piwik no script img

Neue KlimaschutzverträgeTeuer, aber pragmatisch

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Große Unternehmen wollen und sollen klimafreundlich produzieren – und bekommen dafür Geld vom Staat. Ist das eine gute Idee?

Werksgelände des Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen Foto: Uwe Anspach/dpa

D ie Bundesregierung pampert deutsche Industriekonzerne, damit die endlich ihre klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen senken. In sogenannten Klimaschutzverträgen werden die Deals festgehalten: Unternehmen wie BASF, Südzucker oder Tesa versprechen Investitionen in emissionsfreundliche Technologien, dafür gibt der Staat Fördergeld. Zuletzt sind die Emissionen der Industrie zwar auch so gesunken – allerdings nur durch die Wirtschaftsflaute. Es wurde schlicht weniger produziert. Was doch hergestellt wurde, war im Großen und Ganzen klimaschädlich wie immer.

Die ersten 15 Klimaschutzverträge laufen seit Dienstag. Jetzt könnte man meckern: Knapp 165 Euro lässt sich der Staat jede eingesparte Tonne Kohlendioxid kosten, das ist nicht wenig. 2,8 Milliarden Euro fließen in dieser ersten Vergaberunde für Klimaschutzverträge insgesamt. In künftigen Runden soll es um zweistellige Milliardenbeträge ­gehen. Könnte man es Unternehmen, gerade wenn es um Riesen wie BASF geht, denn nicht zumuten, das Risiko für Investitionen in die eigene Zukunft selbst zu tragen? Zumal ihnen das Verweigern und Verschleppen von Klimaschutz doch als Option erscheint, weil sie damit rechnen (können), dass ihnen im Zweifelsfall die Produktion schon nicht abgedreht wird – auch wenn sie zu klimaschädlich ist.

Pragmatisch gesagt: Es ist höchste Zeit, dass sich die Industrie wandelt und dass die Politik sie dazu drängt – auch wenn das kostet. Um den Preis nicht ausufern zu lassen, hat sich Robert Habecks Wirtschaftsministerium für ein Auktionsmodell entschieden: Den Zuschlag bekommen die Firmen, die pro eingesparter Tonne CO2 am wenigsten Geld fordern. Und wenn sie am Ende durch die Investitionen Profit machen, muss das Geld zurückgezahlt werden.

Getrübt wird das Bild allerdings durch mangelnde ökologische Integrität: Auch Projekte, die auf blauen Wasserstoff setzen, sind förderfähig – obwohl besagter Wasserstoff auf Erdgasbasis hergestellt wird und deshalb gar nicht klimafreundlich ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Der Anteil der EU an den globalen Emissionen hat sich seit 1990 in etwa halbiert (von ~15 auf ~7 %). Da die Menschheit aber inzwischen global in etwa das doppelte von 1990 emittiert (+100 %), wurde konkret betrachtet überhaupt nichts erreicht.

    Insofern kann man bei dem von ihnen beschriebenen Vorgang auch nicht von Pragmatismus sprechen. Denn selbst wenn wir es schaffen in der EU unseren Anteil auf 0 % zu fahren, geht das Klima (für die Menschheit) trotzdem den Bach runter!

    Das Klimaabkommen ist gescheitert und es zeigt sich noch eins, ein Kompromiss, um des Kompromisses willen, ist noch lange keine Lösung. Die EU täte gut daran, sich diesem Fakt zu stellen, denn die dies ist ein Dauerproblem der EU bei vielen Themen. Es sollte viel öfter lauten, besser kein Kompromiss, als ein schlechter!

  • Es ist auf jeden Fall viel zu wenig, was da gefördert wird. Neben dem Ausbau des Stromnetzes und der erneuerbaren Energien selbst sollte anstatt irgendwelcher Sinnlos-Klecker-Vertsteigerungen jede konkrete Investition eines Betriebes, die diesen nachweislich klimafreundlicher macht, zu 100 Prozent gefördert werden, ohne Kredit. Das würde echte Planungssicherheit schaffen.



    Bezahlbar ist das immer. Rein technisch sind Staatsausgaben eine Geldschöpfung, da sie über die eigene Zentralbank laufen.



    Ein Staat ist in eigener Währung also immer zahlungsfähig und deshalb nicht auf Einnahmen angewiesen.



