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Polizeiforscher über Polizeistudie„Das ist schon sehr verharmlosend“

Eine Polizeistudie sieht die Polizei als demokratisch gefestigt. Der Kriminologe Rafael Behr liest das anders – und findet die Ergebnisse alarmierend.

Was geht in ihren Köpfen vor? Po­li­zis­t*in­nen während einer Pause Foto: Michael Reichel, dpa
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Herr Behr, gerade wurde die große Polizeistudie veröffentlicht, bezahlt vom Bundesinnenministerium. Das Ergebnis: Nur eine minimale Zahl an Po­li­zis­t*in­nen hat ein geschlossen demokratiefeindliches Weltbild, laut Studienleiterin Anja Schiemann gibt es „kein Rassismusproblem in der Polizei“. Andererseits wurden „mehr als nur Einzelfälle“ an problematischen Einstellungen festgestellt. Sie haben Kritik an der Studie. Welche?

Im Interview: Rafael Behr

der Kriminologie war zuletzt Professor für Polizeiwissenschaften mit den Schwerpunkten Kriminologie und Soziologie an der Polizeikademie Hamburg. 2024 ging er in den Ruhestand.

Rafael Behr: Ehrlich gesagt kann ich die Entwarnung, mit der die Studienergebnisse verkündet wurden, nicht nachvollziehen. Wer sich diese Studie genau anguckt, findet dort höchst beunruhigende Aussagen. Und dass die Polizei kein Rassismusproblem hat, kann man damit überhaupt nicht feststellen: Weil diese Studie danach gar nicht explizit gefragt hat. Daher sind die Schlüsse, die daraus nun gezogen werden, schon sehr verharmlosend.

taz: Ob es eine Studie zu rassistischen Einstellungen in der Polizei geben soll, war lange politisch strittig. Am Ende war es ein Kompromiss: Untersucht wurde der Polizeialltag und darin auch die Einstellungen der Beamt*innen. Hätte man die Studie anders aufziehen sollen?

Behr: Absolut. Denn die diskutierte Frage, ob in der Polizei Strukturen existieren, die Rassismus befördern, wurde damit ja gar nicht mehr untersucht. Genau hier aber wäre Forschung nötig, davor drückt sich die Polizei seit Langem. Wer nicht konkret nach Rassismus fragt, bekommt auch keine Antwort darauf. So hat die Studie genau das rausbekommen, was die Innenminister und Gewerkschaftsfunktionäre hören wollten. Aufklärung zum Rassismus und zur Diskriminierung ist damit aber nicht verbunden.

taz: Die Studie stützt sich auf zwei Onlinebefragungen von 40.000 Po­li­zis­t*in­nen, eine große Stichprobe. Und es wird festgehalten, dass ein Drittel der Po­li­zis­t*in­nen im Dienst rassistische Äußerungen wahrnehmen. Da wird das Problem doch sichtbar.

Behr: Aber was genau heißt das? Gegen wen richteten sich diese Äußerungen? Und vor allem wieder die Frage: Welche Strukturen existieren in der Polizei, die solche Äußerungen befördern? Dazu erfahren wir in der Studie nichts. Und mir ist auch an einigen Stellen nicht klar, wer da befragt wurde: War es die Basis? Wie viele Führungskräfte waren beteiligt? Waren es die Vollzugskräfte oder das polizeiliche Gesamtpersonal? Dazu haben freiwillige Onlinebefragungen ein grundsätzliches Problem: Es melden sich dort nur diejenigen, die ohnehin aufgeschlossen gegenüber dem Thema sind. Und diese äußern sich dann zumeist so, wie sie es für sozial erwünscht halten. Tatsächliche Haltungen lassen sich so im Grunde nicht erheben.

taz: Das Problem hat die Sozialforschung immer. Dennoch stellt die Studie fest, dass es etwa bei der Ablehnung von Asylsuchenden oder Muslimen durch die Polizeimitarbeitenden teils recht hohe Werte gibt – die zuletzt sogar noch gestiegen sind.

Behr: Das ist ja umso beunruhigender. Denn ein noch weit größerer Prozentsatz an Mitarbeitenden dürfte auch so denken, das aber nicht äußern. Und mich beunruhigen auch die Aussagen zu autoritären Einstellungen. Immerhin 13 Prozent der Befragten bekennen sich in der Studie offen zu solchen Positionen. 59 Prozent äußern sich hier ambivalent – hier weiß man also nicht, was sie denken und wann sie eher autoritär und wann demokratieorientiert agieren.

