Entführte Israelis in Gaza: „Alle Geiseln müssen freikommen“

Adva Adar kann es nicht glauben, als sie ihre Großmutter Yaffa Adar in einem Video der Hamas erkennt. Auch der Cousin, Tamir Adar, wird vermisst.

Yaffa Adar (links) und Tamir Adar

Yaffa Adar (links) und Tamir Adar aus dem Kibbuz Nir Oz Foto: Ada Adar

Noch immer wird eine unbekannte Zahl an Menschen aus Israel vermisst. Sie sind in der Gewalt von Terroristen der Hamas, die sie nach Gaza entführt haben. Schätzungen belaufen sich bislang auf über hundert Betroffene. Die taz hat mit zahlreichen Familienangehörigen und Freunden der Vermissten gesprochen. In den nächsten Tagen werden diese Gespräche veröffentlicht.

Yaffa Adar ist 85 Jahre alt. Als Terroristen der Hamas den Kibbuz Nir Oz an der Grenze zu Gaza überfallen, ist sie allein in ihrer Wohnung. In den sozialen Medien kursiert später ein Video, das eine alte Frau in einem Fahrzeug zeigt, um sie herum eine johlende Menge, die sie als Trophäe zur Schau stellt. Die taz hat mit Yaffa Adars Enkelin, Adva Adar, gesprochen. Sie erzählt, wie sie ihre Großmutter in diesem Video der Terroristen erkannte. Und dass von ihrem Cousin, Tamir Adar, ebenfalls jede Spur fehlt.

„Am vergangenen Samstagmorgen wurde meine Großmutter von Terroristen der Hamas entführt. Das letzte Mal haben wir mit ihr noch am Morgen gesprochen. Es war das Ende von Sukkot, einem jüdischen Feiertag. Unsere ganze Familie wollte sich im Kibbuz treffen und feiern. Später schrieb uns Großmutter, dass Raketen auf ihr Haus abgefeuert werden. Gegen 9 Uhr schrieb sie dann, dass Terroristen in den Straßen des Kibbuz sind. Sie hörte sie schießen und auf Arabisch schreien. Niemand sei da, um ihr zu helfen, schrieb sie noch. Dann haben wir den Kontakt zu ihr verloren.

Um uns zu beruhigen, haben wir uns eingeredet, dass es kein Wifi gibt oder das Mobilfunknetz zusammengebrochen ist und wir deshalb nichts von ihr hören. Du willst ja an ein Happy End glauben. Oder wir erzählten uns: Vielleicht versteckt sie sich. Nur: Meine Großmutter kann fast nicht mehr laufen, sie kann sich nicht verstecken.

Die einzige Information, die wir seit den Angriffen der Hamas auf den Kibbuz haben, stammt aus einem Video, in dem die Terroristen damit prahlen, dass sie meine Großmutter entführt haben. Man sieht bewaffnete Männer um sie herum, und sie alle lachen und feiern. Sie sind stolz darauf, eine 85-Jährige zu entführen. Mir ist das unbegreiflich.

Als die IDF gegen 17 Uhr den Kibbuz erreichte und begann, Menschen aus ihren Verstecken zu holen, gingen sie zum Haus meiner Großmutter. Es war völlig zerstört – und sie war nicht da. Nicht mal 400 Menschen leben in ihrem Kibbuz, fast 100 davon werden bis heute vermisst oder sind vielleicht schon tot.

Blick auf die Terrasse eines ausgebrannten Wohnhauses

Die Hamas zerstörte das Haus von Yaffa Adar im Kibbuz Nir Oz Foto: Ada Adar

Sechs Tage ist es nun schon her, dass wir das letzte Lebenszeichen meiner Großmutter vernommen haben. Meine Großmutter ist sehr krank, sie nimmt täglich Medikamente. Wie lange kann sie ohne ihre Medizin überleben?

Meine Großmutter ist ein freundlicher, ein kluger Mensch. Sie hat acht Enkelkinder und sieben Urenkelkinder, die alle auf sie warten. Einmal erzählte sie uns: Wenn sie traurig oder besorgt sei, dann setze sie sich in ihren Stuhl und betrachte Bilder von uns – dann fühle sie sich besser.

Auch mein Cousin Tamir Adar wird vermisst. Als die Terroristen in den Kibbuz eindrangen, schickte er seine Frau und seine beiden Kinder in den Schutzraum. Gegen 9:30 Uhr rief er noch einmal an und sagte seiner Frau, sie solle niemanden hineinlassen. Er selbst blieb draußen, um sie zu beschützen. Wir wissen nicht, ob er tot ist oder lebt, ob er verletzt ist, ob er entführt wurde. Wir wissen nichts.

Die Weltgemeinschaft muss nun Druck ausüben. Sie muss die Hamas auffordern, alle Geiseln nach Hause zurückzubringen. Auch Ägypten und die anderen arabischen Nationen sollten uns helfen.

In zwei Wochen wird mein Kind ein Jahr alt. Ich hoffe, dass meine Großmutter und auch mein Cousin hier sein können, um mit uns zu feiern.“

Protokoll: Erica Zingher

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