    Als Währungsherausgeber muss er das Geld erst ausgeben, damit er es danach wieder einnehmen kann. Wir hingegen, die Währungsnutzer, müssen das staatliche Geld erst einnehmen, um es ausgeben zu können.



    Eine natürliche Grenze für eine höhere Geldmenge ist erst erreicht, wenn Vollbeschäftigung herrscht, denn dann würde ganz allmählich die Inflation anziehen. Aber von Vollbeschäftigung sind wir weit entfernt.



    (siehe Dirk Ehnts, Maurice Höfgen, etc.)

  • taz: *Die Bundesregierung pampert deutsche Industriekonzerne, damit die endlich ihre klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen senken.*

    Wenn man den Industriekonzernen Milliarden Euro Steuergelder gibt, dann machen sie vielleicht etwas Klimaschutz - aber auch nur "vielleicht". Es wird sich nichts ändern, und wenn 'König Friedrich der Merzige' in Deutschland das Sagen hat, dann wird das alles bestimmt noch schlimmer mit dem pampern der klimaschädlichen Wirtschaft.

    taz: *Könnte man es Unternehmen, gerade wenn es um Riesen wie BASF geht, denn nicht zumuten, das Risiko für Investitionen in die eigene Zukunft selbst zu tragen?*

    Nein, auf gar keinen Fall. Da holt man sich lieber das benötigte "Pampergeld" von den Bürgergeldempfängern, die ja ohnehin "zu faul sind" für ein Ei und ein Butterbrot das Klima mit ihrer Arbeitskraft für die nachfolgenden Generationen zu zerstören. Und außerdem wollen die Industriemanager sich ja auch wieder von einem Teil des Pampergeld gute Boni auszahlen.

  • Wirklich skurril ist das:



    "Auch Projekte, die auf blauen Wasserstoff setzen, sind förderfähig – obwohl besagter Wasserstoff auf Erdgasbasis hergestellt wird und deshalb gar nicht klimafreundlich ist."



    Hier ist der Nutzen für das Klima aktuell wegen der Umwandlungsverluste sogar negativ. Darüber hinaus bleibt höchst fraglich, ob Klimabilanz dieser Investitionen überhaupt irgendwann ins Positive dreht.

  • Welche Werte verkörpern die sogenannten Manager? Sollte Ihnen nicht der gesunde Menschenverstand eine Richtschnur bezüglich eines moralisch - ethischen Handelns ohne jegliche Subventionen mitgeben!

    Wir (2) verzichten freiwillig, mündig, selbstbestimmt und eigenverantwortlich! Kein Auto, Nutzung von ÖPNV und Bahn, regional und saisonal einkaufen, reparieren usw.! Unsere „Belohnung“ besteht darin, dass das 49 Euro Ticket und die BahnCard teurer werden! Wir subventionieren die e-SUVs, das aus dem Wind drehen von Windrädern usw. usw. fleissig mit! Irgendetwas stimmt da nicht!

  • Siehe hierzu [1]:



    "Die Firma Wienerberger ist einer der großen Hersteller von Ziegeln und Klinker in Deutschland... Eines der Ziegelwerke, in Kirchkimmen in der Nähe von Oldenburg, soll nun klimafreundlich umgerüstet werden. Bislang werden die Ziegel mit Gas bei 1.100 Grad Celsius gebrannt, sagt Jörg Boldt von Wienerberger. "Das wird voll elektrifiziert. Das heißt Gas wird abgestellt. Es wird ein komplett neuer Ofen aufgebaut, der dann mit Elektroelementen beheizt wird."



    Wo kommt denn der Strom dafür her? Doch nicht etwa aus Braunkohle- und Gaskraftwerken???



    Es wird immer skurriler.



    [1] www.tagesschau.de/...ie-habeck-100.html

    • @sollndas:

      Der Strom kommt zu 61,5% aus Erneuerbaren Quellen (Q: statista.com), Tendenz stark steigend. Inzwischen haben große Verbraucher oft auch direkt PPAs mit Wind- und Solarparks und beziehen nahezu den gesamten Strom von diesen.



      So ein Ofen läuft dann mindestens 30 Jahre und wird, selbst beim Bezug des normalen Strommixes, über die gesamte Lebensdauer über 90% Erneuerbaren Strom verbraucht haben.



      Finde ich eher nicht so skurril.