Wenn aber 72 Prozent der Polizisten nicht klar demokratieorientiert sind, kann man nicht sagen, dass es kein Problem gibt. Denn autoritäre Haltungen sind der Humus für Rigidität und letztlich auch Extremismus – umso mehr in einer Organisation, die für Recht und Ordnung einsteht.

taz: Dass sich etliche Befragte in Einstellungsfragen ambivalent äußern, sehen auch die Stu­di­en­au­to­r*in­nen kritisch und wollen hier in ihrer Folgestudie nachhaken.

Behr: Das wäre unbedingt nötig, ja. Denn wie soll eine Polizei die Demokratie schützen, wenn sie in dieser Frage selbst wankelmütig ist? Das macht mir Sorge.

taz: Die Studie vergleicht die Einstellungen der Polizeimitarbeitenden mit denen der Gesamtbevölkerung, anhand der Mitte-Studie, und sieht hier weitgehende Überschneidungen. Was aber auch nicht wirklich beruhigt, oder?

Behr: Keinesfalls. Und dieser Vergleich ärgert mich auch. Denn man kann doch Polizeibeamte, die Hoheitsaufgaben und ein Gewaltmonopol haben, nicht mit der Normalbevölkerung vergleichen. Da müssen ganz andere, höhere Maßstäbe angelegt werden. Und mich ärgert noch etwas.

taz: Und zwar?

Behr: Bei den Fragen, wie es zu Diskriminierungen durch die Polizei kommt, werden nur Belastungsfaktoren benannt: allen voran Provokationen und Gewalt von Personen, gegen die sich Einsätze richten. Das ist ungefähr das Erklärungsniveau von 1990 und umfasst längst nicht alle Faktoren. Denn natürlich gibt es auch Gründe für diskriminierendes Polizeihandeln, die in den Beamten selbst und den Polizeistrukturen liegen.

Und was heißt überhaupt Gewalt gegen die Polizei? Viele Handlungen, die als Angriffe auf die Beamten bezeichnet werden, haben nämlich nichts mit physischer Gewalt zu tun. Auch in der Studie werden darunter ja in 67 Prozent der Fälle Beschimpfungen gefasst. Diesen Gewaltbegriff zu hinterfragen, das hat die Studie leider versäumt.

taz: Sie waren selbst sehr lange in der Polizeiforschung aktiv. Wie hätten Sie es besser gemacht?

Behr: Der Ansatz hätte eine Feldforschung sein müssen – so wie es zuletzt die Studie der Polizeiakademie Niedersachsen vorgemacht hat, die nicht online Beamte befragte und ihnen Glauben schenkte, sondern sie ein Jahr im Dienst begleitete und verfolgte, welche Arbeitsabläufe etwa Diskriminierung begünstigen. Dort wurde also tatsächlich auf strukturelle Gegebenheiten und Risiken geschaut.

taz: Auch die For­sche­r*in­nen der jetzt veröffentlichten Polizeistudie waren neben den Onlinebefragungen in Dienststellen und führten persönliche Interviews.

Behr: Aber nur sehr handverlesen. Um wirklich einen Eindruck zu bekommen, wie sich die Beamten im Dienst tatsächlich äußern und verhalten, braucht man schon eine längere Beobachtung als nur ein paar Tage. Aber einen Verdienst hat die Studie schon: Sie ergänzt Puzzlestücke im immer noch sehr überschaubaren Feld der Polizeiforschung. Und sie bietet eine Gesprächsgrundlage, auf der man jetzt weiterdiskutieren kann – ich würde sagen: muss.

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25 Kommentare

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  • "Denn die diskutierte Frage, ob in der Polizei Strukturen existieren, die Rassismus befördern"

    Was sollen das für Strukturen sein? Sollten in der Polizei explizite rassistische Gruppen existieren, dann ist das ein Fall für die Staatsanwaltschaft und nicht für die Forschenden.

    Dann müssten jene die diese Strukuren immer wieder behaupten diese auch benennen.

    In Bremen hatten wir solche Fälle bei der Feuerwehr. Es ging dann ratzfatz, dass die Stadt da aktiv wurde.

  • Das ist vollkommen klar, dass die Personen sich so Verhalten, wenn ich zu Problemfällen gerufen werde und in Problemvierteln arbeite, dann kommt diese Einstellung, um nicht selbst zu Schaden zu kommen verständlich.



