BSW und Ukraine-Krieg: Ganz schlicht den Takt vorgeben
Frieden mit Putin sei möglich, suggeriert das Bündnis Sahra Wagenknecht – und bedient so geschickt Sehnsüchte der Ost-Wählerschaft.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat in Thüringen, Sachsen und Brandenburg keine 200 Mitglieder. Trotzdem scheint das BSW die politische Landschaft zwischen Weimar und Pirna umzupflügen. Die AfD könnte in den beiden südlichen Bundesländern mehr als 20, vielleicht sogar 30 Prozent bekommen. In Erfurt und Dresden werden CDU und SPD nach den Wahlen am 1. September wohl keine Regierung ohne Beteiligung oder Duldung des BSW bilden können.
Das BSW gibt beim Thema Frieden schon jetzt scheinbar den Takt im Wahlkampf vor. Wagenknecht bedient mit schlichten Slogans im Osten vorhandene Sehnsüchte. „Krieg oder Frieden“, so ein BSW-Plakat. Es insinuiert, dass Frieden mit Putin möglich ist – wenn der Westen nur will.
Das Spitzenpersonal von CDU, SPD und Linkspartei im Osten, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bodo Ramelow in Erfurt und der SPD-Ministerpräsident von Brandenburg Dietmar Woidke, blicken schon länger eher skeptisch auf die militärische Unterstützung der Ukraine. Doch derzeit ist die Taktung von friedenspolitischen Ideen bei ihnen auffällig hoch.
CDU-Mann Kretschmer fordert eine Volksbefragung über die 2026 geplante Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Bodo Ramelow begrüßte erst die Moskauvisite des Putinfreundes Victor Orbán und fordert nun einen Nichtangriffspakt in Europa. Dietmar Woidke mahnte am Wochenende in Schwedt noch dringlicher als sonst, dass „dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden muss“. Der SPD-Mann erwartet, dass „die Bundesregierung alle diplomatischen Bemühungen ergreift, die möglich sind“.
Das geht an die Adresse seines SPD-Genossen Olaf Scholz, der Telefonate mit Putin derzeit für sinnlos hält und anstelle dessen lieber US-Mittelstreckenraketen in Deutschland aufbauen lässt. US-Raketen in Deutschland und immer mehr Waffen für Kyjiw sind für den Wahlkampf von CDU und SPD im Osten derzeit ein toxischer Cocktail. Dass Kanzler Scholz die neuen US-Raketen beim Nato-Gipfel wie einen kalt-technokratischen Verwaltungsakt präsentierte, der gar keine Debatte braucht, hebt die Stimmung der SPD im Osten auch nicht gerade. Man komme mit landespolitischen Ideen kaum gegen das Thema Frieden an, so die Klage von SPD-Wahlkämpfern.
Ein paar Bürgerrechtler um Marianne Birthler und Markus Meckel werfen Wagenknecht nun vor, russische Propaganda zu verbreiten. Als russisches Militär ein Kinderkrankenhaus in Kyjiw angriff, habe Wagenknecht den Ukrainern unterstellt, zu lügen. Solche „Desinformation sei in der DDR eine wohlbekannte Praxis“ gewesen, heißt es in dem Brief. Deshalb sollten die demokratischen Parteien, vor allem an die CDU, nicht „mit derartigen Lügnerinnen und Lügnern“ regieren. Doch die Frage, was zu tun ist, wenn AfD und BSW nach den Wahlen in Dresden oder Erfurt eine Mehrheit haben, umschifft der Brief der Bürgerrechtler großzügig.
Ist der Hagel von Friedensbotschaften von Woidke, Ramelow und Kretschmer ein Erfolg des BSW? Gar vorauseilende Anpassung? Wagenknecht hat ja vollmundig erklärt, das BSW werde sich nur „an einer Landesregierung beteiligen, die bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht“. Damit schien sie schon jetzt den Preis für mögliche Regierungsbeteiligungen hochzutreiben.
Kein Kniefall vor Wagenknecht
Allerdings ist vieles doppelt lesbar. Die Friedensbotschaften von Woidke, Ramelow und Kretschmer sind nur bedingt Signale an das BSW oder gar ein Kniefall vor Wagenknechts prorussischer Agenda.
Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD in Sachsen, sagt der taz, dass „Frieden und die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen die Menschen umtreibt“. In Sachsen, so der Eindruck der Sozialdemokratin, hätten viele „Angst vor einer Ausweitung des Krieges“. Außerdem seien die Ostdeutschen „stärker mit Russland verbunden“. In Zahlen ausgedrückt: Im Osten findet eine Mehrheit von 52 Prozent, dass Berlin zu viel für Kyjiw tut, im Westen sind es nur 38 Prozent. Die Friedenssignale der Ministerpräsidenten sind nicht an das BSW, sondern vor allem an die Wählerschaft adressiert, die zwischen Prenzlau und Suhl anders über den Krieg denkt als der Westen.
Und auch Wagenknechts Ansage, per Landesregierung Einfluss auf den Bund zu nehmen, ist doppelt lesbar. Vielleicht ist das die Vorbereitung einer Flucht: Faktisch ohne Parteipersonal eine arbeitsfähige Fraktion zu bilden, ist eine Herausforderung. Auch noch MinisterInnen und StaatssekretärInnen zu stellen, wäre ein Abenteuer. Außerdem kalkuliert Wagenknecht wohl vor allem, was ihr bei der Bundestagswahl 2025 nutzt. Realpolitische Kompromisse in Landesregierungen zählen nicht unbedingt dazu.
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