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Folgen des Ampel-Aus für die MieteLeerstelle Mieterschutz

Die Verlängerung der Mietpreisbremse steht vor dem Aus. Ob die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen daran etwas ändern kann?

Kommt das Ende der Mietpreisbremse? Olaf Scholz nach dem Ende der Ampel-Koalition Foto: Bernadett Szabo/reuters

Berlin taz | Als Olaf Scholz (SPD) das Ende der Ampelkoalition verkündete, behaupteten einige, es sei die beste Rede seiner Kanzlerschaft gewesen. Klar, wenig verklausuliert und für hanseatische Verhältnisse sehr emotional, hieß es. Wenig beachtet wurde, was der Kanzler nicht erwähnte.

„In den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestages bis Weihnachten werden wir alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die keinerlei Aufschub dulden“, versprach er. Dann zählte er auf, was er darunter versteht: den Abbau der kalten Progression, Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die Verschärfung des Europäischen Asylsystems umzusetzen und Soforthilfe für die Industrie.

Wer dachte, dass der Kanzler auch etwas zum bezahlbaren Wohnen sagen würde, wurde enttäuscht. Dabei steht nichts weniger als das Ende der Mietpreisbremse im Raum. Und das bedeutet im Prinzip: mehr Markt auf dem Mietmarkt. Schon jetzt gehören unbezahlbare Mieten laut Studien zu den größten Sorgen in der Bevölkerung.

Dem Deutschen Mieterbund ist das nicht entgangen. „Die Umsetzung wichtiger mietrechtlicher Gesetzesvorhaben wie die Verlängerung der Mietpreisbremse dürfen jetzt nicht in Vergessenheit geraten“, forderte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten zum verkündeten Ende der Ampelregierung. „Es wäre in keiner Weise zumutbar, wenn in Ländern wie Berlin, Hamburg oder Bayern, sowie in allen anderen stark nachgefragten Regionen, keinerlei Begrenzung der Miete bei Anmietung einer neuen Wohnung mehr existieren würde.“

In manchen Bundesländern läuft die Mietpreisbremse bereits früher aus. In Berlin zum Beispiel, wo über 80 Prozent der Ein­woh­ne­r*in­nen zur Miete wohnen, Ende Mai nächsten Jahres. Unklar ist, was danach passiert. Das Land könnte die Mietpreisbremse eventuell noch bis zum Auslaufen der Bundesregelung Ende 2025 verlängern. Auf die Frage, ob das denn geplant sei, antwortete die Senatsverwaltung für Wohnen ausweichend: „Berlin hofft natürlich, dass die Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren fortsetzt und der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode die Verlängerung der Mietpreisbremse beschließt“, hieß es in der Antwort.

Gerangel um die Mietpreisbremse

Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse gilt bislang bis Ende 2025. Sie regelt in angespannten Wohnlagen, wie hoch eine Miete sein darf, wenn eine Wohnung neu oder wieder vermietet wird. Sie darf bei Vertragsabschluss die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen. Für Neubauten gilt die Mietpreisbremse allerdings nicht, ebenso wenig für umfassend modernisierten Wohnraum. Wo ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt, legen die Landesregierungen fest. Aber ob die Mietpreisbremse als Ganzes verlängert wird oder nicht, das ist Sache der Bundesregierung.

Erst kürzlich hatte nach langem Gerangel der Jetzt-Nicht-Mehr-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2028 vorgelegt. SPD und Grüne wollten eigentlich eine Verlängerung bis Ende 2029, hatten sich aber nicht durchsetzen können. Genauso wenig wie mit anderen Verbesserungsvorschlägen und anderen Mieterschutzmaßnahmen.

Mehr war mit der FDP offenbar nicht drin. Denn die Liberalen sind, das ist kein Geheimnis, eigentlich erklärte Gegner der Mietpreisbremse. Das lässt sich auch in ihrem Parteiprogramm nachlesen. Die vorerst verbleibende Minderheitsregierung aus SPD und Grünen hat allerdings keine Mehrheit mehr im Bundestag. Will sie die Mietpreisbremse verlängern, müsste sie sich Verbündete in der Opposition suchen.

