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Hiobsbotschaft fürs KlimaNeuer CO2-Rekord

Die Treibhausgas-Konzentration in der Erdatmosphäre steigt stark an. Offenbar schwindet die Kapazität der Ökosysteme, Kohlendioxid zu binden.

Eine Ursache für steigende Treibhausgaskonzentrationen: Waldbrände in Kanada im Juni 2023 Foto: Canadian Forces via reuters

Berlin taz | Neue Hiobsbotschaft für das Klima: Nie ist die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre so stark angestiegen wie im vergangenen Jahr. Demnach kamen binnen zwölf Monaten im Vergleich zum Vorjahr 3,37 ppm dazu. Die Konzentration der Treibhausgase wird in parts per million – abgekürzt ppm – gemessen: Teile Kohlendioxid pro Millionen Luftteilchen. Zu Beginn der Messungen 1958 lag der CO2-Gehalt bei 315 pm, als 1992 die Klimarahmenkonvention beschlossen wurde, registrierten die Wissenschaftler bereits 354 ppm. In diesem September liegt der Wert über 422 ppm.

Es ist die älteste Messreihe, die es gibt: In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann der junge Chemiker Charles Keeling auf Hawaii eine Messreihe aufzubauen. Die Lage des Laboratoriums auf dem damals erloschenen Vulkan Mauna Loa ist für atmosphärische Untersuchungen ideal: Hier, in 4.170 Höhenmetern, gibt es kaum lokale Einflüsse, die die Atmosphärenmessung verfälschen könnten – die nächsten Industrieschlote sind Tausende Kilometer weit weg.

Die Messkurve ist nach Charles Keeling benannt, sie variiert über das Jahr: Während des Sommers auf der Nordhalbkugel nimmt die Konzentration leicht ab, weil hier die Vegetation umfangreicher als im Süden durch die Photosynthese aus der Atmosphäre Kohlendioxid entzieht. Verlieren die Bäume im Norden dann ihre Blätter, steigt die Konzentration. Insgesamt aber steigt der Wert von Jahr zu Jahr.

Diesmal allerdings ist nicht die Gier der Menschheit nach fossilen Rohstoffen der Grund, denn die globalen Emissionen stiegen 2023 keinesfalls rekordverdächtig, wie Wissenschaftler in einer Vorabveröffentlichung schreiben. Vielmehr haben die Ökosysteme viel weniger Kohlenstoff aufgenommen als noch vor der Klimaerhitzung. Die Forschenden konstatieren „eine beispiellose Schwächung der Land- und Ozeansenken“, was die Frage aufwerfe, „wo und warum diese Verringerung stattfand.“ Die größten Einflüsse sehen sie in der Dürre im Amazonasbecken im zweiten Halbjahr sowie in den extremen Emissionen aus Waldbränden etwa in Kanada. Die Messreihe war 2022 unterbrochen worden, weil der Mauna Loa ausgebrochen war.

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23 Kommentare

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  • Für mich ist Journalismus auch dazu da, Verantwortungsketten aufzudecken. Da Umweltschutz komplex ist, muss man zur Erreichung des Zieles, Verantwortung aufzudecken, ein Denkmodell entwickeln, das argumentiert, zB warum welche Verantwortung und in welchem Schweregrad besteht. Journalisten, zerrt endlich die Verantwortlichen aus dem Dunkeln ins Licht, damit Maßnahmen ergriffen werden können, oder die demokratischen Kräfte konkrete Maßnahmen erdenken bzw solche untereinander unterstützen können!

  • Die Menschheit sägt an dem Ast, auf dem sie sitzt. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass Teile der Menschheit meinen, wenn man schneller sägt, tut es nicht so weh

    • @Frank Burghart:

      Bitte nicht die "Menschheit" verantwortlich machen. Jedenfalls aus meiner Sicht sind es vergleichsweise wenige menschliche A-Löcher, die ihre Agenda gegen die Mehrheit durchsetzen (können). So sind auch arme Menschen in Afrika oder Indien gar nicht in der Lage, als "Menschheit" die gemeinsame Welt zugrunde zu richten. Vielmehr müssen diese wenigen Umweltschutzbremser eindeutig identifiziert und gegen ihre Machenschaften mobil gemacht werden.

  • "Diesmal allerdings ist nicht die Gier der Menschheit nach fossilen Rohstoffen der Grund, ..."

    Das ist leider falsch. Das zusätzliche CO2 in der Atmosphäre stammt eindeutig aus den fossilen Brennstoffen. Bisher haben allerdings die Meere und diverse Ökosysteme einen nennenswerten Teil des CO2 aufgenommen und direkt aus der Atmosphäre entfernt. Und dies lässt langsam nach. (Was durchaus prognostiziert war. Es wusste nur niemand, wann und wie stark der Effekt eintreten würde.)

