Mitte-Studie der Ebert-Stiftung: Deutschland rückt nach rechts
Die neue Mitte-Studie zeigt: Jede zwölfte Person in Deutschland hat ein rechtsextremes Weltbild. Sechs Prozent wollen eine Diktatur mit Führer.
Berlin taz | Deutschland wird rechtsextremer und demokratiefeindlicher. Das geht aus der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hervor, die die Stiftung am Freitagvormittag mit den Hauptautor*innen Andreas Zick und Beate Küpper (beide Universität Bielefeld) in Berlin präsentiert hat.
Jede zwölfte Person in Deutschland hat demnach mittlerweile ein rechtsextremes Weltbild. Das ist eine deutliche Zunahme. Der Anteil an der Bevölkerung ist damit um mehr als sechs Prozent gegenüber der letzten Erhebung von 2021 auf heute acht Prozent gestiegen.
Im Graubereich befinden sich weitere 20 Prozent. Nur noch etwa 70 Prozent lehnen rechtsextreme Einstellungen klar ab. Mehr als sechs Prozent wollen die Errungenschaften der Demokratie aufgeben und eine Diktatur mit einem Führer wieder herstellen.
Für andere wiederum ist es sowieso schon so weit, 20 Prozent meinen: „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie“. Zum Vergleich: 2020/21 waren das 16 Prozent. Das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen ist auf unter 60 Prozent gesunken. Auch andere Aussagen klingen düster. Fast sechs Prozent (2014-2021) meinen, es gäbe „wertvolles und unwertes Leben“. 16 Prozent gaben an, sie seien negativ gegenüber „Ausländern“ eingestellt.
Küpper merkt an, dass dem Rechtsextremismus vor einem Jahrzehnt noch mehr unter vorgehaltener Hand zugestimmt wurde. Jetzt werde er „laut und selbstbewusst“ vorgetragen.
Fast 40 Prozent verschwörungsläubig
Auch andere menschenfeindliche Einstellungen erhalten viel Zuspruch. 34 Prozent der Befragten sagen, Geflüchtete wollten nur das deutsche Sozialsystem ausnutzen. Mehr als jede dritte Person ist der Ansicht, jüdische Menschen würden teilweise oder sicher ihren Vorteil aus der Vergangenheit des Nationalsozialismus ziehen wollen. Die Tendenz zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit übersteigt das bereits hohe Vor-Corona-Niveau von 2018/19.
„Populismus und antidemokratische und völkische Positionen sind auf dem Vormarsch“, so der Vorsitzende der FES, Martin Schulz. Das bezeugt die Studie. Ein erheblicher Teil der Befragten vertritt verschwörungsgläubige (38 Prozent), populistische (33 Prozent) und völkisch-autoritär-rebellische Positionen (29 Prozent). Das bedeutet einen Anstieg um rund ein Drittel im Vergleich zur Befragung während der Corona-Pandemie. „Diese Ergebnisse sind nicht nur erschreckend, sondern gebieten konsequentes Handeln – von der Politik, aber auch aus der Gesellschaft selbst“, so Schulz.
Bei der Klimakrise hat eine Mehrheit der Bevölkerung der Bevölkerung Verständnis für Proteste und Blockaden von Klimaaktivist*innen, über 50 Prozent findet diese mindestens teilweise nachvollziehbar. Generell halten 70 Prozent der Befragten den Klimawandel für eine „große Bedrohung“ für das Land.
Für die repräsentative Studie wurden über 2.000 Personen von 18 bis 94 Jahren befragt. Die Mitte-Studien geben Auskunft über die Verbreitung, Entwicklung und Hintergründe rechtsextremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellung in Deutschland. Die FES gibt seit 2006 etwa alle zwei Jahre eine neue Ausgabe heraus.
Leser*innenkommentare
Dirk Karstädt
Ich hab Angst. Ganz dolle Angst. Wie weit geht das noch? In welches Land kann ich auswandern, wenn ich meine Meinung hier irgendwann nicht mehr sagen darf?
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@Dirk Karstädt Es handelt sich um eine Art Kollektivwahn der Verkennung.
Wenn so viele, die es Kraft ihrer Position anderes machen könnten, sollten und müssten, nicht so viel Angst hätten, die sie verdrängen anstatt furchtlos tätig zu werden, bräuchten Sie deutlich weniger Angst zu haben.
Martin Rees
Auf der Suche nach den Lehren der Geschichte:
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www.spiegel.de/pol...-0000-000014022698
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"Theoretisch gab es noch zwei andere Möglichkeiten, Hitler den Weg an die Macht zu verlegen. Man konnte die NSDAP verbieten und/oder die demokratischen Kräfte außerhalb des Parlaments zum entschiedenen Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufrufen.
Weshalb aber sollte die NSDAP verboten werden? Im Reichsinnenministerium lagen gehaltvolle Denkschriften, deren Verfasser nachzuweisen versuchten, daß die NSDAP eine revolutionäre Partei sei, die sich mithin des Hochverrats schuldig gemacht habe und aufgelöst werden müsse; die Partei wolle den gewaltsamen Umsturz.
Das zeigte nur, wie wenig sie Hitler kannten; der hatte sich auf einen scheinlegalen Kurs festgelegt, von dem ihn bis zur Machtübernahme niemand abbringen konnte. Das Umsturz-Argument des Reichsinnenministeriums war sachlich falsch, sein Material außerdem so lückenhaft, daß sich kein Gericht in Deutschland gefunden hätte, daraufhin die NSDAP zu verbieten."
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Es kann durch hocheffektive Katalysatoren schnell zu unkontrollierten Kettenreaktionen mit Kernschmelze kommen.
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@Martin Rees 40 Jahre seit diesem Artikel im Spiegel.
Den meisten blaunen Zuwachs gibt es bei der Gruppe der 18-34-Jährigen.
Ein Kern betreibt es, die anderen machen mit, aus welchen Gründen auch immer. Es müssen nur genug sein, dan klappt es. Und dann kann es nur gehalten werden, wenn es repressiv wird.
Kahr will einen repressiven Staat. Da ist es doch schon.
Was Höcke in Schnellroda sagte, wird demnach nicht "nur" für interne Gegner gelten sollen:
„… Die, die nicht in der Lage sind, das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten zu haben, nämlich die Einheit, das sind die, die allmählich auch mal ausgeschwitzt werden sollten“.
Die eigentliche Frage lautet:
Wer sind denn heute Katalysatoren?
Alex_der_Wunderer
....Deutschland ruckt nach rechts....
könnte man glatt meinen, wenn man Steinmeier " das Boot is voll " hört.
Ein Herr Söder - Ehemann von Karin Baumüller-Söder Miterbin/Mitinhaberin der Baumüller Gruppe mit Sitz in Nürnberg & und Niederlassungen in über 20 Staaten - nach 10.000 den Grenzschützen ruft...
Die deutsche Mehrheit der Bürger hat doch keine Veranlassung nach " rechts zu rucken " - wer die Geschichte noch nicht vergessen hat - wird sich hüten...
Alex_der_Wunderer
@Alex_der_Wunderer Korrektur - die Baumüller Gruppe is in über 40 Staaten aktiv...
Kaboom
Der Staat tritt seit der Abschaffung der Wehrpflicht nur noch als Wohltäter auf, der nichts erwartet und nichts verlangt.
Des Weiteren rennen jene, die früher bei der Bundeswehr "eingehegt" wurden, nun frei auf der Straße herum.
Und nicht zuletzt haben die Leute, die früher jeden Abend in den Kneipen betrunken ihre geistigen Ergüsse zum Besten gaben, entdeckt, dass es tausende andere gibt, die dasselbe denken.
Aber die wirklich entscheidende Frage ist: Was eigentlich haben die diversen Regierungen unter Merkel gegen diese sich seit mindestens 10 Jahren anbahnende Entwicklung getan? Ok, zugegeben, war eine rhetorische Frage. Die Antwort ist dieselbe, wie bei fast allen anderen Politikfeldern.
31841 (Profil gelöscht)
Gast
Was andere berichten:
"... ein rechtsextremes Weltbild ...
