Klima-Urteil vom Verfassungsgericht: Kein Recht auf Tempolimit

Das Bundesverfassungsgericht lehnt eine Klage von klimabesorgten Bür­ge­r:in­nen zum Verkehr ab. Aussichtsreichere Verfahren stehen noch an.

Ein durchgestrichenes Schild mit Tempolimit 100

Nix ist mit Tempolimit auf deutschen Autobahnen – so sieht es das Bundesverfassungsgericht vorerst Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

KARLSRUHE taz | Einzelne Bür­ge­r:in­nen können mit einer Verfassungsbeschwerde kein Tempolimit auf Autobahnen erzwingen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Ein Mann und eine Frau, die sich ohne An­wäl­t:in an das Bundesverfassungsgericht gewandt hatten, kritisierten die unzureichende Klimapolitik. Vor allem im Verkehrssektor sei es unwahrscheinlich, dass das bis 2030 zugewiesene CO2-Budget eingehalten werden kann, argumentierten sie. Wenn jetzt keine ausreichenden Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgase unternommen werden, drohten ihnen (wie allen Bürger:innen) gegen Ende des Jahrzehnts umso heftigere Grundrechtseinschränkungen.

Die Verfassungsbeschwerde richtete sich dagegen, dass der Gesetzgeber insbesondere kein Tempolimit auf Autobahnen eingeführt habe. Eine Abwägung zwischen der heutigen Freiheit, auf der Autobahn ohne Tempolimit fahren zu können, und drohenden Grund­rechts­ein­schrän­kungen in der Zukunft spreche eindeutig für eine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Klage nun relativ brüsk abgelehnt. Es sei keine individuelle Grundrechtsverletzung durch das fehlende Tempolimit aufgezeigt worden, so die Rich­te­r:in­nen. Sie machen klar, dass Bür­ge­r:in­nen keine einzelnen Klimaschutzmaßnahmen einfordern können, auch keine speziell im Verkehrsbereich. Denn die Verschiebung der ­Reduktionslasten in die Zukunft könne nicht einer einzelnen Unterlassung zugerechnet werden, sondern nur der Klimapolitik insgesamt. (Az.: 1 BvR 2146/22)

Diese Argumentation entspricht auch dem Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr 2021. Damals hatte Karlsruhe zwar den Klimaschutz zum Staatsziel erklärt. Außerdem hatte das Gericht festgestellt, dass mit zunehmendem Klimawandel das Ziel der Klimaneutralität bei staatlichen Abwägungen zunehmend an Gewicht gewinnen müsse. Aber zugleich ließ Karlsruhe der Politik „Gestaltungsspielräume“, wie die Ziele konkret erreicht werden sollen.

DUH gegen Verkehrsminister Wissing

Federführende Richterin des spektakulären Beschlusses von 2021 war die Juraprofessorin Gabriele Britz. Sie hat auch die Ablehnung der aktuellen Verfassungsbeschwerde vorbereitet. Als Verfassungsrichterin dürfte es wohl ihr letztes Wort zum Klimaschutz gewesen sein. Britz’ Amtszeit endet am 1. Februar. Bald darauf wird sie in Karlsruhe ausscheiden.

Erfolgversprechender sind derzeit wohl Klimaklagen beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Dort kann geltend gemacht werden, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus dem deutschen Klimaschutzgesetz nicht einhält. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat schon mehrere derartige Klagen eingereicht, über die im ersten Halbjahr 2023 verhandelt werden soll.

Insbesondere wurden von der DUH auch die klimapolitischen Sofortprogramme von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) beanstandet, da sie nicht aufzeigen, wie die Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 erreicht werden können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.