    Bitte also nicht den falschen Eindruck erwecken, es wären nicht wir Menschen, die den CO2-Anstieg verursachen.

  • Die natürlichen CO2-Senken stellen ihren ehrenamtlichen Dienst nach und nach ein. Bringt diese Erkenntnis ein Umdenken? Dahin, dass wir dringend aufhören müssen, was auch immer zu verbrennen?



    Ich würde mich nicht wundern, wenn gemäß dem Motto "bringt-ja-nichts" stattdessen noch mehr Schutzprojekte eingestellt würden.

  • Wenn man es warm haben will:



    Mit Holz heizen



    Mit Erdgas und Erdöl heizen



    Verbrenner fahren



    Fleisch essen



    Kreislaufwirtschaft ablehnen



    Fliegen



    Wald als umgänglichen Rohstofflieferanten entdecken



    usw.



    Migration geht erst los.



    Kriege, Hungersnöte usw.



    Säugetiere zu denen auch der Mensch gehört, vertragen nur 42 Grad Körpertemperatur.



    Die Körpergrenztemperatur, relative Feuchte wird mit betrachtet, liegt deutlich darunter.

    • @OhneNamen:

      Was Sie aufzählen stimmt, aber Sie versäumen, da Sie nicht dazu in der Lage sind, Alternativen aufzuzeigen.

  • Durch die Kriege wird Kohlendioxyd frei. Die Wälder brennen. Wälder sind krank und vertrocknet.



    Die Meere sind warm, nehmen kein Kohlendioxyd auf.



    Bäume werden verheizt - u.a. Pellets.



    Die fossile Industrie macht tägliche Milliardengewinne.



    Böden werden weiterhin versiegelt, statt diese mit Bäumen zu bepflanzen.



    Jeder dritte E-Auto Besitzer wechselt wieder zu Verbrennen.



    Die Wundertechnologie des Verpressens von Kohlendioxid bleibt aus.



    Das ist kein Drama. Das ist Physik.



    Alle sind in irgendeiner Form beteiligt. Sorry.



    Auch in der Politik fehlt schon länger das Fachpersonal.



    Kommt man ganz nach rechts ist gar keine Fachkompetenz mehr vorhanden

    • @OhneNamen:

      Na dann ab in die Politik mit Ihnen!



      Oder gehören auch Sie nicht zum Fachpersonal, wo Sie doch alles so toll aufzählen und benennen können?

    • @OhneNamen:

      "Kommt man ganz nach rechts ist gar keine Fachkompetenz mehr vorhanden"

      Und ich dachte, rechts von Friedrich Merz gäbe es noch was.

  • Und - wie üblich - werden auf dem demnächst in Baku stattfindenden Klima-Kaspertheater zunächst "Verhandlungen" abgehalten, dann ein Kompromiss beschlossen, der - wie üblich - nichts ändert (und an den sich - wie üblich - so gut wie niemand hält), dann wird das - "darfs noch ein Häppchen Kaviar sein" - mehr oder weniger euphorisch gefeiert.



    Aber immerhin: Meloni kümmert sich gerade um die wirklich wichtigen Themen. Das italienische Gitmo für Flüchtlinge ist gerade gestern eröffnet worden. Es geht voran!

  • "Diesmal allerdings ist nicht die Gier der Menschheit nach fossilen Rohstoffen der Grund".



    Also, sobald es um Rückkopplungseffekte der Gier nach fossilen Rohstoffen geht, können wir uns von jeder Schuld freisprechen? Die Trockenheit etc. ist schuld?

  • Das Haus brennt schon im Erdgeschoß, aber anstatt das Feuer zu löschen, wird der Dachstuhl ('Wirtschaftswachstum') sogar noch ausgebaut.

    taz: *Zu Beginn der Messungen 1958 lag der CO2-Gehalt bei 315 ppm, als 1992 die Klimarahmenkonvention beschlossen wurde, registrierten die Wissenschaftler bereits 354 ppm. In diesem September liegt der Wert über 422 ppm.*

    Vor der vorindustriellen Epoche, also bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, lag dieser Wert noch im Bereich von 280 ppm. In ein paar Jahren werden 430 ppm CO2 erreicht sein und dann ist der weitere Anstieg der CO2-Konzentration nicht mehr aufzuhalten.

    Hier kann man gut sehen, wie die Kurve ansteigt. ***Umwelt-Bundesamt*** www.umweltbundesam...in-der-atmosphaere

    taz: Vielmehr haben die Ökosysteme viel weniger Kohlenstoff aufgenommen als noch vor der Klimaerhitzung. [...] was die Frage aufwerfe, „wo und warum diese Verringerung stattfand.“

    Nach einem Bericht des Club of Rome werden die Treibhausgas-Emissionen 2030 ihren Höhepunkt erreichen. Ab da wird ein 'sich selbst verstärkender Klimawandel' ausgelöst. Der sich selbst verstärkende Klimawandel fängt aber wohl jetzt schon an.

  • "Neue Hiobsbotschaft für das Klima" - warum nennen wir die Dinge nicht beim richtigen Namen:

    "Neue Hiobsbotschaft für unsere Zivilisation".

    • @Semon:

      Simon,



      das wird die Zivilisation nicht zerstören; es wird keine Klimaapokalyse geben. Das ist die klare Aussage der internationalen Klimapanels (können sie im IPCC-Berich nachlesen). Wohl wird es Herausforderungen geben, mit den Änderungen umzugehen, vor allem weil diese nicht gleichmäßig auf dem Globus verteilt sind. Letztlich müssen sich Nationen wie Indien und China fragen, warum sie monatlich neue Kohle/Ölkraftwerke on-stream gehen lassen, gleichzeitig aber von Ländern wie D, die nur für 1,8% des weltweiten Ausstoßes stehen, fordern, ihren CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren (was im Übrigen ggü. 1990 in deutlichem Maße im Gegensatz zu diesen Ländern geschehen ist). Ich kann nachvollziehen, warum diese Nationen so handeln wie sie handeln, jedoch sollten sie beim Vorwurf der Doppelmoral an den Westen, erstmal vor ihrer eigenen Haustür kehren.

      • @Lucas100:

        Die Zivilisation mag bestehen bleiben, apokalyptisch werden die Zustände dennoch.

        Sie sehen ja gerade wie unsere Gesellschaft schon von ein paar Schutzsuchenden überfordert wird.

        Bisher können die meisten durch Deals mit Despoten vom Europäischen Kontinent gehalten werden.

        Was ist wenn dieser "Damm" unter steigendem Druck und eigenen Problemen plötzlich bricht?

        Und was China angeht ...

        Welchen Anteil hat China gleich nochmal bei der weltweiten Solarzellenproduktion?

        Welchen hat Deutschland?

        Wie viel Milliarden investiert China in Batterieforschung, EM, Windkraft, Klimareislienz?

        Sie machen es sich mit dem Chinabashing deutlich zu einfach.

  • Die globalen Emissionen aus fossilen Energien erreichten wohl auch 2023 wieder einen Rekord - der allerdings nur 0,6% oberhalb des Vorjahreswerts lag.

    Richtig ist, dass dieser geringe Anstieg nicht den besonders starken Anstieg erklären kann, den es beim CO2-Gehalt der Luft gab - der steigt vereinfacht gesagt jedes Jahr auf Rekordwerte, soweit überhaupt CO2 emittiert wird, selbst wenn die Einträge zurückgingen würden. Der Anstieg war aber 2023 wesentlich stärker als in den Vorjahren.

    Übertragen auf eine Badewanne, die ohnehin schon fast voll ist, wurde der fossile Wasserhahn in der letzten Zeiteinheit also nur unmerklich weiter aufgedreht. Der Wasserstand in der Badewanne ist dennoch viel stärker angestiegen, als in den Minuten zuvor.

    "In 2023, the CO2 growth rate was 3.37 ± 0.11 ppm at Mauna Loa, 86% above the previous year, and hitting a record high since observations began in 1958[1], while global fossil fuel CO2 emissions only increased by 0.6 ± 0.5%

    In 2023, the CO2 growth rate was 3.37 ± 0.11 ppm at Mauna Loa, 86% above the previous year, and hitting a record high since observations began in 1958, while global fossil fuel CO2 emissions only increased by 0.6 ± 0.5%"

  • Klimakollaps ist jetzt und alle zeigen auf die Migranten. Weder AFD noch Grüne werden uns retten. Diese Zivilisation ist eine Sackgasse.

    • @Lui:

      Lui,



      wir haben keine Klimakollaps. Sorry, das faktischer Unsinn.

      Gleichermaßen ist unsere Zivilisation keine Sackgasse. Zivilisationen sind lernfähig; das hat die Geschichte immer wieder gezeigt.

      Wir sind gerade dabei die Grenzen des Wachstums kennenzulernen und werden Maßnahmen finden damit umzugehen. Statt rumzunörgeln und Defätismus zu verbreiten, arbeiten sie mit, mehrheitsfähige (!!!!) Lösungen zu finden.

      • @Lucas100:

        Nein Sie verstehen die Leute falsch.



        Diese sehen sich als Verbreiter der einzig wahren Botschaft. Die haben keine Zeit über Lösungen nachzudenken.

      • @Lucas100:

        Es gab in der Geschichte der Menschheit noch keine globale Katastrophe, wie den Klimawandel.

    • @Lui:

      "Zivilisation" trifft den Zustand begrifflich überhaupt nicht mehr.

    • @Lui:

      Retten wir einander. Global, regional, lokal. Schaffen wir eine lebensfreundliche Zivilisation, die diesen Namen verdient.