      • @Jirschi:

        Derzeit liegt der Co2 Ausstoß pro kWh bei 380 gr, im Durchschnitt wohlgemerkt, der sog. Marginalstrom, der gerade bei dieser Anwendung in Betracht kommt, liegt bei 780 gr pro kWh.



        Bei Erdgas sind es 200 gr.



        Da wird wohl kein positives Ergebnis erziehlt werden.

        • @Quantensprung:

          Das ist doch Augenwischerei.



          Warum sollte man hier Marginalstom ansetzen? Das Konstrukt des Marginalstroms ermöglicht es immer alles was Strom verbraucht schlecht zu rechnen. Mit der Realität hat das aber genau nichts zu tun.

          Bei Erdgas 200 gr anzusetzen hat auch nichts mit der Realität zu tun. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Die 200 gr sind lediglich die direkten Emissionen beim verheizen von Erdgas. Rechnet man die Vorkettenemissionen dazu je nach Studie, Förderart und Lieferland reichen die Angaben hier von 10 gr (Norwegen konventionell) bis über 100 gr (Fracking USA).

          Noch viel wichtiger ist doch aber die künftige Entwicklung. Wer trifft denn eine Entscheidung ohne die Zukunft mitzudenken?



          Die Rechnung ist doch sehr einfach!



          Wir nehmen für die künftige Entwicklung des CO2 Ausstoßes des deutschen Strommix die (wenig ambitionierten) Ziele der Regierung an. 2030: 80% EE; 2040: 100% EE.



          Um es einfach zu halten gehen wir davon aus, dass das Ziel immer plötzlich am anvisierten Datum erreicht wird (macht das Ergebnis schlechter).



          Laufzeit des Ofens 30 Jahre.



          (5 x 380 gr + 10 x 190 gr + 15 x 30 gr (Emissionen der EE))/30 Jahre = 140 gr.



          Positives Ergebnis.

          • @Jirschi:

            Das "Konzept des Marginalstroms" beschreibt die realen Vorgänge im Stromnetz.



            Es funktioniert übrigens auch umgekehrt: Jeder Verbraucher, den Sie abschalten (oder durch einen stromsparenderen ersetzen) spart Fossilstrom (also CO2) in voller Höhe seines Verbrauchs (bzw. seines Minderverbrauchs) ein. Es scheint ja nicht weniger Sonne, und es weht auch nicht weniger Wind, wenn Sie ihn abschalten :-)



            Ihre Rechnung beruht auf einer Wette auf die Zukunft. Die Zukunft ist dem Stromnetz allerdings vollkommen wurscht. Wenn Strom gebraucht wird, muss es den JETZT liefern, und da liefert es eben das, was JETZT zur Verfügung steht.



            Und bis wir nicht mindestens 100 % Erneuerbare haben (also frühestens in 15 Jahren) ist das eben Fossilstrom. Folglich sieht die korrekte Rechnung so aus:



            (15 x 780 g)/30 Jahre = 390 g/Jahr



            Der Ofen wird dann über die gesamte Lebensdauer von 30 Jahren höchstens 50 % erneuerbaren Strom und mindestens 50 % Fossilstrom verbraucht haben. Vorausgesetzt, Ihre Wette auf die Zukunft geht auf.

            • @sollndas:

              "Das "Konzept des Marginalstroms" beschreibt die realen Vorgänge im Stromnetz."



              Genau das ist ja der Denkfehler. Was bringt mir eine JETZT Betrachtung bei einer Investition die 30 Jahre lang Energie verbraucht? Sie gehen z.B. davon aus, dass eine erhöhte Stromnachfrage zu keinen Aktivitäten auf der Angebotsseite führt. Wieso soll ausgerechnet beim Strom dieses fundamentale Prinzip des Marktes nicht mehr wirken?

              Ich habe 100 kWh Strom zur Verfügung die zu 100% verbraucht werden.



              Ich verbrauche 100 kWh Gas. Dann ersetze ich 50 kWh durch Strom. Also brauche ich 50% mehr Strom. Diesen Strom muss ich mit einem neuen Kraftwerk produzieren. Nun bauen aktuell fast ausschließlich Erneuerbare Kapazitäten auf. Also kommt der zusätzliche Strom natürlich zu 100% aus Erneuerbaren Quellen.

              Genauso falsch. Das sind alles Milchmädchenrechnungen, viel zu unterkomplex für die Betrachtung der Realität des Gesamtsystems.

