Abschiebung aus dem Frauenhaus: Schutzraum nicht mehr sicher
Die Bewohnerin eines Hamburger Frauenhauses ist mit ihren beiden Kindern abgeschoben worden. Autonome Frauenhäuser sprechen von „Zäsur“.
Eine Mitarbeiterin, die seit 2010 in dem Frauenhaus arbeitet, sagte der taz, so etwas habe sie noch nicht erlebt. Laut Mitteilung der Frauenhäuser hatte die Frau der Behörde im August dieses Jahres ihre Absicht zur freiwilligen Rückkehr in ihr Herkunftsland mitgeteilt und war dabei, die notwendigen Schritte zur Ausreise vorzubereiten. Zur Frage, warum sie trotzdem abgeschoben wurde, sagten die Behörden am Freitag nichts.
„Die Autonomen Frauenhäuser Hamburg sind erschüttert über das Vorgehen der Hamburger Ausländerbehörde und des rot-grünen Senats, die auch vor der Ingewahrsamnahme von Frauen und Kindern, die vor Gewalt geflohen sind, nicht zurückschrecken“, teilten die Frauenhäuser mit. „In Österreich wurden die Frau und ihre Kinder in eine Unterkunft gebracht, zu der auch ihr gewalttätiger Ex-Partner Zugang hat – die Person, vor der sie geflohen ist“, schilderte eine Mitarbeiterin.
Diese Abschiebepraxis stelle eine Bedrohung für die Arbeit der Frauenhäuser dar, die als anonyme Schutzorte für Gewaltbetroffene gedacht sind. „Durch das Vorgehen wird die Sicherheit dieser Schutzräume ernsthaft untergraben – eine Zäsur in der Geschichte der Hamburger Frauenhäuser“, hieß es in der Mitteilung.
Linke spricht von nächster Eskalationsstufe
Die frauenpolitische Sprecherin der Linken, Cansu Özdemir, kritisierte, dass die 28-Jährige und ihre Kinder während der Ingewahrsamnahme und im Bus die Toilette nur bei offener Tür benutzen durften. „Das ist eine unfassbare Verletzung der Intims- und Privatsphäre“, so Özdemir. Außerdem sei die Frau dazu gedrängt wurde, die vertrauliche Adresse des Frauenhauses bekanntzugeben, das sei „ein Verstoß gegen die wichtigste Grundregel zum Schutz der Frauenhäuser“.
„Nach der Abschiebung aus dem Kirchenasyl ist dies die nächste Eskalationsstufe, die der Senat einleitet“, teilte die fluchtpolitische Sprecherin der Linken, Carola Ensslen, mit. Zuletzt hatte der Fall eines Afghanen für Aufsehen gesorgt, der aus einem Hamburger Kirchenasyl nach Schweden abgeschoben wurde. Der Senat „betreibt einen riesigen Aufwand, um ausgerechnet die vulnerabelsten Menschen abzuschieben“.
Nicht die erste Abschiebung aus Schutzraum
Im Sommer 2021 hatte Hamburgs Ausländerbehörde eine Mutter und ihr Kind aus einer Unterkunft in Hamburg-Eppendorf abgeschoben, die speziell für geflüchtete Frauen eingerichtet wurde, die Schutz vor gewalttätigen Ex-Partnern suchen. Damals sagte Matthias Krumm, Sprecher des Amtes für Migration: „Aus Sicht der Ausländerbehörde dienen sichere Unterkünfte dem Schutz vor unrechtmäßigen Übergriffen durch Dritte, nicht vor staatlichen Maßnahmen.“ Die Autonomen Hamburger Frauenhäuser fordern: „Frauenhäuser müssen sichere Orte bleiben“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar