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Asylgesetze in der EU und FrankreichDie Mitte ist rechts

Kommentar von Lea Fauth

Das politische „Zentrum“ macht sich zum Komplizen des rechten Rands – nicht nur beim EU-Asylrecht. Das hat systemische Gründe.

Europaflagge und Stacheldrahtsymbole: Graffiti an einer Hauswand in Stuttgart Foto: Markus Golejewski/AdoraPress

D ie Schande kommt als Kompromiss der „Gemäßigten“ daher: Lager an den EU-Außengrenzen, in denen sogar Kinder eingesperrt werden, Abschiebung in sogenannte sichere Drittstaaten und Asylentscheide nach fragwürdigen Schnellverfahren – das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Geas) entrechtet Menschen. Parteien wie SPD und Grüne klopfen sich für das Umsetzen dieser zivilisatorischen Katastrophe deshalb nicht minder selbst lobend auf die Schulter. Die sogenannte Mitte macht sich ohne Not zum größten Komplizen des rechten Rands.

Ähnlich in Frankreich. Dort wurde der Präsident der „Mitte“, Emmanuel Macron, zwei Mal unter anderem gewählt, weil er in der Stichwahl gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen auch seinen Geg­ne­r*in­nen als das „kleinere Übel“ galt. Nach jahrelanger Politik des Sozialabbaus lässt seine Regierung nun die letzten Masken fallen. Das neue „Einwanderungsgesetz“ sieht eine Zweiklassengesellschaft vor, in der Menschen ohne französische Staatsbürgerschaft erst nach fünf Jahren Anspruch auf Sozialleistungen haben. Menschen, die oft erst die Sprache lernen müssen und auf ihre Arbeitserlaubnis warten. Auch kann die französische Staatsbürgerschaft aufgrund von Delikten künftig denjenigen entzogen werden, die noch eine anderen Nationalität besitzen. Was sind gleiche Rechte für alle, wenn einigen Menschen diese Rechte im Ernstfall genommen werden? Le Pen feierte das Gesetz konsequenterweise als einen „ideologischen Sieg“.

Dass die Mitte den Rechtsextremen hier wie dort derart erbärmlich nach dem Mund redet, ist kein Versehen – sondern systemisch angelegter Opportunismus: Ver­tre­ter*in­nen dieser Mitte verfolgen eine radikale Marktlogik. Daraus kann nie Humanismus erwachsen und somit auch keine ernst zu nehmende Brandmauer gegen rechts. Über Menschenrechte kann in dieser Logik eher verhandelt werden als über die Schuldenbremse, einen Eckpfeiler der neoliberalen Ideologie.

Geht es um Sozialpolitik, kann die Mitte vermeintlich nicht anders, als zu sparen und zu kürzen – auch gegen die Interessen der Mehrheit. Geht es um Einwanderung, gibt dieselbe Mitte vor, dass auf die populistischen Tendenzen in der Bevölkerung nun einmal gehört werden müsse. So, wie der „grüne“, klimafreundliche Kapitalismus eine logische Unmöglichkeit ist, so ist auch die Idee eines humanistischen Kapitalismus ein Widerspruch in sich. Die grüne Partei verkörpert diese doppelte Lüge – und deren Auffliegen. Das macht sie zwar nicht zu einer rechtsextremen Partei. Für jene Kinder, die fortan in Lagern an den EU-Außengrenzen inhaftiert sein werden, ist diese Politik im Ergebnis jedoch das gleich große Übel.

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Redakteurin taz1
Hat Philosophie und Literatur in Frankreich, Brasilien und Portugal studiert und bei der Deutschen Welle volontiert.
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es obliegt einer Gesellschaft den „Kapitalismus“ zu prägen: klimafreundlich und sozial sind mögliche Optionen.



    Wie sollte man sonst den gewachsenen globalen Wohlstand erklären oder die bereits erreichten Umweltschutzmaßnahmen erklären?



    Die Grünen verkörpern daher keine Lügen sondern die Bemühungen sich mit der konkreten Welt jenseits kleiner Debattierkreise auseinanderzusetzen.

  • 6G
    697175 (Profil gelöscht)

    Es zeigt sich auch in diesem Beitrag, wie unpassend eine schlichte links/mitte/rechts-Unterscheidung ist. Die "ganz Rechten" der AfD sind genauso neoliberal wie alle Anderen (ausgenommen das Spurenelement "Die Linke").

  • mal auf eine 1+1 Formel heruntergebrochen: das Ziel der Politiker der vermeintlichen Mitte ist eben eine neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft, maximale Gewinne für die Privatwirtschaft, alles andere ist dem unterzuordnen, Humankapital aber auch der Staat wird als Kapital angesehen, das dem höheren Zweck, der Gewinnerzielung der Wirtschaft untergeordnet werden muß. Dies trift auf eine Bevölkerung die es gelernt hat steht`s auf den eigenen Vorteil zu achten, wettbewerbsfähig, fit für den Arbeitsmarkt zu sein, in Konkurrenz zu denken, und die kann eben (in der Masse) keine Solidarität. Es braucht Sündenböcke für die schnelle Frustableitung. Und da ist eben rechts ideal, da wo die Verachtung für andere soweit übersteigert wird, dass es ins Gewalttätige geht.



    Links mit seinen Argumenten und Theorien ist viel zu komplex um als Frustableiter benutzt werden zu können. Und die Verachtung von linksliberal für den Plebs, der Fleisch ist, unreflektiert redet ist auch nicht gerade förderlich...

    • 6G
      697175 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Jawoll!

  • Bravo! Für jeden Satz und jede Aussage in diesem Kommentar.

  • Die Franzosen haben keine Ahnung, was für ein Verbrechen an ihrem Staat sie da gerade begehen. Fünf Jahre ohne Sozialleistungen unter ständiger Drohung von Abschiebung? Das bedeutet, überall in den Kellern und Dachböden wohnen Menschen, die für einen Appel und ein Ei alles machen, was man von ihnen will - zu einem Hungerlohn von 5 EUR, SMIC hin oder her - einzige Bedingung: Auch der Arbeitgeber muss in die Illegalität rutschen, was der Durschnittsfranzose notgedrungen sicher hinnehmen wird, Bestechung inklusive. In 10 Jahren wird die Schattenwirtschaft damit 40% des BIP erreichen. Der Staat, dessen Beamtenstatus von Franzosen einst so hoch geschätzt wurde, kann dann komplett einpacken, es wird gar nichts mehr funktionieren.

  • „Die Mitte ist rechts“ - ?



    Die Wahrheit ist doch eher, dass in der Politik jeder seinen eigenen Standpunkt als Verkörperung der „Mitte“ sieht und alle anderen, je nachdem, links oder rechts verortet. Das ist nicht nur in Frankreich so.



    Beispiel: Als es vor etlichen Jahren nach einer Wahl um Koalitionsmöglichkeiten ging, lehnte die CDU eine Koalition mit der SPD ab: Diese sei inzwischen zu weit nach links abgedriftet. Die Grünen befürworteten eine Koalition mit der SPD, auch, um ihr den Weg nach rechts zu versperren!

  • Selbstverständlich sieht die politische Mitte das Gewähren von Asyl als Luxus. Sehr große Teile der Bevölkerung glauben momentan sich diesen Luxus nicht mehr leisten zu können. Diese Sichtweise ist natürlich schwach, aber die Menschen sind so. Man kann natürlich den Mangel an Humanität anprangern, oder den Selbstbetrug, oder die Lüge von der Wirksamkeit der Maßnahmen, oder dass offensichtlich niemand es für möglich hält, die eigenen Ansprüche zu reduzieren. Auch den zynischen Opportunismus von Merz und Konsorten oder die Fügsamkeit der Grünen. Aber man sollte auch nicht alles in einen Topf werfen, Frankreich ist migrationspolitisch mit Deutschland überhaupt nicht zu vergleichen und der grüne Kapitalismus ist ein wirklich völlig anderes Thema. "Ohne Not" ist auch weder objektiv noch subjektiv zutreffend und auch wirklich nicht hilfreich. Natürlich gibt es Not und es gibt sogar Probleme die mit gutem Willen und viel Geld nicht zu lösen sind.

  • Es ist für diese s.g. politische Mitte auch viel einfacher und deutungsseitig logisch(er), am rechten Rand zu fischen, als sich den Widersprüchen und Zusammenhängen zu stellen. Das sind solche, die von Kräften als angeblich kommunistisch und/oder leistungs- sowie entwicklungsfeindlich bezeichnet werden, jedoch handelt es sich tatsächlich schlicht um Humanität und beispielsweise Umweltschutz.