Klar ist, auf die FDP kann Rot-Grün nicht zählen. „Die Mietpreisbremse war schon immer eine Investitionsbremse“, erklärte Wohnungspolitiker Daniel Föst der taz. Deshalb hätte sich die Partei immer gegen die Mietpreisbremse ausgesprochen und werde im Bundestag „einer Verlängerung auch nicht zustimmen.“

Union hält sich bedeckt

Aufgeben möchten SPD und Grüne aber nicht. „Wir werden selbstverständlich alles daransetzen, die Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode zu verlängern“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens der taz. Jetzt sei der „Zeitpunkt gekommen, an dem alle demokratischen Parteien klar zeigen müssen, ob ihnen die soziale Brisanz der stetig steigenden Mieten und des Mangels an bezahlbarem Wohnraum bewusst ist“.

Auch für die grüne Bundestagsabgeordnete Hanna Steinmüller hat das Mietrecht „nach wie vor hohe Priorität“. Ob man die nötigen Mehrheiten finde, hänge aber auch von der Union ab. „Immerhin hat sie die Mietpreisbremse mit eingeführt“, sagte Steinmüller der taz. CDU und die teils etwas mieterfreundlichere CSU äußerten sich auf Nachfrage zunächst nicht.

Offen zeigte sich aber die Linkengruppe im Bundestag. Deren Stimmen alleine werden allerdings auch nicht reichen. „Selbstverständlich wird keine sinnvolle soziale Initiative an der Linken scheitern – auch eine Verlängerung der Mietpreisbremse nicht“, sagte Caren Lay der taz. Damit diese aber nicht „komplett zahnlos“ bleibe, müssten „mindestens die zahlreichen Ausnahmen, etwa für möblierte oder modernisierte Wohnungen oder für Neubau gestrichen werden“. Hoffungsfroh klang Caren Lay nicht: Das Thema Mietenpolitik habe „bedauerlicher Weise nicht zu den Schwerpunkten gehört, von denen Scholz gesagt hat, dass er sie noch bearbeiten will“.

Ohnehin ist der Zeitplan eng. Bis zum 6. Dezember 2024 haben die Länder und Verbände die Möglichkeit, zum vorgelegten Gesetzentwurf Stellung zu beziehen. Der Eigentümerverband Haus und Grund hat zudem schon angekündigt, bei einer erneuten Verlängerung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen.

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16 Kommentare

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  • Ich verstehe die Aufregung um die Mietpreisbremse nicht. Diese Menschen waren vor uns auf der Welt, ihre Gene hatten früher Glück, irgendwie kam Geld zustande. Was für Unmenschen wollen diesen Auserwählten bitte nun in die Suppe spucken? Sie haben es sich verdient Passiveinkommen zu haben, und zwar reichlich davon, damit sie keine Wirtschaftsleistung mehr erbringen. Versteht das denn niemand? Sie waren genetisch zuerst da!

  • Scholz hat da schon einen Punkt, Prioritäten zu setzen, was er inhaltlich wie für den Wahlkampf nach vorne stellt (ich hoffe dabei sehr, dass noch mehr Geld für die Industrie nur Geplänkel ist).

    Bei dem Thema bezahlbarer Wohnraum gibt es andere Hebel: kompakter, barrierearm und weniger aufwendig bauen, dabei mit Dämmen die Nebenkosten in den Griff kriegen, wieder als Generationen oder WGs oder Einlieger zusammenziehen, alte Häuser wieder herrichten, auf dem Land eine gute ÖPNV-Infrastruktur wieder- und Glasfaser herstellen, das Geld dabei nicht mehr für Straßen und Autoindustrie teuer verballern, sondern für die obigen Punkte.



    Mietbremsen sind nur ein Pflaster, aber wohl keine hinreichende Lösung, denn sie trennen den Mietmarkt dann doch in Alt und Neu und bremsen so ein Anpassen der Fläche an das jeweilige Bedürfnis.

