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Ausbau der RüstungsindustrieMehr eigene Waffen

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Europa besinnt sich bei der Beschaffung von Waffen auf sich selbst und pumpt Geld in die Waffenindustrie. Es wird an anderen Stellen fehlen.

Die Zeichen stehen also auf „Europe first“ Foto: Stephanie Lecocq/epa

B ei europäischen Rüstungsfirmen dürften derzeit die Sektkorken knallen. Die EU will sich mehr Waffen „Made in Europe“ beschaffen, baut die eigene Rüstungsproduktion massiv aus und pampert ganz bewusst die heimischen Unternehmen mit Steuerbegünstigungen und Subventionen. Die Waffenindustrie läuft also auf Hochtouren innerhalb der EU-Länder.

Überraschend ist das natürlich nicht, sondern vielmehr eine bittere Erkenntnis aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und eine logische Folge aus der sich spätestens seit 2022 veränderten Verteidigungspolitik in Europa. Die Landesverteidigung rutscht in etlichen Staaten wieder nach ganz oben auf die Agenda. Wehretats werden entsprechend angepasst und aufgestockt. In Deutschland wie in Polen, in den baltischen Staaten oder im Norden Europas.

Bei der Waffenhilfe für die Ukrai­ne gegen den russischen Aggressor hat sich die EU, allen voran EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, an die Spitze gehievt. Hinzu kommen mit Finnland und Schweden neue Nato-Bündnisstaaten ins Spiel. Auf die USA mag man sich unter einer drohenden Regierung Donald Trumps nicht mehr verlassen.

Die Zeichen stehen also auf „Europe first“. Konkret auf gemeinsame Beschaffung, gemeinsame Investitionen, bessere Koordination, mehr Effizienz statt Kleinstaaterei. Das mag in einer bedrohlichen Situation, verursacht durch einen gemeinsamen Gegner – den russischen Präsidenten – und einem Krieg, dessen Ende sich nicht abzeichnet, sinnvoll sein. Nach jahrelangen Versäumnissen wird nun also hektisch agiert und alles auf eine Karte gesetzt.

Ausgespart wird bisher und erneut die Frage, welche sozial- oder auch klimapolitischen Vorhaben der Aufrüstung zum Opfer fallen werden. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten in nahezu allen EU-Staaten wird es Abstriche geben müssen. Keine Frage. Aber eine ehrliche Debatte über Gewinner und Verlierer der Rüstungsinvestitionen fehlt bisher. Von einer Diskussion über den Charakter der EU als einem friedens­orientierten Projekt ganz zu schweigen.

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Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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18 Kommentare

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  • "Ausgespart wird bisher und erneut die Frage, welche sozial- oder auch klimapolitischen Vorhaben der Aufrüstung zum Opfer fallen..."

    Russlands Macht hängt am Öl.

    Ausgespart wird, welche geopolitischen Ziele Russland hat und hatte: Ausbremsen der erneuerbaren Energien und Sicherung der Erdölvorkommen. www.telepolis.de/f...s-Oel-3364417.html

    Dass das Tempo der Umstellung auf Erneuerbare so schnell geht hat Russland nicht erwartet. Auch das Tempo ist eine auch mal positive Folge des Überfalls.

  • Antifaschismus (Putin ist ein Faschist!) gibt es nicht für lau.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Von einer Diskussion über den Charakter der EU als einem friedens­orientierten Projekt ganz zu schweigen.""

    ===

    Zu deser Diskussion gehört die Wahrnehmung der Realität: Europäische Staaten der EU haben vor Monaten der Ukraine eine ausreichende Lieferung an 155mm Granaten zugesagt - um sich weiterhin verteidigen zu können.

    Nach Monaten wurde deutlich: Keiner der EU Staaten kann ausreichend liefern - wobei 155mm Granaten eine wesentliche Grundlage dafür sind überhaupt irgendjemand abwehren zu können der Grenzen in Europa einreisst, die Region mit Krieg überzieht und Folter und unaussprechliche Gewalt zum Regierungsprinzip erhebt.

    Als am Anfang der Pandemie festgestellt wurde, das Europa keine ausreichende Maskenproduktion mehr besitzt war das Geschrei groß.

    Jetzt ist klar, das Europa sich noch nicht einmal mit dem elementarsten Militärgerät selbst versorgen kann.

    800.000 Schuß 155mm Granaten werden jetzt aus dem außereuropäischen Ausland besorgt - damit die Ukraine zumindest eine minimale Chance hat den Überfall der Russen zu überleben.

