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Aufrüstung der BundeswehrDer grüne Knall

Wenn über das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket für die Bundeswehr verhandelt wird, sollte es auch darum gehen, wie viel CO2 durch Kriegsgerät entsteht.

Wirbelt ordentlich Dreck auf: Kampfpanzer Leopard 2 bei einer Bundeswehrübung in der Oberlausitz Foto: Christian Thiel/imago

BERLIN taz | Wenn die Bundestagsabgeordneten demnächst über das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket und die damit einhergehenden Schulden abstimmen, wird es um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gehen, um die Finanzierung des Pakets und darum, welche Zugeständnisse – wie das Erstellen einer Liste über Beschaffungsvorhaben – die CDU der Ampelkoalition abringen konnte. Fehlen aber wird auf der Tagesordnung, dass das gigantische Aufrüstungsprojekt Millionen Tonnen CO2 und andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas (angegeben in CO2-Äquivalenten, CO2e) in die Atmosphäre pusten wird. Wie viel genau, weiß niemand, auch nicht die Abgeordneten – denn das Militär und der Rüstungs­sektor bleiben weitgehend undurchsichtig und von Klimaschutzmaßnahmen ausgeschlossen.

Dabei ist auch in hohen militärischen Kreisen bekannt, dass der Klimawandel nicht nur die Arbeit von Streitkräften verändert, sondern auch vom CO2e-Ausstoß ihrer Panzer, Flugzeuge und Schiffe verschärft wird. Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, sagte 2020 auf einer Rede in Kopenhagen, es gebe drei Gründe, warum sich die Nato mit dem Klimawandel auseinandersetzen sollte: „Weil der Klimawandel die Welt gefährlicher macht. Weil er es unseren Streitkräften erschwert, unsere Leute zu schützen. Und weil wir alle die Verantwortung tragen, mehr gegen den Klimawandel zu tun.“ Er forderte deswegen, dass die Streitkräfte der Mitgliedsländer mehr auf erneuerbare Energien setzen und ihren CO2-Ausstoß veröffentlichen sollten.

In Deutschland sind Informationen diesbezüglich nur eingeschränkt verfügbar: 2019 hat das Bundesverteidigungsministerium einen Treibhausgasausstoß von knapp 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr gemeldet, mehr, als 300.000 Autos pro Jahr emittieren. Davon entfallen etwa 800.000 Tonnen auf Strom- und Wärmeerzeugung und rund 600.000 Tonnen auf Mobilität. Nicht enthalten ist jedoch der CO2e-Ausstoß bei Auslandseinsätzen.

Ebenso undurchsichtig bleibt der CO2e-Ausstoß der deutschen Rüstungsindustrie. In einer Studie im Auftrag der Linksfraktion im EU-Parlament schätzten die britischen Wis­sen­schaft­le­r*in­nen Linsey Cottrell und Stuart Parkinson, dass deutsche Waffenhersteller jährlich etwa 711.000 Tonnen CO2e ausstoßen. Sie halten das für eine konservative Schätzung, weil nicht alle Konzerne ihre Klimabilanzen veröffentlichen.

Rüstungskonzerne erheben keine Daten über Emissionen

Das italienische Rüstungsunternehmen Fincantieri veröffentlicht als einziges in Europa seinen gesamten CO2e-Fußabdruck. Darin sind nicht nur die Emissionen aus dem Energieverbrauch seiner eigenen Fabriken enthalten, sondern auch jene aus der Lieferkette Fincantieris. Gerade für Rüstungsunternehmen ist das relevant, weil der verbaute Stahl, das Aluminium oder die Elektronik mit hohem Emissionsaufwand von anderen Firmen hergestellt und geliefert werden müssen. Dieses CO2e taucht bei Rheinmetall nicht auf, bei Fincantieri schon. Ausgehend von Fincantieris Angaben errechneten die Stu­di­en­au­to­r*in­nen für die deutschen Waffenhersteller einen CO2e-Fußabdruck von mehr als 3,4 Millionen Tonnen. Für den gesamten deutschen Militärsektor kommen sie, die Bundeswehr eingeschlossen und ohne im Ausland anfallende Emissionen, auf 4,5 Millionen Tonnen. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von etwa 1 Million Autos pro Jahr.

Mit den 100 Milliarden Euro will die Bundeswehr altes Material ersetzen

Gerade im Kontext des „Sondervermögens“ Bundeswehr verdienen die militärischen Treibhausgasemissionen Deutschlands Beachtung. Denn selten hat der Staat so viel Einfluss darauf, wie viel CO2e ausgestoßen wird. Es verhält sich anders als im Verkehrssektor, wo wenigstens ein Teil der Verantwortung bei den individuellen Konsumentscheidungen der Deutschen liegt. Welche Waffen die Bundeswehr kauft, welche Standards sie verlangt und welche Informationen sie einholt und veröffentlicht, liegt vollständig in der Hand des Bundesverteidigungsministeriums und der Bundestagsabgeordneten. Das Problem: Sie wissen gar nicht, wie viel CO2e durch die Produktion einzelner Panzer oder Flugzeuge entsteht. Die Rüstungskonzerne erheben die Daten nicht, und das Bundesverteidigungsministerium fragt nicht nach: „Das BMVg führt keine Bilanz über die CO2-Emission im Zuge der Produktion bestellter Ausrüstung“, schreibt das Ministerium auf Anfrage der taz.

Niklas Wagener, der für die Grünen im Verteidigungsausschuss des Bundestags sitzt, kritisiert das: „Auch hier gilt, auch mit Augenmerk auf die Ukraine und die bestmögliche Ausrüstung der Bundeswehr, dass die anderen Krisen nicht verschwunden sind und wir in der Lage sein müssen, die Klimawirkung des Militärs nachzuvollziehen und Klimaschutz einzufordern.“ Er weist darauf hin, dass auch die Bundeswehr den CO2-Preis bei ihren Treibstoffeinkäufen bezahlen muss. Für Marcus Faber, verteidigungspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, reicht das aus. Wegen des Kriegs stehe der CO2e-Ausstoß der Bundeswehr nicht im Zentrum. Bei der Abstimmung über das „Sondervermögen“ gehe es zentral darum, „die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands herzustellen“.

Mit den 100 Milliarden Euro Sonderschulden will die Bundeswehr altes Material mit modernen Waffensystemen ersetzen. Weil militärische Fahr- und Flugzeuge üblicherweise sehr lang eingesetzt werden, meißelt die Bundesregierung damit den derzeitigen Stand der Antriebstechnik auf Jahrzehnte in Stein. Und das bedeutet: die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Nato-weit müssen alle Fahrzeuge mit einem einzigen Kraftstoff betreibbar sein. Das ist aktuell Diesel. Einer der knapp 300 Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehr stößt auf 100 Kilometern Asphaltfahrt knapp 900 Kilogramm CO2e aus. In der zivilen Forschung wird zwar aktuell daran gearbeitet, aus Wasserstoff und (gegebenenfalls erneuerbarem) Strom sogenannte E-Fuels herzustellen. Der Rüstungskonzern Rheinmetall konnte auf Anfrage der taz aber nicht beantworten, ob sich all seine gepanzerten Fahrzeuge mit E-Fuels betanken ließen. Potenziell müssen also viele Fahrzeuge umgerüstet werden, sollte die Nato einen neuen Standardtreibstoff einführen. Der Vorteil wäre, dass sich Wasserstoff und damit E-Fuels überall dort herstellen lassen, wo es Strom gibt. Die Bundeswehr wäre also weit unabhängiger von Öllieferungen aus den USA, Saudi-Arabien oder den Golfstaaten.

Abrüstungsabkommen statt emissionsarmer Technologien

Die teuerste Neuanschaffung der Bundeswehr wird der Kampfjet F-35 von Lockheed Martin. Er soll die alternden Tornados ersetzen. Dessen CO2-Ausstoß pro Flugstunde ist geringer als der eines F-35: 12,3 Tonnen zu 13,8 Tonnen. Pro Stunde stößt ein F-35 demnach mehr CO2e aus, als ein*e Deut­sche*r im Jahr verursacht.

Während Transparenz und Emis­sionsverringerung also laut dem Nato-Generalsekretär die Lösung für die hohen Emissionen des Militärsektors sind, wird in Deutschland nur ein Mindestmaß des CO2e-Ausstoßes gemeldet: die inländischen Emissionen von Gebäuden und Fahrzeugen der Bundeswehr. Das Klimaschutzgesetz verlangt nicht, die Emissionen der Produktion von Militärgerät oder des Einsatzes im Ausland anzugeben. Der Grünen-Abgeordnete Wagener fordert daher, der Klimaschutzbericht der Bundesregierung solle um alle CO2-Emissionen der Bundeswehr ergänzt werden, egal, ob sie durch Infrastruktur, Waffensysteme, im In- oder Ausland verursacht werden.

Dass das Bundesverteidigungsministerium kein übermäßiges Interesse daran hat, sich am Schutz der Umwelt zu beteiligen, zeigt sich in Brüssel. Die EU erarbeitet derzeit eine neue Umweltschutzrichtlinie für die Herstellung und Laufzeit von Batterien, die in Zukunft als Energiequellen zum Beispiel für militärische Drohnen große Bedeutung besitzen werden. Doch im aktuellen Entwurf ist das Militär von der Umsetzung der Richtlinie ausgenommen. Ein Problem sieht das Ministerium darin nicht: „Damit wird die notwendige Flexibilität für die Ausrüstung der Bundeswehr gewahrt“, schrieb eine Sprecherin der taz auf Anfrage.

Intransparenz, die vielen Ausnahmen und allseits steigende Militäretats bergen die Gefahr, dass trotz eskalierender Klimakrise die Emissionen des Rüstungssektors steigen, statt zu fallen. In ihrer Studie schlagen Cottrell und Parkinson vier Gegenmaßnahmen vor: die Entwicklung emissionsarmer Technologien, einen Fokus auf Umwelt- und Klimaschutz in der Verwaltung von Gebäuden und Land der Streitkräfte, CO2e-Ausgleichsprojekte und, am wichtigsten: Abrüstungsabkommen. Denn in jedem Fall bleibe es für die Emissionsreduzierung von großer Bedeutung, weniger militärisches Gerät zu kaufen und einzusetzen, unabhängig von emissionsarmen Technologien. Nur: „Wir haben keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Regierungen diese Option als Teil größerer Klimaschutzprogramme in Betracht ziehen.“

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