              Nach Ihrer Logik müsste ich meinen Elektroherd gegen einen Gasherd tauschen um CO2 zu sparen. Abwrackprämie für Verbrenner? Andersherum wird ein Schuh daraus: Abwrackprämie für Elektroautos! Das spart richtig CO2!

              • @Jirschi:

                "Was bringt mir eine JETZT Betrachtung bei einer Investition die 30 Jahre lang Energie verbraucht?"



                Habe ich Ihnen oben vorgerechnet, für den von Ihnen angesetzten Zeitraum von 30 Jahren: Schonung des Restbudgets.

            • @sollndas:

              Das gefällt mir. "Die Wette auf die Zukunft" ist der entscheidende Punkt. Mehr Stromverbrauch bedeutet mehr Forderung nach Erzeugerkapazität. Und bei der Kapazität kann man wählen: Soll es mehr "Erneuerbar" oder mehr Gas oder Kohle sein?



              So langsam kommen Sie in die richtige Richtung. Nur noch ein Tipp: Wer Terawattstunden mit zwei "r" schreibt, verrät sich.

      • @Jirschi:

        Leider ist der Strommix nicht nur erzeugungs-, sondern auch lastabhängig.

        • @sollndas:

          @sollndas



          Das spielt doch keine Rolle.



          Es kommt auf den Lastgang des Brennofens an. Kennen Sie den? Ich kenne die Betriebsweise von Brennöfen nicht aber ich kann mir gut vorstellen, dass hier durch eine optimale Fahrweise der EE-Anteil eher über dem Strommix liegen wird.

          • @Jirschi:

            Bei großen Ziegelwerken kommen Tunnelöfen zum Einsatz, d.h. die Rohziegel laufen auf einem Band durch den Ofen und kommen fertig hinten raus. Solche Anlagen werden meist 24/7 betrieben, da wiederholtes Hochfahren des Ofens den Energieverbrauch nach oben treibt.



            Noch unlustiger ist es bei Glaswerken, wenn da die Glasschmelze auskühlt, ist gleich die ganze Anlage hinüber.



            Es gibt genügend technische Prozesse, die sich eben nicht nach Verfügbarkeit von Energie gestalten lassen, sondern kontinuierlich am Laufen gehalten werden müssen. Deshalb ist ja eine Speicherarchitektur neben dem EE-Ausbau zwingend notwendig.

  • Die Lobby bekommt von uns Geld für so ziemlich alle überfälligen Investments in ihre eigene Zukunft, unsere fleißigen Macher belohnen wir regelmäßig für fleißig geplante Rückständigkeit. Die Wirtschaft hat gelernt, wenn wir lange genug nichts tun, bekommen wird Geld vom Volk. Man liest etwas von Zurückzahlen, doch notfalls kann das Volk sicher auch darauf verzichten, hauptsache die Lobby weint nicht.

    Was der Staat miserabel fördert ist Selbständigkeit der abhängigen "kleinen Leute". Sonst gehen den Lobbyisten die Sklaven aus. Die kleinen dürfen einen teuren Kredit der KfW-Bank aufnehmen, müssen ihr Unternehmen dafür regelmäßig von anerkannten "Experten", getarnt in Anzügen, durchleuchten lassen, die sie dann auch noch teuer, schlimmstenfalls vom Kredit und nicht vom Gewinn, bezahlen müssen. Hier ist das Risiko auf den "kleinen Mann" verlagert, der in gewohnter Art vom ersten Tag mit horrenden Geldforderungen an all die etablierten Systeme der etablierten Sesselfurzer belästigt wird. Die leitkulturellen Freunde und Verwandten werden schonmal ganz sicher fett und rosig.

    Was die einzelnen Bundesländer anbieten mal außen vor gelassen, einige davon gehen intelligenter vor als andere.

  • Es gibt auch Firmen, die haben ohne Förderung investiert.



    Diese haben nun einen Wettbewerbsnachteil.

  • Hoffen wir mal, dass auch jemand kontrolliert, wofür die Industrie die Subventionen tatsächlich ausgibt. Ich vermute, die Aktionäre werden sich zu Recht über höhere Dividenden freuen. Da könnte das Geld z.B. landen.

    • @Jalella:

      Den Unterschied machen die Steuern. Unternehmensgewinne werden sinnvollerweise investiert, da Investitionen abgeschrieben werden können.



      Subventionen zu besteuern wäre Unsinn. Die kann man auszahlen ;-)