    Klartext:



    Niemand will Aufrüstung und Krieg.



    Aber solange diejenigen die glauben, ohne Verteidigung zu einem friedlichen Europa zurück kehren zu können keine erfolgreichen Konzepte präsentieren wie sich das erreichen lässt, solange sollte in eine eigene Waffenindustrie investiert werden.

    Russland hat spätestens 2014 klar gemacht wie es mit Nicht-Angriffs Verträgen umzugehen gedenkt. Das sollte verhindert werden - mit Waffen die beeindrucken - und den Preis für Überfälle in eine unerschwingliche Höhe treiben.

    Wollen tut das niemand - und schon gar nicht der Autor dieses Kommentars.

  • "Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat sich für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen der zivilen und der militärischen Forschung in Deutschland ausgesprochen. "Als Bundesforschungsministerin möchte ich zu einer verstärkten Kooperation zwischen ziviler und militärischer Forschung in geeigneten Bereichen ermutigen", sagte sie der dpa."



    Man kann auch zusätzlich Ressourcen bündeln und so mit klug eingesetztem Geld mehr Wirkung erreichen.



    Die Ukraine macht es vor: schlanke "Startups" werden durch Spenden finanziert und entwickeln gute neue Waffen und liefern sie direkt kostenlos an die Front. Von Frontkommandeuren kommt direktes Feedback zu den Startups die die neuen Waffen dann iterativ inkrementell verbessern.

  • "Es geht um Arbeitsplatzerhaltung in der Rüstungsindustrie",



    lautete ein Liedtext in den 80ern.



    Damals waren Linke ( die Partei gab es ja noch nicht)



    in der Regel pazifistisch orientiert.



    Das scheint sich geändert zu haben.



    Das ist nicht das Einzige, denn in den 80ern war es noch verpönt, etwas "auf Kredit" zu kaufen.



    Heute ist Leasing schon lange nicht mehr nur bei Fahrzeugen die Regel.



    Somit ist auch erklärlich, dass ein Großteil der kommune Finanzierung "auf Pump" für eine Lösung hält.



    Die (Privat-) Insolvenzen sind ja doch eher ein Tabu



    ( jaha, abgesehen von Denen, die dadurch berühmt werden wollen).



    Es ist schwierig für Menschen, die ein Handy besitzen, das sie sich nicht leisten können, dass Geld nicht für Alle Wünsche vorhanden ist.



    Indiz: es gibt ( angeblich) eine Show: " Wer wird Millionär"?



    Es gibt hingegen keine namens " wer wird Milliardär?".



    Das könnte man/frau allerdings annehmen, wenn zu Lesen ist, dass doch ein paar Milliarden mehr für dies und das vom Staat " locker gemacht" werden sollen.



    Also ich stricke ja noch an der ersten Million und werde die Nadeln wohl vor Zielerreichung abgeben.



    Die Erkenntnis: Haushalt kommt von Haushalten.

  • Wer unzureichend bewaffnet ist ist nicht friedlich sondern hilflos. Friedlich ist wer ein starkes Militär hat und es nicht einsetzt. Europa ist ein friedensprojekt weil es für Frieden zwischen den Mitgliedern sorgt, ist die EU bewaffnet schreckt sie auch Bedrohungen nach außen hin ab und kann mit militärischer Drohung auch für Frieden an der eigenen Peripherie sorgen. Sie würde also als friedensprojekt gesteigert.

    • @Machiavelli:

      Top.

  • Die Waffenproduktion ist in jedem Fall billiger als ein Krieg.



    Das Geld wird an anderer Stelle fehlen, aber wir können es uns nicht aussuchen.



    Ohne glaubwürdige Abschreckung droht uns Krieg.

    • @Carsten S.:

      Man kann es aber auch mit Diplomatie und Wirtschaftszusammenarbeit probieren. Ich weiß aktuell nicht en vogue. Aber es gibt eine Wahl, und die heißt definitiv nicht nur "Wehretat, wie hoch?"

      • @Chris Ehl:

        Vielleicht bilde ich es mir nur ein - aber wurde es nicht bis zum Erbr... versucht??

      • @Chris Ehl:

        "Man kann es aber auch mit Diplomatie und Wirtschaftszusammenarbeit probieren." Das hat man Nordstream 2 war fast fertig dann griff Putin die Ukraine an. Es wurde bis zum Schluss verhandelt, es gab Friedensinitiativen von verschiedenen Gruppen und Ländern alle an Putin gescheitert.