... fällt die FDP auf, von deren Wählerschaft gut 15 Prozent solchen Einstellungen zuneigen, ..."
www.fr.de/politik/...bnis-92532629.html
Woodbine
"Küpper merkt an, dass dem Rechtsextremismus vor einem Jahrzehnt noch mehr unter vorgehaltener Hand zugestimmt wurde. Jetzt werde er „laut und selbstbewusst“ vorgetragen."
Passt. Laut und selbstbewusst ist der "gute Bürger" inzwischen in vielen Dingen. Beim Motor im Stand laufen lassen, beim Bäume fällen und Heckeentfernen zwischen April und Oktober. Beim Autowaschen in der Hofeinfahrt und beim Laubblasen um 20 Uhr.
DAS sind ja nur "kleine Ordnungswidrigkeiten". Wird er erwischt, ist er ganz schnell wieder "der kleine Mann", der ja nichts darf, in diesem Polizeistaat. ("Und die anderen???")
Erkennt für sich selbst keinerlei Autoritäten an, auch nicht jene, die unsere gemeinsamen Gesetze, - unsere Ordnung - hüten (ohne die es nunmal in keinem Gemeinwesen geht), will "andere" aber gerne drangsaliert sehen.
Am Besten jene, die nicht in sein beschränktes Weltbild passen.
Wenn man ihm widerspricht, ist er deshalb sauer und behauptet "Man dürfe ja nicht mehr alles sagen". Schuld sind immer andere, man selbst das Opfer, dem man "die Worte im Mund herumdreht".
Und weil "der Polizeistaat" nicht durchgreift (bei anderen), tritt man auch schon mal selbst in einen "Klimakleber". Das sind die selben Leute, die bei einem Tumult vor einem Lokal nicht die Polizei rufen, weil a) "FÜR DIE rufe ich keine Hilfe" oder b) "Hinterher muss ich den Einsatz noch bezahlen."
Klar muss ein Führer her. Dem kann man im Nachgang die ganze Schuld zuschieben und sich selbst reinwaschen. Hat ja schon einmal (fast) geklappt.
Malte Schaper
@Woodbine Danke für diesen vor Zynismus triefenden Kommentar. Der hat mir gerade gut getan.
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@Woodbine Dieser Waschgang hat dann doch gar nicht so schlecht geklappt - und wird deshalb aktuell gern wieder eingeschaltet. Wers noch kennt: "Weils nicht sauber sondern rein sein muss."
Klaus Waldhans
@Woodbine anschließe mich Ihren Worten. Als Ergänzung vielleicht noch dieser Widerspruch, der das ganze Dilemma dieser Vollpfosten widerspiegelt.einerseits schimpft man über diese Diktatur, in der man gerade lebt, und in der man nicht sagen darf, was man denkt. Andererseits wünscht man sich aber eine Diktatur herbei......
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@Klaus Waldhans Da ist für diese Leute eben kein Widerspruch erkennbar. Sie wollen die richtigen Díktatoren an der Mancht.
Woodbine
@31841 (Profil gelöscht) Für ganz viele AfD-Wähler kann ich nur hoffen, dass sie sich das Parteiprogramm vor der Wahl in Ruhe durchlesen.
Nichts schmerzt so sehr, wie die enttäuschte Liebe, - und sei es die zum "richtigen Diktator".
Markus Michaelis
Ja, das ist eine bedenkliche Entwicklung, wenn zunehmend und mehr als 1% eher an einen Führer und andere rechte Ideale glauben. Die ganze Zeit heute ist aber aufgewühlt und etwas orientierungslos. Meiner Wahrnehmung nach glauben etwa 90% der Menschen an ein widerspruchsfreies Menschenbild, aus dem ein Ideal DER richtigen Werte folgt, das nicht verletzt werden darf und die Grundkoordinaten jeder Gesellschaft vorgeben sollte. Verletzungen dieses Ideals sind nicht zu diskutieren, sondern zu bekämpfen.
Das macht es manchmal auch etwas schwierig, weil der Mensch nicht so widersprichsfrei ist und alle Ideale auch gegen Wände, gegensätzliche Vielfalt, mangelnde Kräfte und einiges mehr laufen können. Der Kampf gegen Rechts sollte sicher an erster Stelle stehen und bleiben, aber manchmal muss man auch aufpassen, dass das nicht die notwendigen (und schwierigen) Diskussionen verdeckt, die trotzdem bleiben.