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Streit über neue Regeln für GentechnikDer Goldene Reis wird missbraucht

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Gentechnik-Reis kann dazu beitragen, Kinder vor dem Tod zu retten. Aber das meiste „Genfood“ erleichtert nur eine umweltschädliche Landwirtschaft.

Könnte helfen, Mangelernährung zu bekämpfen: „Goldener Reis“ (rechts) liefert mehr Vitamin A als herkömmlicher (links) Foto: Erik de Castro/reuters

D er durch die Gentechnik erzeugte „Goldene Reis“ ist eine sinnvolle Entwicklung. Denn die Pflanze liefert viel mehr Vitamin A als konventioneller Reis. So kann sie dazu beitragen, Erblindungen und Todesfälle durch Mangelernährung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verhindern. Angebliche Gesundheitsgefahren konnten bisher nicht belegt werden. Er ist eine Gentechpflanze – und trotzdem nützlich.

Doch das trifft auf die große Mehrheit der Gentechniksorten weltweit leider nicht zu. Fast alle schützen nämlich nicht Kinder vor dem Erblinden, sondern erleichtern eine umweltschädliche Landwirtschaft mit Monokulturen und viel Pestiziden. Das zeigt auch ein Blick auf die Liste mit den laut Europäischer Kommission rund 350 für den Import in die EU zugelassenen Gentechpflanzen: Sie sind vor allem resistent gegen Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat, manche produzieren ständig ein Gift gegen bestimmte Schädlinge. Das ermöglicht es Bauern zum Beispiel, noch mehr Pestizide zu benutzen oder jedes Jahr Mais auf demselben Feld anzubauen.

Landwirte können auf Gentechniksorten verzichten, wenn sie regelmäßig die Pflanzenarten auf ihren Feldern wechseln. Denn dann verbreiten sich Krankheiten und Schädlinge gar nicht erst so schnell. Das erhöht die Artenvielfalt auf dem Acker und in der Natur, das Wasser wird nicht so stark durch Chemikalien belastet.

Zugelassene Gentechniksorten stehen in der Regel auch unter Patentschutz. Patentiertes Saatgut dürfen Züchter nur mit Erlaubnis der Schutzrechteinhaber weiterentwickeln. Das hemmt den Züchtungsfortschritt. Am Ende werden Pflanzen nicht schneller, sondern langsamer an die Klimakrise angepasst. All diese Nachteile haben auch die weitaus meisten Pflanzen auf dem Markt, die mithilfe neuer Gentechnikmethoden wie Crispr verändert worden sind.

EU-Kommission will Wahlfreiheit aufheben

Deshalb sollte die EU-Kommission ihr aktuelles Vorhaben aufgeben, die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit Pflanzen der neuen Gentechnik zu streichen. Denn dann könnte sich das Gros der Verbraucher nicht mehr gegen umweltschädliches „Genfood“ auf ihrem Teller entscheiden. Nicht alle können sich teurere Bioprodukte leisten, in denen Gentechniksorten verboten bleiben sollen.

Vor diesem Hintergrund wirkt es unlauter, dass manche Gentechnikbefürworter jetzt wieder den mehr als 20 Jahren alten Goldenen Reis hervorkramen, um das Image der Agrogentechnik allgemein zu verbessern. Letztlich benutzen sie den Reis als trojanisches Pferd, um den Verbrauchern die Wahlfreiheit zu nehmen. Dem sollte sich auch die Bundesregierung in den Verhandlungen auf EU-Ebene entgegenstellen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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13 Kommentare

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  • Das Grundlegende Problem ist wenn man wie Deutschland den Anbau von Genveränderten Pflanzen verbietet, WARUM importiert man dann solche Produkte aus anderen Ländern ?? Das ist genauso als wenn man, trotz einer Straßenverkehrsordnung, Autos ohne Bremsen und Lichtanlage aus dem Ausland hier zulassen würde.

  • Der Kampf gegen den goldenen Reis ist halt ein schönes Beispiel wie Greenpeace et.al. mit Ideologie und Propaganda den Menschen in der 3. Welt schaden.

    • @Descartes:

      Genau das denke ich auch immer wenn ich etwas über das Thema lese. Das geht in den Medien völlig unter, auch hier - denn Greenpeace gehört ja zu den Guten.



      Aber es gibt wohl kaum eine NGO, die so direkt für so viel Leid verantwortlich ist wie Greenpeace.



      Es ist so eine schizophrene, grausame - ja geradezu westliche Luxuseinstellung gegen Goldenen Reis zu sein.



      Ich bereite das nicht.

  • Ist ja nicht so, dass genau das vorhergesagt wurde, als der goldene Reis eingeführt wurde.

    Für manches sind Urheberrecht und Patentrecht schädlich und ein Markt nicht sinnvoll.

