„Aufklärungsvideo“ zu Salafismus: Die Rechtsextremismus-Falle

Kaum veröffentlicht, musste das bayerische Innenministerium sein rassistisches Salafismus-Video wieder löschen. Dabei ist Aufklärung nötig.

Mehr Tücher, weniger Bücher – und das alles wegen des Typs links Screenshot: Bayerisches Innenministerium/Social Media/taz

„Können wir die Lache noch ein bisschen dreckiger haben?“ „Kriegen wir die Grimasse noch etwas größer?“ So ähnliche Sätze müssen wohl bei der Erstellung eines „Aufklärungsvideos“ zu Salafismus gefallen sein, welches das bayrische Innenministerium auf der Plattform X veröffentlicht hat.

Der animierte Clip zeigt eine junge Muslima, die sich auf ihrem Handy ein Video eines salafistischen Predigers mit Gebetskappe und Bart anschaut. Das Thema: Dürfen sich Musliminnen schminken? Die Fratze des Predigers erscheint groß und rot, er verschluckt die Frau, im Hintergrund hört man sein hämisches Lachen und bedrohliche Musik. Sie verschleiert sich nun immer mehr, wird wohl als zweite Ehefrau an einen Mann verheiratet. Die Frau ist in die „Salafismus-Falle“ getappt, so die Botschaft des Videos.

Auf X empörten sich Use­r:in­nen bald über die rassistische Bildsprache des Videos. Der Muslim als Menschenschlucker und Frauenverführer, überdimensional als Gefahr projiziert – die Bilder erinnerten manche gar an Stürmer-Symbolik und antisemitische Karikaturen der 1930er Jahre. Eine Gleichsetzung wäre infam, aber an der Assoziation ist was dran.

Bildsprache streut auf alle Muslime

Das deutsche Offiziellentum, das alle Lehren aus der NS-Vergangenheit gelernt haben will, scheint doch weniger Abwehrreflexe und Hemmungen zu haben, wenn es um die entstellende Darstellung von Muslimen geht. Ver­tre­te­r:in­nen der Sin­ti:z­ze und Rom:­nja können auch ein paar Geschichten über rassistische Kontinuitäten erzählen. Das professionell produzierte Video kann man sicher keinem Praktikanten gone rogue in die Schuhe schieben.

Richtig also, dass die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag per Anfrage klären will, wer das Video abgenommen und wie viel seine Produktion die Steuerzahlerin gekostet hat. Das Innenministerium hat das Video inzwischen gelöscht, ein Sprecher bedauerte, wenn es „zu Irritationen und Missverständnissen geführt hat“.

Der Frankfurter SPD-Lokalpolitiker Alexander Lorenz kommentierte dagegen: „Wer das Video richtig deuten kann und es auch versteht, weiß, dass es nicht um Muslime geht, sondern um Salafisten.“ Er verkennt: Wer derart mit Affekten und bildlichen Assoziationen arbeitet, zielt eben dadurch weniger genau. Man hat die Salafisten im Visier, doch die Bildsprache streut auf alle Muslime.

Islamismusprävention ernst nehmen

Solche Videos dürften deshalb das Gegenteil ihres Ziels bewirken. Statt junge, radikalisierungsgefährdete Menschen aufzuklären und zu rüsten, entfremden diese sich noch mehr von der Mehrheitsgesellschaft. Wer Integration und Islamismusprävention ernst nimmt, sollte über Aufklärung hinaus auch über Geld sprechen. Initiativen und Jugendclubs müssen bezuschusst, So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen bezahlt und Kommunen bei der Versorgung von Geflüchteten gestärkt werden, denn sie können Menschen in der Radikalisierung auffangen. Eine FDP in der Regierung und eine Schuldenbremse im Grundgesetz muss man sich hingegen leisten können.

Und ja, am Ende ist es auch eine Frage der Kultur und der gesellschaftlichen Haltung. Integration braucht eine Gesellschaft, die offen für Neuankömmlinge und Minderheiten ist, ohne in ihrer Offenheit beliebig zu werden. Es muss etwas geben, in das Menschen sich integrieren können und wollen. Eine multikulturelle Gesellschaft kann es nur geben, wenn es auch gewisse Grenzen gibt, und religiöse Fundamentalisten mit Totalitätsanspruch sind Feinde der Vielfalt.

Doch was bekommen wir von Po­li­ti­ke­r:in­nen in Deutschland? Ihnen fällt nach islamistischen Anschlägen wie in Solingen nicht viel Besseres ein, als Grenzkontrollen und Abschiebungen zu fordern. Auch egal, wenn diese Abschiebungen Islamisten global stärken. So geschehen bei der symbolischen PR-Abschiebung am Freitag vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, bei der 28 Afghanen in die Hände der Taliban übergeben wurden – eine De-facto-Legitimierung der Gotteskrieger in Kabul.

Und um noch mal den Schwenk nach Bayern zu machen: Auf dem Jahrmarkt Gillamoos in Abensberg am Montag beschwerte sich Ministerpräsident Markus Söder, dass jeder in Deutschland „einen Klageanspruch“ zu seinem Aufenthaltsstatus habe, während eigentlich „das deutsche Volk die deutsche Politik“ entscheiden müsste. Was soll man noch sagen? Deutsche, tappt nicht in die Rechtsextremismusfalle.

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Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Seit April 2023 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Klima & Energie, und Kultur.

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