    Ich kenne das aus anderen Branchen - KfZ-Mechaniker, die bei nur einer Marke arbeiten sehen nach 2 Jahren die Marke auch viel schlechter, weil sie nur diese eine Marke sehen und deren Fehler und Probleme und bei Polizisten die z.B. nur in Neukölln eingesetzt werden, sehen dies auch nur in meiner Stadt gibt es auch einen solchen Brennpunkt wer dort eingesetzt wird hat es auch in 90% der Fälle mit Personen mit Migrationshintergrund zu tun.



    Also vom hohen Ross, wie der Prof. Der wahrscheinlich keine 4 Wochen in so einem Viertel durchstehen würde ist leicht reden.

  • Eine Onlinebefragung. Ja, das ist sicher repräsentativ. Erhellender wäre vermutlich das Beispiel von Journalist Valentin Gernot, der undercover in der französischen Polizei als Hilfspolizist unterwegs war und erschreckende Fakten über Rassismus, Sexismus, Gewaltaffinität und Rechtsextremismus ans Licht gebracht hat. Düfte sich bei der deutschen Polizei nicht viel anders sein. Ihrerseits wehrt sich die Polizei vehement dagegen, pauschal als rassistisch bezeichnet zu werden, doch selbst pauschalisiert sie alle migrantisch gelesene Menschen als Kriminelle. Klar gibt es die Guten, aber die schweigen, weil sie sonst als "Verräter" dastehen. Cop Culture.

  • Es ist ganz gut, dass über diese Studie berichtet wird. In dem Original - Studienbericht kommen wesentliche Begriffe eines exakten Studiendesings gar nicht oder kaum vor (z.B. Randomisierung, Verblindung etc.). Das ist eine Erzählstudie, aus der man nichts sicheres oder allgemeingültiges schließen kann, m.E. darf, weil "Versuchspersonen ihr natürliches Verhalten ändern können, wenn sie wissen, dass sie Teilnehmer an einer Untersuchung sind (Artefakt)" /1



    Das ist das wesenseigentliche dieser Studie, die man am besten nicht weiter beachtet.

    /1



    de.wikipedia.org/wiki/Hawthorne-Effekt

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Bei allem Respekt, Sie wissen nicht, wovon Sie reden.

      Die Begriffe "Randomisierung" und "Verblindung" spielen ausschließlich bei Interventionsstudien eine Rolle. Eine Interventionsstudie ist eine Studie, bei der man den Effekt einer Intervention (z.B. eines Medikamentes oder einer medizinischen Maßnahme) ermittelt, indem man zwei Gruppen zuweist, von denen eine die Intervention erhält und die andere nicht. "Verblindung" bedeutet dabei, dass die Probanden und/oder die Interventen nicht wissen, zu welcher Gruppe ein Proband gehört. "Randomisierung" bedeutet, dass die Zuweisung zu beiden Gruppen rein zufällig ist.

      Diese Dinge bei einer Beobachtungsstudie einzufordern, ist ein bisschen, als würde ich ein Foto von Beethovens Symphonien verlangen.

  • …anschließe mich - der Mann hat uneingeschränkt recht! Newahr



    Normal Schonn •

  • Zwei Punkte müsste man wohl von vornherein wissen und zugeben:



    Erstens ist jede Organisation, die Recht und Ordnung mit einem Gewaltmonopol durchsetzen soll, notwendig hierarchisch aufgebaut. Personen, die „autoritäre Einstellungen“ haben, kommen mit Hierarchien gut klar und sind daher dort eher vertreten als in der Gesellschaft im Ganzen. Man kann sicherlich ganz gezielt eine demokratischr Polizei aufbauen, aber die Herzkammer der Privatautonomie wird die Polizei niemals werden können.



    Zweitens bringen manche Berufe es mit sich, dass mit großer Sicherheit schlechte Erfahrungen mit Vertreter:innen einer bestimmten Gruppe von Personen gemacht werden und somit Ressentiments entstehen. Wer im Bereich öffentlicher Dienstleistungen für Unternehmen arbeitet, hat sehr oft mit Unternehmer:innen zu tun, die eine gewaltige Anspruchshaltung haben. Das führt auch nicht zu einem positiven Bild von privaten Unternehmen und deren Leitung. Das gleiche gilt mutatis mutandis für die Polizei.



