Panzer eben nicht auf mich zurast, sondern in der Gegend herumsteht um wahrscheinlich irgendwann eingesetzt zu werden, ist das Leben der Geisel zu schonen.

              • @Ingo Bernable:

                Da würde ich Ihnen nicht widersprechen. Aber damit halten Sie, wenn ich es richtig interpretiere, am absoluten und unbedingten Schutz, den Sie bisher in die Genfer Konventiuon hineingelesen haben, nicht mehr fest. Denn Sie mussten das Beispiel erheblich abändern, mein Panzer fährt auf den Soldaten zu, Ihr Panzer steht einfach in der Gegend rum und dreht Kette.

          • @Ingo Bernable:

            Ja, aber das ist durch ein anderes Abkommen geregelt, das den Einsatz von Atomwaffen ausschließt und sanktioniert.



            Übrigens: Hiroshima? Nagasaki? Die Kapitulation hat sicherlich tausenden GIs das Leben gerettet.

            • @HSF:

              Israel ist dem Atomwaffensperrvertrag nie beigetreten, rein rechtlich wäre das also keine Hürde.

              • @Ingo Bernable:

                Ja. Aber ist es wirklich irgendwie intelligent, eine Atombombe vor die eigene Haustür zu werfen? Besonders, wenn man nur ein kleines Land hat?

            • @HSF:

              Die Atombombenabwürfe hatten mit den Kapitulationsabsichten der Japaner nicht viel zu tun.

            • @HSF:

              Darf man wirklich Zivilisten ermorden, um die eigenen Soldaten zu schonen?

          • @Ingo Bernable:

            Für die Zerstörung der Hamas darf Israel alles anwenden was notwendig ist, aber nicht darüber hinausgehen. Es muss den Weg der geringsten Zivilen Opfer wählen. Ein Atomschlag ist dadurch nicht legitimiert. Er wäre es wenn Israel mit einem Atomschlag die Hamas zur Kapitulation zwingen könnte und er weniger zivile Opfer fordern würde als ein konventioneller Einmarsch. Wobei bei Atomwaffen weitere Faktoren hinzukommen das bspw. einfach niemand will das Atomwaffen zu einer Gefechtsfeldwaffe werden.

            Ich denke ein guter Vergleichspunkt ist der IS, wie viele Zivile Tote und wie viel Zerstörung war es wert das islamistische Kalifat zu zerstören? Da gab es diese Debatte nicht. Jeder sah ein der IS muss vernichtet werden. Das heißt solange Israel nicht brutaler vorgeht als die IS Koalition, wäre das in einem Rahmen der die Welt ertragen kann. Besser wäre natürlich die Hamas kapituliert und lässt sich friedlich entwaffen.