Asylpolitik in Dänemark: Überall hin, nur nicht ins Land
Die dänische Regierung treibt ihre Pläne für einen Flüchtlingsknast im Kosovo und nach Ruanda ausgelagerte Asylverfahren weiter voran.
Den von ihm und seiner kosovarischen Amtskollegin Albulena Haxhiu am Mittwoch unterzeichneten Vertrag über die 10-jährige Anmietung von Haftplätzen im Gefängnis Gjilan bezeichnete Justizminister Nick Hækkerup als „bahnbrechend“. Der Kosovo-Knast ist wegen der geringeren Personalkosten nicht nur preisgünstiger als eine dänische Haftanstalt. Hækkerup möchte noch einen Schritt weiter gehen: „Unser Ausgangspunkt ist, dass die Verurteilten das selbst finanzieren müssen.“ Ob mit unbezahlter Arbeit oder wie sonst man das praktisch erreichen könne, daran werde in seinem Ministerium noch gefeilt.
KritikerInnen werfen Kopenhagen nicht nur deswegen „modernes Kolonialdenken“ vor, sondern auch wegen eines anderen Plans, der seit über einem Jahr vor sich hinköchelt: Flüchtlingen soll der Aufenthalt in Dänemark zur Durchführung eines Asylverfahrens ganz versagt und ihre Asylprüfung ins 6.000 Kilometer entfernte Ruanda verlegt werden. Ihr Transport dorthin soll erforderlichenfalls mit Hilfe von „unmittelbarem Zwang“ erfolgen, heißt es in einem Gesetzentwurf.
Die Idee des dänischen Integrationsministers Mattias Tesfaye scheint der Regierung von Boris Johnson so gut gefallen zu haben, dass London mit einem entsprechendem Asyldeal Dänemark in der vergangenen Woche sogar noch zuvorkam. Man sei aber „auf gutem Wege“, informierte Tesfaye am Donnerstag VertreterInnen aller Parlamentsparteien. Allerdings könne er Einzelheiten nicht nennen, „der Dialog mit Ruanda muss vertraulich bleiben“. Ein Sprecher der für alle skandinavischen Länder zuständigen ruandischen Botschaft in Stockholm bestätigte Jyllands Posten entsprechende Verhandlungen.
Keine Angst vor Warnungen aus Brüssel
Das veranlasste EU-Flüchtlingskommissarin Ylva Johansson am Freitag, Kopenhagen vor „möglichen Konsequenzen für die Dublin-Zusammenarbeit“ zu warnen, sollte man einen solch „kontraproduktiven“ und „egoistischen“ Plan tatsächlich verwirklichen.
Diese Warnung aus Brüssel muss man vermutlich nicht allzu ernst nehmen. Zum einen hat die schwedische Kommissarin angesichts der illegalen Pushbacks von Flüchtlingen durch Polen und Litauen nach Belarus bewiesen, dass sie mit dem Bruch von europäischem und internationalem Recht keine übergroßen Probleme zu haben scheint und es im Zweifel bei einem erhobenem Zeigefinger bleibt. Zum anderen hatte sich Dänemark für seine Zustimmung zum Maastricht-Abkommen ohnehin ausgehandelt, außerhalb der gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik stehen zu können.
Allerdings fällt es der dänischen Regierung zunehmend schwer, den Sinn ihres von der Linksopposition als „skrupellos“ verurteilten Ruanda-Konzepts deutlich und im Parlament die dafür erforderlichen Millionen locker machen zu können.
Ursprünglich hatte man von einer Art Vorreiterrolle in der EU geträumt: Andere Länder würden sich sicher anschließen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass dies nicht der Fall sein dürfte. Das Argument, Flüchtlinge könnten so davon abgehalten werden, die Flucht über das Mittelmeer überhaupt erst anzutreten, greift deshalb nicht mehr.
Der Effekt, den eine Auslagerung des Asylverfahrens nach Ruanda allenfalls noch haben könnte: Flüchtlinge würden vermutlich Dänemark meiden. Vielleicht reicht Kopenhagen ja schon ein solcher „Erfolg“.
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