    Auch politstrategisch hätte Scholz da wenig mit noch einer Priorität mehr zu gewinnen.

  • Ja, es gibt noch viele wichtige Projekte, die Krankenhausreform gehört auch dazu.



    Die Mitglieder des Bundestages könnten mal unter Beweis stellen, ob sie am Wohl der BürgerInnen interessiert sind, oder nur am Wohl der eigenen Partei.



    Wissing hat hier prominent gezeigt, dass es auch anders geht.



    Doch die Obrigkeitshörigkeit der Deutschen setzt sich schon wieder durch.



    Merz ist zwar noch nur Kanzlerkandidat, aber eine Mehrheit hoppelt Ihm schon laut blökend hinterher.



    "Er muss es ja wissen".



    Woran genau fest gemacht wird, dass er irgendwas weiß, hat sich in den letzten drei Jahren nicht gezeigt.



    Wann ein guter Zeitpunkt für eine Neuwahl ist, weiß die Bundeswahlleiterin wohl am Besten.



    Laut Ihrer Fachkompetenz spricht wenig für Merz Zeitplan.



    Mal so als Anregung unter DemokratInnen:



    was spricht gegen eine Debatte im Bundestag, an deren Ende die ParlamentarierInnen zum Wohl des Landes und ihrem Gewissen folgend abstimmen? Sollte es nicht sogar immer so sein?

    • @Philippo1000:

      Zitat: "Woran genau fest gemacht wird, dass er irgendwas weiß, hat sich in den letzten drei Jahren nicht gezeigt."

      Merz hat gegenüber einem Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden den Vorzug, daß er es unterläßt, mit unpassendem Verhalten in der Öffentlichkeit seinen Laden unmöglich zu machen. Das ist nicht viel, aber solange man in D noch Wahlen mit Hilfe der Fehler anderer gewinnt und die eigenen Qualitäten dabei keine Rolle spielen, reicht das.

    • @Philippo1000:

      Interessen und Perspektive bereits innerhalb von Parteien zu besprechen, zu bewerten, zu bündeln und vorabzuklären, hat schon einen Zeitgewinn, verankert den Prozess auch auf "unteren" Ebenen, führt zu balancierteren Haltungen der Parteien (die zu starke Stellung von Lindner, Schäffler und Kubicki und das entsprechende Jungtürkentum bei der FDP ausgenommen) ...

      Die Schlagkraft einer Fraktion ist letztlich wohl das stärkste Argument. Wer sollte das nicht sofort wiederherstellen wollen?



      Bei aller Sympathie für Ihren Punkt und bei aller Kenntnis des Grundgesetzes hierzu.

  • Der Sinn der geplanten Asylrechtsverschärfung, zumindest, soweit sie über die EU-Vorgaben hinausgeht, erschließt sich mir erst recht nicht mehr, nachdem die Tage der Regierung ohnehin gezählt sind. Die taugt allenfalls noch als Test, ob die Union wirklich alles abschmettern oder noch lesen wird, was die Koalition einbringt.

    Ansonsten wir Olaf vergessen können, daß er noch irgendetwas durchbekommt. Merz' Ansage ist eindeutig, der wird sich nicht im bevorstehenden Wahlkampf als Umfaller präsentieren wollen. Und da Olaf das weiß, ist nicht nachvollziehbar, weshalb er sich die Blöße, die Mieter "unter den Bus zu werfen", geben wollte.

    • @dtx:

      Asyl einzubringen ist recht sicher für den Wahlkampf gedacht.



      Falls die CDU zustimmt, ist sie mit im Boot und kann schlechter stänkern.



      Falls nicht, kann man ihr das die ganze Zeit vorhalten; und auch dann ist das ablenkende Thema weniger leicht von der Ressentimentpresse wie Springer aufblasbar.



      Nebenbei kann er auch noch die Grünen unter Druck setzen damit.