    Hier gälte es, politisch gegenzusteuern, aber woher sollen die dazu nötigen Mehrheiten kommen?

  • Eine gute Einordnung, die viele Punkte aufgreift, die mir vonseiten der Studienleiterin im ersten Interview gefehlt haben, aber Beleidigungen etc. sollten zwar von physischer Gewalt unterschieden, aber nicht relativiert werden. Wenn man das Ziel verfolgt den Korpsgeist, die "Cop Culture" und deren Konsequenzen zu minimieren, erscheint mir das kontraproduktiv. Geteilte Erfahrungen schweissen Gruppen zusammen und führen zu Isolation, wenn sie von aussen nicht ernst genommen werden.

  • Ich fand Konrad Litschkos Interview mit Frau Schiemann besser.



    Was natürlich nicht an Litschko selbst liegt, sondern an den Interviewpartnern :)

  • "Wer nicht konkret nach Rassismus fragt, bekommt auch keine Antwort darauf".

    Hoch lebe der Zirkelschluss! Die Frage nach rassistischen Strukturen zu stellen, heißt, sie zu beantworten. Dass ein Zirkelschluss gar nichts beweist, habe ich in der zweiten Mathematikstunde der 5. Klasse gelernt, scheint aber bei diesem "Professor für Polizeiwissenschaft" nicht zu gelten. Er hält es wohl eher mit Palmström.

    Alice Hasters könnte noch ergänzen: Den eigenen Rassismus zu leugnen, ist eine besonders perfide Form des Rassismus.

    Und Paul Watzlawick könnte ergänzen: Man kann nicht nicht rassistisch sein.

    • @Nardo:

      Wo ist da ein Zirkelschluss?

      "Wer nicht konkret nach Rassismus fragt, bekommt auch keine Antwort darauf"

      bedeutet nicht

      "Die Frage nach rassistischen Strukturen zu stellen, heißt, sie zu beantworten."

      Der zweite Teil kommt von Ihnen und nicht von dem Polizeiforscher.

      Scheint eher ein Empfängerproblem zu sein.

  • Sehr gute Einordnung der „Studie“ durch einen ausgewiesenen Experten.

  • Schwarz-braun durchseuchte Sicherheitsapparate in EU-Europa

    Einer IFOP-Studie zufolge hatten 2017 die Sicherheitskräfte Frankreichs (inkl. Polizei, Armee und Geheimdienste) eine zum Landesdurchschnitt doppelt so hohe Wahlaffinität zu AfD-liken Formationen (48 % gegenüber 25%) ("Radioscopie de l’électorat du Front National", IFOP, 18/04/2017). Mithin darf fast die Hälfte der Beamten der französischen Sicherheitsapparate zum stabilen Wählerstamm des französischen Pendants zur AfD gezählt werden. Daran dürfte sich nichts geändert haben.

    Warum sollte das in der übrigen EU und v. a. ausgerechnet in Deutschland nun anders sein mit seiner Tradition der Freicorps mit Hakenkreuzen an den Stahlhelmen, der „Schwarzen Reichswehr“, eines SD-geführten BKA in den Nachkriegsjahren, nationalkonservativer Bundeswehrgeneräle wie Speidel und Heusinger, des „Unna-Papiers“ von Gen. Middendorf gegen das Prinzip der „Inneren Führung“ („nahe an Revolte und Putsch“ - „Die Zeit“), der Günzel- und Maaßen-Affäre. Auffällig schließlich das in den Corporate Media vorherrschende ohrenbetäubende Schweigen zu den einst von der „Taz“ verdienstvollerweise aufgedeckten Umsturzplänen in Polizei und Bundeswehr.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Exakt das.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Als ehemaliger BKAler verwehre ich mich gegen eine derart vorurteilsbeladene Sicht auf “die Polizei” . Es gibt in “der Polizei” Kollegen, welche regelmäßig die taz lesen genauso wie solche, die mit großer Wahrscheinlichkeit AfD wählen.

      Genauso, wie es in der taz-Leserschaft viele geben wird, die pauschal - und trotz passender oder unpassender Studien - alle Polizisten nach wie vor als “die Bullen” bezeichnen.

      Polizisten in Deutschland, ob in Uniform oder in Zivil, werden seit Jahren immer stärkerer Gewalt - ob verbal oder körperlich - ausgesetzt. Die Bezahlung der Kollegen, die tagein und -aus im öffentlichen Raum die Sicherheit ihrer Mitbürger garantieren, ist, um im Bild zu bleiben, unter aller Sau.

