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Migrationsdebatte nach SolingenKlartext statt Scheinlösungen

Helena Werhahn
Kommentar von Helena Werhahn

Nach dem Attentat von Solingen setzen sich Populismus und entmenschlichende Sprache über Mi­gran­t*in­nen durch. Das hilft aber nicht gegen Islamismus.

Frank-Walter Steinmeier bei einer Kranzniederlegung für die Opfer der Messerattacke von Solingen Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

I n der aktuellen Migrationsdebatte dominieren populistische Phrasen und rechtes Framing – nicht nur von der AfD. Das ist gefährlich, denn es verstellt den Blick auf die tatsächlichen Probleme und führt am Ende zu populistischer Symbolpolitik.

Friedrich Merz beschwört die „nationale Notlage“, die Union fordert eine „Asylwende“ und der bürokratisch anmutende Begriff „irreguläre Migration“ hat sich etabliert als Synonym für „zu viel Zuwanderung“.

Nebenbei rückt in den Hintergrund, was wirklich wichtig wäre: Extremismusprävention, Arbeitsmarktintegration und Unterstützung der aufnehmenden Kommunen.

Das wirkt: Bundespräsident Steinmeier führt bei einer Gedenkveranstaltung zum Messerangriff in Solingen zunächst aus, man dürfe sich jetzt nicht gegeneinander aufhetzen lassen, um dann doch die Forderung nach mehr Begrenzung von Migration zu äußern. Der Generalverdacht gegenüber Flüchtenden scheint in der deutschen Asyldebatte längst Common Sense zu sein.

Nebenbei rückt in den Hintergrund, was wirklich wichtig wäre: Extremismusprävention, Arbeitsmarktintegration und Unterstützung der aufnehmenden Kommunen. Populistische Phrasen rechts liegenzulassen, bedeutet nicht, die Probleme in der Migrationspolitik zu ignorieren. Im Gegenteil: Nur wenn benannt wird, worum es tatsächlich geht, kann es gelingen, zielsicher politische Maßnahmen zu finden.

Stattdessen überbieten sich Po­li­ti­ke­r*in­nen mit populistischen Forderungen – mit Erfolg, wie das Beispiel der Bezahlkarte zeigt. Mi­gra­ti­ons­ex­per­t*in­nen und Hilfsorganisationen hatten monatelang darauf hingewiesen, dass es keine Belege gibt für das Problem, das die Karten lösen sollen: Geldtransfers in Herkunftsländer. Trotzdem hat sich die Symbolpolitik durchgesetzt.

Wir brauchen dringend wieder eine sachliche Debatte, denn die letzten zehn Jahre haben gezeigt: Der AfD nach dem Mund zu reden, gewinnt keine Wäh­le­r*in­nen zurück – und die Probleme in der Migrationspolitik löst es auch nicht.

Auch Medien tragen dabei Verantwortung. Sie sollten das, was gerade passiert, als das benennen, was es ist: eine massive Diskursverschiebung, die Geflüchtete unter einen Generalverdacht stellt, und: ein Angriff auf das Recht auf Asyl.

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Helena Werhahn
Autorin taz.de
hat Arabistik und Politikwissenschaft in Leipzig und Journalismus in München studiert, Themen: Migration, Bildung, Einwanderungsgesellschaft
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13 Kommentare

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  • "Klartext" ist für mich, dass der Staat die Kontrolle über die Einreise und seine Grenzen haben muss. Er muss in der Lage sein, frühzeitig zwischen wirklich asylbedürftigen Menschen und unerwünschten Immigranten zu unterscheiden. Deswegen unterstütze ich diesen Schritt.

    Viele andere Länder handhaben dies genau so und stehen trotzdem nicht im Verdacht, in Not geratene Menschen abzulehnen.

  • Das erste, was wirklich wichtig ist, dass Gesetze auch gelten.



    Tatsächlich jedoch wenden diese und die letzte Regierung bei Zuwanderung die bestehenden Gesetze nicht durch:



    Jedes Jahr gibt es mehr illegale Zuwanderung, die Abschiebungen liegen auf dauerhaft niedrigem Niveau, gefälschte Dokumente werden in Asylverfahren durchgewunken.



    Das ist eine Aushöhlung des Rechtsstaats und wäre schon ohne jeden Gefährdung der Sicherheit ein Skandal.

    Und was den "Generalverdacht" angeht:



    Natürlich ist gerade Zuwanderung junger Männer aus instabilen, autoritären Staaten stark mit Gewaltkriminalität korreliert - auch ganz ohne jeden Bezug zu Islamismus.



