Früher Klimaskepsis, jetzt Beförderung: Zweifelhafter Bahnbeauftragter
Volker Wissing will Gero Hocker zum Bahnbeauftragten berufen. Der fiel durch Zweifel am Klimawandel und anrüchige Lobbykontakte auf.
Berlin taz | Neuer Bahnbeauftragter der Bundesregierung und Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium soll ausgerechnet der FDP-Abgeordnete Gero Hocker werden. Das hat Minister Volker Wissing (ebenfalls FDP) nun bekannt gegeben. Hocker, seit 2017 agrarpolitischer Sprecher seiner Bundestagsfraktion, ist bisher kaum durch Expertise zur Bahn, aber durch Infragestellen des Klimawandels und fragwürdige Lobbykontakte aufgefallen.
Als niedersächsischer Landtagsabgeordneter versuchte Hocker bei einer Rede im Parlament in Hannover noch 2013, seine Zweifel am Klimawandel etwa mit dieser Behauptung zu belegen: „Vor 1.000 Jahren war Grönland eisfrei – zu einer Zeit, als es keinen nennenswerten, von Menschen gemachten CO2-Ausstoß gegeben hat.“ Den Weltklimarat IPCC erklärte er für unglaubwürdig, weil dieser eine falsche Prognose zum Temperaturanstieg abgegeben habe. Klimaforscher Georg Hoffmann stellte daraufhin richtig, „Grönlands Eisschild stammt aus dem mittleren Miozän und hat so zirka 10 Millionen Jahre auf dem Buckel“. Der IPCC habe die von Hocker kritisierte Temperaturprognose nie abgegeben.
2020 flog auf, dass Hocker in Videos auf seiner Facebook-Seite Firmenlobbyisten interviewte, die dafür mehrere Tausend Euro zahlten. Darunter war auch ein Vertreter des russischen Düngemittelriesen Eurochem. Düngung ist neben der Tierhaltung eine wesentliche Quelle von Treibhausgasen in der Landwirtschaft. Nachdem die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet hatte, räumte Hocker ein, dass die verantwortliche Agentur, die zwei Mitarbeitern seiner Abgeordnetenbüros gehörte, den Gesprächspartnern „Produktionskosten von jeweils rund 1.500 Euro“ in Rechnung gestellt habe. Der Politiker selbst erhielt nach eigenen Angaben kein Geld und ließ die Agentur inzwischen auflösen.
Ausweichende Antwort
Die taz fragte ihn am Donnerstag, ob er immer noch Zweifel am Klimawandel habe. Doch Hocker wich aus. „Die Bahn ist eine zentrale Stellschraube dafür, dass CO2-Emissionen im Verkehr reduziert werden. Dass dieses Potenzial seit Jahrzehnten scheinbar nicht erkannt worden ist, ist ein echtes Armutszeugnis der Vergangenheit“, antwortete er.
Das Bundesverkehrsministerium ließ Fragen der taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet, was Hocker für die Tätigkeit als Schienenverkehrsbeauftragter qualifiziert und ob er trotz der genannten Vorfälle für den Posten geeignet ist.
Leser*innenkommentare
Moderation
taz-
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Die Moderation
Monomi
Ist Wissing bekannt für seinen Willen zum Erfolg der Bahn? Eher nicht. Wissing wird 2026 nicht Bahnlobbyist sondern will zur Autoindustrie. Deshalb wird niemand "Bahnbeauftragter", der Aussicht auf Erfolg verspricht, sondern jemand der Gründe liefert, die Schiene weiter zurück zu fahren, abzuwickeln.
Stuttgart 21 ist zu allererst kein Bahn - sondern ein Immobilienprojekt.
Die Deutsche Bahn besitzt viele wertvolle Grundstücke. Blöd daß da so viele Schienen im Weg liegen. Weniger Schienen versprechen viele schöne Projekte für "Entwickler" und "Vermittler".
starsheep
Mit Namen macht mensch keine Witze. Doch diesmal geht es. Ja! Um Sitze.
taz.de/Die-Wahrheit/!6031317/
„Kaum rufe ich mit Strenge: ,Sitz!', schon setzt er sich, mein kleiner Spitz,"
tomás zerolo
"Die Bahn ist eine zentrale Stellschraube dafür, dass CO2-Emissionen im Verkehr reduziert werden"
Ja, und genau deshalb schickt man /den/ da hin. Verhindern, hinausschieben, so lange es geht.
Dass er nach o.a. Klöpsen seinen Job behalten durfte... in der "freien Wirtschaft" wäre das nicht passiert.
Newjoerg
das Beauftragtenwesen ist insgesamt fragwürdig, ein System zur Postenversorgung im immer weiter aufgeblähtem Staat, der wundersamerweise dadurch nicht besser funktioniert, sondern nur bürokratischer wird.
Janix
Ein Jahr noch FDP im Parlament und in der Regierung, da wird noch mal wer versorgt. Das sollte aber bitte jemand mit Kompetenz und Wissenschaftsverständnis sein.