      Polizisten können darüberhinaus nicht alle Versäumnisse der deutschen Gesellschaft kurieren, von unzureichender Integration oder Zurückweisung von Migranten bis zur Rechtslastigkeit ganzer deutscher Landstriche.

      • @Tra Montana:

        Sichtweisen

        Zitat @Tra Montana: „Als ehemaliger BKAler verwehre ich mich gegen eine derart vorurteilsbeladene Sicht auf “die Polizei” .

        Die hier präsentierte Sicht auf „die Polizei“ ist nicht vorurteils- sondern faktenbeladen. Als der deutschen Sprache hinreichend mächtige Taz-Leser verwahre ich mich gegen eine solch verzerrende Sicht auf die getroffene Einschätzung. Solange gegen die darin stützend aufgeführten historischen Tatsachen kein Widerspruch ergeht, dürfen sie als zutreffend gelten und für die daraus gefolgerte Charakterisierung der Sicherheitskräfte als Körperschaften als Beweismittel zulässig sein.



        Daß es in der deutschen „Polizei“ neben Taz-Lesern auch AfD-Wähler gibt, darf als Binse gelten. Aber hier ging es aber um jeweiligen Proportionen der vermuteten Rechtsaffinität im Vergleich zum soziologischen Durchschnitt, in unserem Falle am Beispiel Frankreichs. Dort ist es übrigens der RN, welche die schlechte Bezahlung der Sicherheitskräfte und die immer stärkerer Gewalt gegen sie besonders lautstark beklagt.

        Die Unterscheidung zwischen „passenden“ und „unpassenden“ Studien ist bemerkenswert. Daß die hier zitierte IFOP-Studie einigen nicht „paßt“, ist verständlich.

  • Christian Morgenstern lässt seinen Palmström als er von einem Kraftfahrzeuge überfahren wird über die Ursachen nachsinnen. Er kommt 1910 zu dem weithin bekannten Resultat:



    "Und er kommt zu dem Ergebnis:



    Nur ein Traum war das Erlebnis.



    Weil, so schließt er messerscharf,



    nicht sein kann, was nicht sein darf."



    Michael Braun stellt 2006 fest, seither " hat es zahlreiche Fälle in der Geschichte gegeben, in denen empirische Wirklichkeit und die Logik des Seinsollenden aufeinander geprallt sind."



    Bis zu einer wahrheitsgemäßen vorurteilsfreien Untersuchung polizeilichen Handelns werden leider noch etliche Jahre vergehen. Die Vorstellung des untadeligen 'Freund und Helfer' ist zwar naiv aber allzu wirkmächtig. Negative Vorurteile über 'Polen', 'Preußen', 'Roma und Sinti' und und und wirken über lange Zeiträume zerstörerisch. 'Positive' Vorurteile haben ihre eigenen destruktiven Folgen weil die solcherart auf den Sockel gehobene Polizei dieses Trugbild für wahr hält, sich jeglicher Kritik gegenüber immun sieht. Nach innen wirkt der Korpsgeist, aussen bilden Innenpolitik, Staatsanwaltschaften und Gerichte unüberwindbare Barrieren. Leider, denn eine moderne Polizei könnte so viel mehr sein.

  • Problematisch ist auch, dass die hier klar und nachvollziehbar geäußerte Kritik in TV-Sendungen nicht stattfindet.

  • Dass man an die Polizisten höhere Maßstäbe anlegen sollte als für den "Durchschnittsbürger" sehe ich anders. Bei der Frage nach Demokratie sollte es nur einen Maßstab geben für jeden Bürger und jeden Polizisten: uneinschränkte Zustimmung ohne Wenn und Aber. Bei anderen Fragen (Asyl etc.) sollte man nicht überrascht sein wenn Polizisten konservativer als der Durchschnitt sind. Man kann von einer Person die für Recht und Ordnung sorgen will und soll und sich dabei fast täglich beleidigen lassen muss und ein ernstes Risiko verletzt zu werden eingeht nicht erwarten, dass diese Person der "Durchschnittsbürger" oder gar taz Leser ist.

    • @Andrea Seifert:

      Entweder die Kernaussage nicht kapiert oder vielleicht Polizist?

      Natürlich muss für Polizeibeamte ein höherer Maßstab angelegt werden als für die Durchschnittsbevölkerung.



