Klage vor dem Bundesverfassungsgericht: Klimaklagen-Trio macht Druck
Gemeinsam mit rund 50.000 Bürger:innen reicht nun auch Greenpeace eine Klimaklage beim Bundesverfassungsgericht ein.
Anlass der neuen Klimaklagen ist die Verwässerung des Klimaschutzgesetzes (KSG), die der Bundestag im April 2024 beschloss. Bisher musste die Bundesregierung sofort Gegenmaßnahmen einleiten, wenn die Klimaziele in einzelnen Sektoren, zum Beispiel im Verkehr, verfehlt wurden. Künftig ist das erst erforderlich, wenn die CO2-Reduktionsziele in der Summe aller Sektoren gerissen werden – und zwar zwei Jahre hintereinander.
Bereits Ende Juni kündigten DUH, BUND und Greenpeace gemeinsam den Gang nach Karlsruhe an. Damals prüfte allerdings noch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ob er die Novelle des Klimaschutzgesetzes überhaupt unterschreibt. Erst Mitte Juli fertigte er das Gesetz dann aus.
Die Deutsche Umwelthilfe mit ihrem Anwalt Remo Klinger hatte ihre Verfassungsbeschwerde als erster Verband fertig und klagte bereits wenige Tage nach Steinmeiers Unterschrift. Vergangene Woche folgte der BUND. Er wird von dem Leipziger Dozenten Felix Ekardt und der Würzburger Anwältin Franziska Heß vertreten. Nun ist auch Greenpeace gemeinsam mit Germanwatch bereit. Ihre Anwältin ist Roda Verheyen.
Greenpeace hat aus dem Gang nach Karlsruhe ein kleines Happening gemacht. Statt von einer Verfassungsbeschwerde spricht Greenpeace von einer „Zukunftsklage“. Neben Galionsfigur Luisa Neubauer klagen über 50.000 Bürger:innen. Juristisch ist die Zahl der Mitunterzeichner:innen irrelevant, sie soll eher die gesellschaftliche Relevanz unterstreichen. Allerdings sind 50.000 Menschen für eine Massenklage zum Megathema Klimaschutz auch nicht besonders beeindruckend. Die bisher größte Verfassungsbeschwerde mit rund 125.000 Unterstützer:innen richtete sich 2016 gegen das EU-Handelsabkommen Ceta mit Kanada.
Die Zukunftsklage von Greenpeace beanstandet vor allem die Novelle des Klimaschutzgesetzes. Die Abschaffung der verbindlichen Sektorziele beseitige den Transformationsdruck in den Problembereichen Verkehr und Gebäude. Dass deren Defizite künftig mit Sektoren verrechnet werden können, die ihre Ziele übererfüllen, wie das etwa im Energiebereich der Fall ist, ermögliche ein klimaschädigendes „Weiter so“, obwohl doch entschlossenes Handeln erforderlich wäre. Greenpeace sieht in der Novelle einen nicht zu rechtfertigenden und damit verfassungswidrigen „ökologischen Rückschritt“.
Außerdem nutzt die Zukunftsklage die KSG-Novelle, um die deutschen Klimaziele generell als nicht mehr ambitioniert genug anzugreifen. Durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Fortgang des Klimawandels seien die Klimaziele inzwischen verfassungswidrig geworden, argumentiert Anwältin Verheyen. Das sei spätestens seit einem Bericht des Sachverständigenrats für Umweltfragen aus dem März 2024 evident.
Parallel zu dieser Zukunftsklage will Greenpeace noch eine zweite Verfassungsbeschwerde einreichen, die sich auf den Verkehrssektor konzentriert. Dass die Bundesregierung und insbesondere Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hier nicht entschlossen genug umsteuern, habe auch eine soziale Dimension, so Greenpeace. Denn künftige Beschränkungen für Verbrennerautos und Erhöhungen des Benzinpreises müssten wegen der heutigen Untätigkeit umso radikaler ausfallen. Wer sich kein teureres Elektroauto leisten kann und mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht zur Arbeit kommt, dem drohe „Mobilitätsarmut“. Bei dieser zweiten Greenpeace-Beschwerde klagen fünf Menschen mit geringem Einkommen, die auf ihr Auto angewiesen sind; vier wohnen auf dem Land, die fünfte Klägerin ist körperbehindert.
Wann und wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, wird bei den Verbänden mit Spannung erwartet. Sie hatten ja auch schon 2021 mit jeweils eigenen Klagen den spektakulären Karlsruher Klima-Beschluss erwirkt. Anders als vielfach wahrgenommen, hatte Karlsruhe damals aber noch keine radikalen Vorgaben gemacht, sondern nur eine Fortschreibung der CO2-Reduktionsziele über das Jahr 2030 hinaus verlangt – was der Bundestag schon nach wenigen Wochen erledigt hatte.
Damals, 2021, hatte sich Karlsruhe vor allem für künftige Auseinandersetzungen in Stellung gebracht. Das Bundesverfassungsgericht hatte zum einen Klimaklagen ohne Nachweis einer gegenwärtigen Belastung ermöglicht; Kläger:innen können auf künftige Freiheitsverluste durch verspätete Klimaschutzmaßnahmen abstellen. Außerdem hat Karlsruhe 2021 den Klimaschutz zum Staatsziel erklärt und das von der Wissenschaft berechnete nationale CO2-Budget zum verfassungsrechtlichen Maßstab gemacht.
Dann aber nahmen sich die Richter:innen erstmal zurück, um die Politik in Ruhe arbeiten zu lassen. Eine Klimaklage gegen die Bundesländer wurde als unzulässig abgelehnt, ebenso eine Klage auf Verschärfung der Klimaziele. Auch betonten die Richter:innen den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und lehnten eine Klage auf sofortige Einführung eines Tempolimits ab.
Doch nun ist es wohl mit der Zurückhaltung vorbei. Das signalisierte das Gericht, indem es Anfang des Jahres eine DUH-Klage gegen das vermeintlich unzureichende Klimaschutz-Programm der Bundesregierung auf die Jahresvorschau für 2024 setzte. Das sollte aber nur ein Platzhalter sein für die erwarteten Klagen gegen die KSG-Novelle, wie in Karlsruhe zu hören war. Über diese Klagen, die erst jetzt alle vorliegen, wird sicher nicht mehr in diesem Jahr entschieden, aber vielleicht schon 2025.
Dann dürfte es wohl eine mündliche Verhandlung geben, obwohl das bei Verfassungsbeschwerden nicht obligatorisch ist. Das wäre auch ein nachträglicher Ausgleich dafür, dass der Klima-Beschluss von 2021 wegen der Corona-Pandemie ohne öffentliche Verhandlung erging – und daher umso überraschender wirkte.
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