  • "Ausgespart wird bisher und erneut die Frage, welche sozial- oder auch klimapolitischen Vorhaben der Aufrüstung zum Opfer fallen..." Was aus Sozial- und Klimapolitik wird, wenn man Russland gewähren lässt, kann man derzeit in der Ukraine beobachten.

  • Wenn man nicht die Augen verschließt und in der Realität verwurzelt ist, dann ist "Europe first" der richtige Weg um sich langfristig militärisch unabhängiger von den USA zu machen. Hätte man schon früher tun können.

    Was das "Friedensprojekt" Europa betrifft, dass hat sich aus meiner Sicht bewährt. Schließlich sind die Vorgänger zu dem Zweck gegründet worden, dauerhaften Frieden zwischen den europäischen Staaten zu gewährleisten. Das in Bezug auf Russland das Projekt "Wandel durch Handel" gescheitert ist, liegt nicht vorrangig an der EU.

    Schade ist es dennoch. Wir waren, gerade in Deutschland, schoneinmal weiter. Jetzt fangen die Diskussionen wieder an über eine Wehrpflicht etc. Und es ist absehbar, dass auch irgendwann die Debatte um den Besitz eigener Atomwaffen wieder an Fahrt aufnehmen wird. Noch stehen international bindende Verträge davor, dass könnte sich aber, je nach Entwicklung der Ereignisse, auch schnell ändern.

    Ich persönlich war 1990 fest davon überzeugt, dass der ganze "Rüstungswahn" endgültig ad acta gelegt wird und von zukünftigen Generationen auf dem "Müllhaufen der Geschichte" entsorgt wird.

    Verlierer sind die jungen Menschen und künftige Generationen. Sie zahlen den Preis dafür. Denn es ist davon auszugehen, dass die größten Einsparungen im Bereich Klimaschutz stattfinden werden.

  • "Es wird an anderen Stellen fehlen" (das Geld)



    Klar wird es an anderen Stellen fehlen, so wie es auch für die Rente mit 63 fehlt, fürs Bürgergeld, für noch mehr Flüchtlingsunterkünfte, für den Kampf gegen den Klimawandel, bessere Schulen und Kitas. Das Geld wird fehlen. Nun kommen die "roten" und sagen "mach doch Schulden". Nur bringt das nichts, weil dann der Wert des Geldes fällt und somit alles sofort teurer wird. Konsequenz: Und wieder fehlt das Geld.

    Zum Thema selbst: Wir dürfen uns als Europa nicht darauf verlassen, dass die USA immer für uns da sein wird. Unter Trump schon zwei mal nicht. Also wird es wirklich Zeit, dass Europa ein eigenes Abwehrsystem so aufbaut, dass es auch ohne Zutun und Abhängigkeiten von den USA funktionieren wird. Und ganz klar, das kostet Geld welches an anderer Stelle fehlen wird. Doch Putin wehrlos gegenüber zu stehen kostet viel, viel mehr.

    Zunm Thema se

  • Investitionen in Abschreckung sind gut angelegt. Ein Angriff Russlands kommt Europa nämlich garantiert noch viel, viel teurer zu stehen.

  • "Von einer Diskussion über den Charakter der EU als einem friedens­orientierten Projekt ganz zu schweigen."

    Das bleibt sie auch. Untereinander führen die EU-Mitglieder nämlich keinen Krieg. Und das ist schon seit ihrer Gründung so.

    Dagegen haben 5 EU-Mitglieder (Finnland, Polen und die baltischen Staaten) eine gemeinsame Grenze mit einem höchst aggressiven Nachbarn, von dem sie sich auch konkret bedroht fühlen. Da dürfen sie durchaus auch die Solidarität der anderen EU-Mitglieder erwarten.

    Ich teile ja den Missmut der Autorin über das viele zu Rüstungszwecken verbratene Geld. Nur hat sich Europa seit dem russischen Überfall am 24.2.2022 eben grundlegend geändert. Nach zwei Jahren sollte diese Realität eigentlich überall angekommen sein.

  • Si vis pacem para bellum.

    Schwirig ein europäisches Projekt umzusetzen, wenn es dem Nachbarn nicht passt und er mit Esdkalation droht. Besser das Geld in Europa ausgeben, als es außerhalb Europas zu lassen.

    Die Frage gerechter Besteuerung von Vermögen und Kapitalerträgen in Bezug auf die sozialen Herausforderungen ist aktueller den je.

  • "Konkret auf gemeinsame Beschaffung, gemeinsame Investitionen, bessere Koordination, mehr Effizienz statt Kleinstaaterei."

    Keine Angst. Die Pläne werden an den nationalen Egoismen scheitern.