    Um nicht im Nebulösen zu bleiben:



    Instabil und autoritär sind unter den Einwanderungsländern v.a. Afghanistan, Syrien, Libyen, Sudan.

    Ein Generalverdacht nach Herkunftsland, Alter und Geschlecht wäre völlig falsch.



    Die Korrelation völlig auszublenden jedoch auch.

  • Nun ist der Katzenjammer groß und das auch vollkommen zu Recht. Schlimm, dass es so weit gekommen ist und dass die AfD., aber auch der BSW, jetzt solche Ergebnisse einfahren können. Und doch schwingt in diesem Kommentar auch viel Wohlfeiles mit: jetzt heißt es auch in der Linken, dass es gilt Probleme in der Migration zu benennen. Das ist vollkommen richtig, galt aber auch schon vor 10 Jahren, als die AfD noch nicht die Prozentzahlen eingefahren hat wie aktuell. Und damals wurde in linken Kreisen gerne jeder Hinweis auf mögliche Herausforderungen in Sachen Migration sofort als rechtsradikales wenn nicht gar neonazistisches Gedankengut gebrandmarkt; sich abzeichnende Probleme wurden einfach ignoriert, relativiert oder schlicht verneint; teilweise, aber schwindend, trifft man dies auch heute noch an. Es ist nicht zuletzt diese Ignoranz, welche die AfD erst hat so stark werden lassen. Statt jetzt wieder alles besser zu wissen wäre etwas Demut angebracht wenn man es denn ernst meint.

  • Zwei Zitate aus dem Kommentar:

    "Nebenbei rückt in den Hintergrund, was wirklich wichtig wäre: Extremismusprävention, Arbeitsmarktintegration und Unterstützung der aufnehmenden Kommunen."

    "Auch Medien tragen dabei Verantwortung. Sie sollten das, was gerade passiert, als das benennen, was es ist: eine massive Diskursverschiebung, die Geflüchtete unter einen Generalverdacht stellt, und: ein Angriff auf das Recht auf Asyl."

    Treffender kann man es gar nicht benennen, danke!

  • "Der AfD nach dem Mund zu reden, gewinnt keine Wäh­le­r*in­nen zurück – und die Probleme in der Migrationspolitik löst es auch nicht."

    Wie gewinnt man denn dann Wähler von der AfD zurück? Und wie löst man das Problem der illegalen Migration? Mit einem "weiter so" wird das wohl kaum funktionieren. Zumal mittlerweile ca. 70% der Bevölkerung die Migration als Problem sehen. Was sind also die Antworten, die an dieser Mehrheit nicht vorbeigehen und trotzdem die AfD einigermaßen in Schach halten?

  • "Das hilft aber nicht gegen Islamismus." soll es ja auch gar nicht, es soll gegen die afd helfen, tut es aber auch nicht....

    • @nutzer:

      falsch. es soll ablenken von den seit Jahren bekannten und noch immer nicht gelösten innerdeutschen Problemen, wie z.B. zu wenig Pädagogen an den Schulen, zu wenig Schulen, zu wenig Kindergärten, zu wenig Pflegekräfte, Zweiklassen-Flüchtlinge, Arbeitsverbot für Flüchtlinge aus Ukraine, Arbeitsverhinderung für Alleinerziehende, zu wenig Ärzte, zu wenig Krankenhäuser, zu wenig ÖPNV, zu wenig regenerative Energien, zu schlechte Infrastruktur (Schulen, Strassen, Brücken, Schienen, ...), zu wenig E-Fahrzeuge, zu wenig Wohungen, zu wenig Rente für zu viele arme Rentner, zu wenig Bürgergeld, zu wenig Mindestlohn, zu wenig Unterstützung für den Sieg der Ukraine, zu wenig konstruktive politische Arbeit in der EU durch CDSU, u.v.a.m. Zu viel Lobbyismus, zu viel Korruption, u.v.a.m.

  • Wenn ich die Leute, die ich als Asylbewerber aufnehme, erst mal in eine Extremismusprävention stecke, ist das aber auch skurril.

    Eventuell sollte ich darüber nachdenken, ob ich nicht lieber andere aufnehmen sollte, wo ich mir das sparen kann.

    Und auch die Extremismusprävention wird um Islamismus nicht herumkommen.

    Dass Deutschland nun ein Problem löst, an dem diverse andere Länder gescheitert sind, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.

    Ja, ich gebe es zu, ich bin von der deutschen Überlegenheit und Ausstrahlungswirkung nicht so richtig überzeugt.

