Kontrollen an der Grenze zu Dänemark: „Rechtswidrige Dauerlösung“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigt eine Verlängerungen der Kontrollen an der Grenze zu Dänemark an. Grüne und SSW halten das für überflüssig.
Seit September kontrolliert Deutschland seine nationalen Grenzen – eine Maßnahme, die im Rahmen des Schengen-Abkommens zur Personenfreizügigkeit eigentlich nicht vorgesehen ist. Die Kontrollen waren zunächst für sechs Monate geplant, um irreguläre Migration zurückzudrängen, Schleuser zu stoppen und Kriminelle sowie Islamisten herauszufischen.
Die schleswig-holsteinischen Grünen kritisierten Faesers Ankündigung bei ihrem Landesparteitag am vergangenen Sonntag als rechtswidrige Dauerlösung. Grenzschließungen widersprächen den Werten der europäischen Einigung und bedrohten das Zusammenleben in der kulturell und wirtschaftlich eng verflochtenen Grenzregion.
Zudem bezweifeln die Grünen die Wirksamkeit der Kontrollen. „Wir glauben, dass sie das Ziel verfehlen werden, grenzüberschreitende Kriminalität zu begrenzen“, sagt Rasmus Andresen, der Flensburger Europa-Abgeordnete der Grünen. Die Bundespolizei hat nach eigenen Angaben bisher täglich etwa eine Person an der Grenze gefasst. Andresen hält den dafür getriebenen Aufwand für unverhältnismäßig.
Stefan Seidler, Bundestagsabgeordneter (SSW)
Auch aus Sicht Stefan Seidlers, der für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) im Bundestag sitzt, zeigen die Zahlen, dass die Kontrollen an der Grenze zu Dänemark vollkommen überflüssig seien. Es handle sich dabei um reine Symbolpolitik, einen „Griff in die populistische Trickkiste“.
Immerhin hat Faeser für eine Erleichterung im kleinen Grenzverkehr gesorgt: Bei dem Ministertreffen unterzeichnete sie ein Abkommen mit Dänemark, das es Bundespolizist*innen erlaubt, künftig in grenzüberschreitenden Zügen bis zum nächsten Bahnhof auf dänischem Gebiet mitzufahren, um Personenkontrollen durchzuführen. Auf dänischem Staatsgebiet haben sie jedoch abgesehen von Notwehr oder Nothilfe keine Hoheitsbefugnisse. Gleiches gilt umgekehrt entsprechend auch für dänische Polizeikräfte.
Angesichts der nun einmal beschlossenen Verlängerung der Grenzkontrollen hält Seidler diese Vereinbarung für sinnvoll: „Unmittelbar, hier und jetzt ist das ein wichtiger Schritt für uns im Grenzland.“ Für den Arbeitsalltag der Beamt*innen sei das Abkommen eine Erleichterung, weil es ihnen helfe, die Kontrollen praktisch umzusetzen. Vor allem aber nütze die Vereinbarung den täglich 13.000 Berufpendler*innen der Grenzregion, die unter den Auswirkungen der Kontrollen litten.
Seidler schätzt, dass die Pendler*innen durch das Mitfahren der Bundespolizist*innen zehn bis 15 Minuten Fahrtzeit zurückgewinnen könnten. „Wenn wir die Grenzkontrollen schon haben, dann sollten sie wenigstens so reibungslos wie möglich ablaufen“, sagt Seidler.
Der SSW-Abgeordnete findet, dass statt in altertümliche stichprobenartige Passkontrollen, in eine effektive polizeiliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene investiert werden sollte, sodass die Reisefreiheit nicht beeinträchtigt werde. „Das Ziel muss es sein, dass es zwischen Schengen-Ländern keine Grenzkontrollen gibt“, sagt Seidler.
Die Grünen forderten auf ihrem Landesparteitag gemeinsam agierende Sicherheitsbehörden statt nationaler Alleingänge. Dazu zähle eine bessere Zusammenarbeit im Informationsaustausch sowie mehr Fachpersonal in den Polizeibehörden, wie Andresen erläutert.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen