Aufklärung von Österreichs Ibiza-Affäre: Straches ungewollt großer Auftritt
Am Donnerstag starten in Österreich die Befragungen im Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre. Der frühere FPÖ-Chef wird gleich zu Beginn befragt.
Die Ibiza-Äffäre sorgte vor einem Jahr für das Zerbrechen der rechtskonservativen Regierung aus FPÖ und ÖVP. Damals veröffentlichten Medien Videoaufnahmen aus dem Sommer 2017 auf Ibiza, die den damaligen FPÖ-Chef im Gespräch mit einer vermeintlichen Oligarchen-Nichte zeigen. Auf dem Video scheint Strache im Gegenzug für Geldspenden an die Partei Staatsaufträge zu versprechen. Im Ibiza-U-Ausschuss geht es nun um verdeckte Parteispenden gegen politische Gefälligkeiten, aber auch um konkrete politische Korruption im Zuge der sogenannten Casinos-Affäre.
Wenn der Ausschuss gut arbeite, so glaubt Politveteran Peter Pilz, dann habe die Kanzlerpartei mehr zu befürchten als die ohnehin schon von den Wählern geprügelte FPÖ: „Die ÖVP ist die Mutterpartei des Proporzes, der Parteibuchwirtschaft, der geheimen Parteienfinanzierung. Sie betreibt dieses Geschäft seit über 44 Jahren mit kurzer Unterbrechung.“
Pilz, der einst als Grüner zahlreiche Skandale in Österreich aufgedeckt hat, beobachtet den Ausschuss als Journalist. Er ist für das online-Magazin Zackzack akkreditiert. Der Name des Mediums ist eine Anspielung auf die Art und Weise, wie Strache auf dem Video im Boulevardblatt Kronen Zeitung unerwünschte Redakteure entfernen wollte, nämlich „zackzackzack“.
Ausschuss soll komplettes Video bekommen
Karin Praprotnik, Politologin an der Donauuniversität Krems, findet es interessant, dass Strache immer die Herausgabe des kompletten, mehr als siebenstündigen Videos gefordert hatte, weil er sich davon eine Entlastung versprach. Die Aufnahme wurde inzwischen von der Kriminalpolizei bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt. Proprotnik zur taz: „Jetzt will er plötzlich nicht mehr, dass das ganze Video gezeigt wird. Stellt sich die Frage, was sonst noch drauf ist.“
Das Video wird derzeit noch von Experten im Innenministerium ausgewertet und soll in 14 Tagen den Ausschussmitgliedern zur Verfügung gestellt werden. FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl wittert einen „strategischen Masterplan“ der ÖVP-PR-Experten als Ablenkungsmanöver. Es sei schon eigenartig, dass die Kommission das Video bereits seit fünf Wochen in Besitz habe, dies aber dann bekannt geworden sei, als es für die ÖVP gerade nicht rund gelaufen sei. Er verlangt die Verschiebung des Ausschussbeginns um zwei Wochen.
Mit einer „großangelegten Desinformationskampagne“ der ÖVP rechnet auch Pilz, allerdings im Ausschuss. Man werde versuchen, Strache und seinen Kumpan Johann Gudenus als „Ausgeburten des Bösen“ ins Zentrum zu rücken und „aus dem Täter ÖVP das Opfer zu machen“. Denn „Strache und Gudenus tun auf dem Video etwas, was in der Regierungspolitik äußerst selten ist: sie sagen einfach die Wahrheit. Und das war ihr politisches Ende.“ Die ÖVP hingegen habe in Jahrzehnten an der Regierung die politische Korruption perfektioniert. Ohne Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Finanzminister Hartwig Löger hätte die FPÖ auch ihre umstrittenen Günstlinge nicht in die Aufsichtsräte staatsnaher Unternehmen schicken können.
Die FPÖ versucht sich von Strache abzugrenzen. Karin Praprotnik ist skeptisch, ob das gelingen wird, denn „sie hat ihm relativ lange den Rücken freigehalten und ist in ihrer Kommunikationsstrategie Strache gefolgt“. Erst als dann im Sommer die Spesenaffäre platzte, habe man den Bruch vollzogen. Die Politologin glaubt, dass sowohl ÖVP als auch FPÖ die für 11. Oktober geplante Gemeinderatswahl in Wien im Auge haben. Beiden könnte der U-Ausschuss schaden, wenn er seine Arbeit ordentlich erledigt.
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