  • Keineswegs werden Geflüchtete unter Generalverdacht gestellt. Es gibt 2 Ziele, von denen auch die meisten der geflüchteten profitieren, das eine ist, schärfer gegen kriminelle Gewalttäter vorzugehen, wovon jeder Bürger des Landes (außer diesen kriminellen) profitiert, egal woher er kommt.

    Das andere ist, die Zahlen auf ein Maß zu senken, dass der Staat seine Aufgaben bei Integration, Wohnungen, Sprachförderung und zügiger Entscheidung über die Anerkennung auch nachkommen kann. Wenn Anträge auf Einbürgerung nach 1 Jahr erstmalig bearbeitet werden, ist die Überlastung offenkundig.

  • "Wir brauchen dringend wieder eine sachliche Debatte, denn die letzten zehn Jahre haben gezeigt: Der AfD nach dem Mund zu reden, gewinnt keine Wäh­le­r*in­nen zurück"



    Diese Binsenweisheit lese ich, auch nach den Wahlen im Osten, immer und immer wieder. Komischerweise sind aber gerade in Deutschland die Parteien, die der AfD nach Ansicht der Autorin "nach dem Mund reden", noch relativ erfolgreich, während die Parteien, die das nicht tun, maßlos einbrechen (Man vergleiche die Ergebnisse der Linken und der Grünen mit denen der CDU). Ich teile den Wunsch nach einer sachlicheren Debatte durchaus. Man sollte aber dann auch bereit sein, sie ergebnisoffen und sachlich zu führen, und nicht noch auf die Forderung nach Abschiebung der schlimmsten Straftäter mit erbosten Rassismusvorwürfen reagieren.

  • Zuwanderung muss man steuern..

    ..aber:

    ..die aktuellen Diskussionen lassen den psychologischen Unterbau außer acht. Denn Xenophobiker, Rassisten, Faschisten oder die sog. "besorgten Bürger" - also alle die sich eben grundsätzlich an allem Fremden/m stören werden nie zufrieden sein - egal welche oder wie umfangreich die Maßnahmen zur Begrenzung auch sein werden. In den Augen dieser Menschen ist jeder Fremde einer zu viel.

    Deshalb muß es seitens der Politik ein klares Bekenntnis zur (geregelten) Zuwanderung geben.!

    Wünschenswert wäre also ein zweigleisiger Ansatz, der einerseits Zuwanderung auf ein handlebares Maß begrenzt UND andererseits eine echte Willkommenskultur, die alle die hier ankommen wollen auf freundliche Weise aufnimmt und integriert.

    Leider wird in den momentanen Diskussionen aber immer nur von Begrenzung gesprochen und damit der "hässliche Deutsche" hofiert.

    Dieser feige Populismus, der letztlich nur der afd hilft, muß aufhören.

    Wo sind die mutigen Politiker, die den Reichtum der Menschen, die zu uns kommen sehen, wertschätzen und uns *Eingeborenen* erklären, daß wir nicht MIT sondern OHNE Zuwanderung ziemlich alt aussehen würden...

  • Es geht nicht nur um den Islamismus. Es geht um die Kriminalität von Migranten, die in jeder Kriminalstatistik zu finden ist. Leider gehen die Unbescholtenen dabei unter. Interessant wäre eine Umfrage unter Migranten, was die über die kriminellen Zeitgenossen denken.

  • "Wir brauchen dringend wieder eine sachliche Debatte ... Auch Medien tragen dabei Verantwortung."

    Ich finde es ist sachlich richtig, aber politisch unzureichend, den Verschärfungs-Diskurs als populistische Symbolpolitik, generalisierende Abwertung von Schutzsuchenden und Angriff auf das Asylrecht zu analysieren. Es ist offensichtlich in welche Richtung das geht und wie es von der AfD weiter getrieben wird.

    Das muss auch benannt werden, etwa die Forderung des Brandenburgischen AfD-Fraktionschefs nach Zutrittsverbot für Asylbewerber zu öffentlichen Veranstaltungen (taz.de/Migrationsdebatte/!6035245/). Dass die brandenburgische AfD dem LfV als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt, ist IMHO keine angemessene Einordnung dieser unfassbaren Aussage.

    Vor allem braucht es aber Zahlen, Fakten und sinnvolle Konzepte für eine menschen(rechts)freundliche Einwanderungs- und Asylpolitik. Genauso oft wiederholt wie die sinn- und faktenfreien Verschärfungsforderungen von CDU, CSU und AfD.

    Im Moment habe ich das Gefühl, mit weitgehend unwidersprochenen Falschaussagen und Absurditäten überflutet zu werden.