      Diese Aussage von Hrn. Behr trifft dochn den Nagel auf den Kopf: "Denn man kann doch Polizeibeamte, die Hoheitsaufgaben und ein Gewaltmonopol haben, nicht mit der Normalbevölkerung vergleichen. Da müssen ganz andere, höhere Maßstäbe angelegt werden."



      Und da geht es nicht nur um die Frage nach "der Demokratie".

      Und jeder Polizist wird natürlich fast täglich beleidigt! Was für ein unterirdisches Niveau. Könnte aus der BILD Blase stammen, diese Verallgemeinerung. Und zum Schluss kommen Sie zum Fazit, dass Polizisten nicht der "Durchschnittsbürger" sind und widersprechen sich somit selbst!

  • Da scheint der alte Spruch "man habe den Bock zum Gärtner gemacht" ja voll zu greifen.

  • Warum überrascht mich das nicht?



    Es war schon immer so: Pack hegt sich, Pack pflegt sich.



    Wenn es rassistisches Pack in der Polizei gibt, dann picken sich die "Kollegen" kein Auge aus.

    Die Polizei hat ein Rassismusproblem, weil sie ganz natürlich mit kirminellen zu tun hat, die auch eine ausländische Abstammung haben. Das ist deren Job! Das ist einfach Teil ihres Jobs. Die Polizei führt hier keine Neutralität, was sie tun sollte. Das Problem ist, das die Polizei die persönlichen Erfahrungen generalisiert und das auf alle anwendet: Alle Ausländer sind kriminell...

    Es ist vielleicht ein schleichender Prozess, aber er ist nun mal da. Statt also dagegen zu arbeiten, gibt man eine Studie in Auftrag, damit man lustig weitermachen kann wie gehabt. Frei nach dem Motto: Wir haben uns selbst getestet und finden bei uns keine Probleme. Folgerichtig, gibt es auch keine Probleme. Es ist offensichtlich, dass man keine Verbesserung will.

  • Eigentlich wie immer, wenns ium solche Themen geht. Die Einen sehen .oh Wunder- keine Probleme, für die Anderen ist die Polizei generell durchseucht mit gewalttätigen Nazis. Und wie immer liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

    "Und was heißt überhaupt Gewalt gegen die Polizei? Viele Handlungen, die als Angriffe auf die Beamten bezeichnet werden, haben nämlich nichts mit physischer Gewalt zu tun. Auch in der Studie werden darunter ja in 67 Prozent der Fälle Beschimpfungen gefasst. Diesen Gewaltbegriff zu hinterfragen, das hat die Studie leider versäumt."

    Aber dieser Absatz macht dann doch sprachlos. Geht man mal weg vom Kontext Polizei (und selbst da sind ja nicht nur schwer gepanzerte BPos gemeint), vertauscht man Adressat und Absender oder bezieht das auf irgendeine andere Gruppe, die Gewalterfahrungen beklagt, ist das Eis nicht mal mehr nur dünn.

  • "Behr: Das ist ja umso beunruhigender. Denn ein noch weit größerer Prozentsatz an Mitarbeitenden dürfte auch so denken, das aber nicht äußern. "



    Wenn man das so sieht, dann ist jede Studie zu dem Thema sinnlos. Wenn man glaubt, selbst bei einer anonymisierten Online-Befragung würden die Leute sich immer noch nicht trauen, ihre Ansichten zu äußern, warum dann überhaupt Schlüsse aus den Antworten auf die Frage ziehen? Das gewünschte Ergebnis scheint doch ohnehin festzustehen.

    • @Agarack:

      Absolut richtig. Auch die im Interview erwähnte Studie der Polizeiakademie Niedersachsen, die geforderte Feldforschung, schließt in der Kurzfassung damit ab, dass quasi durch Forscher beobachtete Polizisten sich nicht so verhalten würden, wie sie es "unbeobachtet" täten.

      Also kann man sagen: Forschungen über das Thema, egal wie sie aufgebaut sind, lassen für jeden Zweifler immer genug Spielraum der Polizei trotzdem irgendeine Art Rassismus vorzuwerfen. Da können die Studien noch so sehr zum Schluss kommen, dass Rassismus in der Polizei nur sehr wenig verbreitet ist.

      Wer der Polizei grundsätzlich nur mit misstrauen begegnen will, tut dies und vertraut nur den Studien, die die eigene Sicht bestätigen.