  • Wer weiß, wer weiß.



    Vielleicht hat der Kanzler dieses Thema gar nicht erst auf die Agenda genommen, weil er sehr genau weiß, dass das mit dem (Ex-) Koalitionspartner FDP nicht zu machen ist. Und jetzt erst recht nicht.

    Da kann man die Kräfte dann in der Tat besser auf andere Themen konzentrieren.

    • @Bolzkopf:

      Wir haben den Artikel gelesen, wir haben Scholz' Reden vor und nach der Wahl verfolgt, wir wissen um Scholz' Herkunft als Mieteranwalt und seinen Fokus und seine Bilanz in Hamburg. Wir wissen, dass Geywitz seine Kandidatur-Vertraute war.



      Was schließen wir daraus?



      Vielleicht, dass es ihm durchaus ein Anliegen war und ist, aber er eben auch priorisieren kann. Noch mehr Industriesubventionen hätte er weglassen sollen, das "hilft" Weil in Niedersachsen zwar, aber wir brauchen viel weniger Verbrennerautos statt mehr.

  • Wenn man sich anschaut, was in Argentinien passiert ist (mehr Angebot an Wohnraum bei sinkenden Mieten), nachdem Javier Milei den "Mietendenschutz" beschnitten hat, dann kann man positiv in die Zukunft blicken :-)

    • @Desdur Nahe:

      Wenn man meint, in Zuversicht (anstelle einer Wohnung) schlafen zu können ...



      Im Gegensatz zu Argentinien wird der Bestand an nutzbarem Wohnraum hierzulande nicht größer, egal, ob man die Mieten freigibt oder nicht.

      • @dtx:

        "Im Gegensatz zu Argentinien wird der Bestand an nutzbarem Wohnraum hierzulande nicht größer, egal, ob man die Mieten freigibt oder nicht."



        Und wenn doch, dann wäre das ein ideologisches Desaster. Also besser gar nicht erst versuchen...



        Aber im Ernst:



        Menschen funktionieren in Argentinien genauso wie in Deutschland. Wenn das Vermieten attraktiver wird, dann vermieten mehr Menschen.

  • Einen Tod muss man sterben heißt es doch.

  • Die Situation der Mieter steht stellvertretend für die performance der Ampel. Durch die komplette Arbeitsverweigerung von Frau Geywitz ging die Immobilienbauwirtschaft in den Keller. Der Mangel an Wohnungen ging damit weiter durch die Decke.



    Sicherlich wäre es besser gewesen dieses Ministerium einfach gar nicht zu besetzen. Schlechter wäre es sicherlich nicht gelaufen.

    • @Andere Meinung:

      Es ist schon eine diskutierbare Frage, was die Rolle eines Bauministeriums eigentlich ist. Achtet es auf Rahmensetzung und wie stark, lässt es auch öffentliche Ressourcen in öffentliches Bauen fließen, ... was soll es machen?



      In Hamburg konnte Scholz in dem Bereich ja wohl einiges bewirken, doch Länder, die gleichzeitig Städte sind, haben andere Möglichkeiten.



      Nur um anzudeuten, dass man über das Thema auch etwas tiefer als nur mit denksparendem Bashing diskutieren könnte ; )

    • @Andere Meinung:

      Ministerin Geywitz, angesprochen auf Vermietende, die die Mietpreisbremse umgehen:

      "Wir sind doch kein Nanny-Staat, der sich in privatwirtschaftliche Verträge einmischt."

      Es ist dieser neoliberale Geist, der die SPD ruiniert hat. Der sie immer weiter in die Bedeutungslosigkeit führt.

      (Ich würde wetten, dass es die nächsten Jahrzehnte keine/n Regierend/e der SPD in Berlin mehr geben wird, da sie systematisch ihre potentiellen Wähler:innen aus der Stadt herausgentrifiziert hat.)

      Für alle, die in diesem Land leben und nicht mit dem silbernen Löffel im Mund geboren wurden, brechen härteste Zeiten an.