Aufnahme von Kindern aus Gaza: Auch Hamburg will human sein
Der Senat signalisiert Bereitschaft, verletzte Kinder aus Gaza medizinisch zu versorgen. Nötig seien dafür klare Vorgaben des federführenden Bundes.
Eine solche Maßnahme sei jedoch nur unter Federführung des Bundes umsetzbar, betont der Senat. Voraussetzung für die Aufnahme sei, dass der Bund die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen schafft.
Anlass für den Schritt ist die dramatische Lage im Gazastreifen. Nahrungsmittelknappheit führt zu weit verbreitetem Hunger und Unterernährung, insbesondere bei Kindern. Der Zusammenbruch der medizinischen Versorgung erschwert die Behandlung von Verletzungen und Krankheiten. Weil die Infrastruktur zerstört ist, fehlen sauberes Wasser, Strom und Unterkünfte.
Am Freitag hatten die Vereinten Nationen (UN) für Gaza-Stadt die höchste Hunger-Warnstufe ausgerufen: Es herrsche dort eine menschengemachte Hungersnot. Israel weist die Vorwürfe zurück und macht die Hamas sowie die UN für Versorgungsprobleme verantwortlich.
Auswärtiges Amt mit Sicherheitsbedenken
Die bundesweite Debatte um die Aufnahme von Kindern aus dem Gazastreifen wurde Anfang August durch eine Initiative aus Hannover ausgelöst, die die Aufnahme schwerkranker und traumatisierter Kinder aus Gaza fordert, koordiniert durch den Bund. Städte wie Leipzig, Düsseldorf, Freiburg, Potsdam, Kiel und Bonn haben bereits ihre Bereitschaft signalisiert, Kliniken zur Verfügung zu stellen.
Das Auswärtige Amt lehnt die Initiative der Städte ab und verweist auf sicherheitspolitische Komplikationen. Die Bundes-SPD wiederum unterstützt Evakuierungsflüge. Italien und Spanien haben bereits Kinder aus dem Gazastreifen evakuiert.
Der Senat verweist in seiner Antwort darauf, seit 2021 bereits 1.800 Menschen aus verschiedenen Ländern im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme versorgt zu haben, darunter Kinder und unbegleitete Minderjährige. Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges würden auch Kriegsverletzte aus der Ukraine in Hamburger Krankenhäusern versorgt.
Der Senat betont aber, dass die Koordinierung solcher Aufnahmen Aufgabe des Bundes sei, der für die Evakuierung, Einreise und Zuweisung zuständig sei. Zur Verteilung auf die Länder und Krankenhäuser werde dabei der sogenannte Kleeblatt-Mechanismus genutzt, ein System zur Koordination von medizinischen Verlegungen, um eine regionale Überlastung von intensivmedizinischen Kapazitäten zu vermeiden.
Die Kostenfrage
Dieses System sei zudem an internationale Mechanismen zur medizinischen Evakuierung angebunden. Hamburg ist gemeinsam mit Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Teil des regionalen Kleeblatts Nord.
Das Bundesinnenministerium müsse durch Aufnahmeanordnungen klare Vorgaben machen, fordert der Hamburger Senat. Nötig sei „insbesondere eine Klärung, welche Altersgruppe infrage kommt, welcher Grad an Behandlungsbedürftigkeit vorausgesetzt wird, durch wen die Minderjährigen begleitet werden können und welche Voraussetzungen die Begleitpersonen erfüllen müssen“.
Zu klären sei auch, wer die Behandlungskosten übernimmt. Im Falle der ukrainischen Kriegsverletzten sei das bislang der Bund gewesen. Derartige Entscheidungen „sollten durch die Bundesregierung in Abstimmung mit der Weltgesundheitsorganisation bzw. dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen oder vor Ort tätigen Nichtregierungsorganisationen und nach Rücksprache über die Behandlungsmöglichkeiten in den Ländern und Kommunen getroffen werden“, so der Senat weiter.
Die Linke geht einen Schritt weiter
„Es ist ein wichtiges Signal, dass Hamburg bereit ist, verletzte Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen und medizinische Hilfe zu leisten“, findet der SPD-Fraktionsvorsitzende Kienscherf. Die SPD setze sich in Hamburg und Deutschland für die Sicherheit Israels und den Schutz jüdischen Lebens ein. „Gleichzeitig lassen wir das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht außer Acht“, versichert der Abgeordnete.
Die Linke begrüßt die Bereitschaft zur Aufnahme von Kindern aus dem Gazastreifen und verweist darauf, dass sie diese bereits im Dezember 2024 in einem Antrag an den Senat gefordert hatte.
Darin hatte die Linke den Senat aufgefordert, sich für einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel einzusetzen, Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs zu vollstrecken sowie humanitäre Hilfen für Gaza zu prüfen, einschließlich medizinischer Versorgung für Kinder und Erwachsene in Hamburger Krankenhäusern. Darüber hinaus solle ein Landesaufnahmeprogramm für Palästinenser:innen geprüft werden.
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