  • Weniger Kennzeichnung geht absolut gegen den Trend ...

    Ein großes Problem ist dabei, dass noch keine sinnvolle und praktikable Methode vorliegt, ökologisch gefährliche Anbaumethoden zu begrenzen. Außer grundsätzlichen Verboten für bestimmte Substanzen und/oder Gen-Pflanzen steht bisher nichts zur Verfügung - und ein Verbot von Pflanzen funktioniert nur, wenn Gentechnik in alle Zukunft als etwas ganz Besonderes behandelt wird. Dass das nicht ewig durchzuhalten ist, einfach weil Gesetzgeber und Behörden auch anderes zu tun haben, ist dabei klar.

  • ' ... manche produzieren ständig ein Gift gegen bestimmte Schädlinge. Das ermöglicht es Bauern zum Beispiel, noch mehr Pestizide zu benutzen.'

    Hm, die Kausalität scheint mir hier etwas auf den Kopf gestellt zu sein, denn es ist z.B. bekannt, dass bestimmte Chrysanthemen-Arten aus eigenem Antrieb, sui generis, Pyrethrine produzieren können, die eine insektizide Wirkung auf potentielle Schadinsekten haben und die Chrysantheme davor schützen, gefressen zu werden. Sollte es nun durch Crispr-Methoden gelingen, z.B. Mais dazu zu bringen Pyrethrine oder die stabileren, länger wirksamen Pyrethroide selbst zu produzieren, dann müssten die Bauern folglich weniger insektizide Pflanzenschutzmittel applizieren, anstatt 'noch mehr'.

    • @Magic Theo:

      Ja, da wurde ein Beispiel nachträglich eingefügt, das nicht in die Argumentation passt.



      Die zusätzlichen Pestizide können da eingebracht werden, wo die Pflanzen z.B. gegen Glyphosat beständig gemacht werden. Die zusätzlichen Pestizide sind hier eben keine Insektizide, sondern Herbizide, gegen welche die "Unkräuter" sich übrigens ebenfalls wappnen können.

      Vielleicht ist aber auch gemeint, dass die Felder mehr Insektizide in die Umwelt entlassen, wenn die Pflanzen das sogar selbst produzieren können.

    • @Magic Theo:

      Ich hoffe das war ein Versehen im Artikel, denn natürlich ist genau das Gegenteil richtig.



      Mehr Gentechnik bedeutet weniger Pestizide, das ist ganz klar das Ziel vieler Veränderungen.

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Thrawnn:

        Nein, Gentechnik führt eben doch oft zu mehr Pestiziden. In dem von Ihnen kritisierten Satz steht ein "oder". Mehr Pestizide durch Herbizid-resistente Pflanzen, mehr Monokulturen durch Bt-Pflanzen.

  • Das ist ja der Punkt. Ich habe nichts gegen Technik. Auch nicht gegen Gentechnik.

    Aber auf keinen Fall in den Händen von Cargill, Syngenta, Bayer, Nestlé und wie all diese Verbrecher heissen. Die scheren sich einen Dreck um die Ernährungssituation der Menschen. Und das ist ja genau die Lobby, die jetzt den Gremien in der EU einflüstert.

    Aufhebung der Kennzeichnungspflicht ist nochmal ein anderes Thema: man kann ja nicht auf der einen Seite von den mündigen Verbraucher*innen faseln und sie auf der anderen Seite als Idioten behandeln.

    • @tomás zerolo:

      Kennzeichnung von objektiv aber nicht erkennbar Vorhandenem, ist imho nie verkehrt. Aber nützt sie etwas? Verpackte Fleischprodukte weisen heute fast immer die Haltungsklasse aus. "Unter unmenschlichen Bedingungen mit maximaler Quälerei aufgezogen" steht oft unübersehbar drauf. Und welche Klasse liegt in den Regalen am häufigsten und wird beobachtbar am meisten gekauft?



      Bei den bösen Genen kommt allerdings Religion dazu. Viele Menschen glauben an sie wie an homöopathisch geschütteltes Wasser. Auf dem Lieferfahrzeug eines Biogroßhändlers sah ich einmal die Werbebeschriftung "genfreie Lebensmittel". Wirklich, kein Witz.

    • @tomás zerolo:

      In wessen Händen denn dann? Soll der Staat alles entwickeln und kontrollieren? DDR 2.0?



      NGOs? Finanziert durch den Staat?

      Es ist immer so einfach gegen Konzerne zu sein, aber die Alternativen erschließen sich mir abseits von kommunistischen Utopien auch nicht so wirklich...

      • @Thrawnn:

        Wenn man sich die saldierten Nettogeldflüsse ansieht, einschließlich u.a. aber bei weitem nicht nur der steuerlichen Absetzbarkeiten, dann kommt das Geld zum deutlich überwiegenden Teil tatsächlich aus der Steuerkasse.