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Bündnis Sahra WagenknechtSie glauben, es hackt

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Das BSW schlägt sich offenbar mit einem Datenleck herum – und spricht von einem Hackerangriff. Ist die Partei zum Opfer dunkler Mächte geworden?

Wie sorgsam wird mit den Daten von Anhängern und Un­ter­stüt­ze­r:in­nen des BSW umgegangen? Foto: Hannes P Albert/picture alliance

W urde das BSW Opfer eines „Cyberangriffs“ oder ist die Wagenknecht-Truppe nur einfach zu blöd, um ausreichend sorgsam mit den Daten ihrer Mitglieder und Un­ter­stüt­ze­r:in­nen umzugehen? Fakt ist jedenfalls, dass es mal wieder ein heftiges Leck bei dieser Partei neuen Typs gegeben hat.

Nach Angaben von Correctiv liegen der Rechercheplattform etwa 70.000 personenbezogene Daten vor, darunter Mitgliederlisten sowie Angaben zu Un­ter­stüt­ze­r:in­nen und Newsletter-Abonnent.innen. Auch die bislang weitgehend nicht öffentlich gemachten 42 „Landesbeauftragten“, die für Aufbau und Personalrekrutierung des BSW in den Ländern zuständig sind. Bei ihnen soll es sich laut Correctiv größtenteils um „Bundestagsabgeordnete, Parteivorstände, Landtagskandidaten und andere Funktionäre“ handeln, was einen Einblick in die Parteistruktur geben würde.

Umstritten ist, wie umfangreich die geleakten Datensätze sind. Correctiv gibt an, sie enthielten neben persönlichen Kontaktinformationen auch noch beispielsweise Angaben über die Teilnahme an Wahlpartys und Details zu Un­ter­stüt­ze­r:in­nen in verschiedenen Bundesländern. Das BSW behauptet demgegenüber, dass nach seinem „derzeitigen Kenntnisstand“ lediglich die E-Mail-Adressen sowie Vor- und Nachnamen betroffen seien.

Wie auch immer: Für einen Verein, dessen Entstehungsprozess aus der Linkspartei heraus auf einem Höchstmaß an Klandestinität beruhte und der bis heute viel Wert auf die Verschleierung seiner internen Strukturen legt, ist das natürlich höchst misslich. Und vielleicht abgesehen von einer Niederlage Russlands im Ukrainekrieg gibt es für Wagenknecht wohl kaum etwas Schlimmeres als Kontrollverlust. Entsprechend groß ist die Empörung: Böse Kräfte müssen hier am Werk gewesen sein.

Das BSW sei „wahrscheinlich erneut das Ziel eines Cyberangriffs geworden“, beklagt die Co-Parteivorsitzende Amira Mohamed Ali in einem Rundschreiben an die „Freundinnen und Freunde“ des BSW. Sofort nach Bekanntwerden sei der Vorfall „unverzüglich an alle relevanten Behörden, einschließlich der Staatsanwaltschaft und der zuständigen Datenschutzbehörde gemeldet“ worden. Dem Spiegel erklärte ein BSW-Sprecher auf Anfrage, nach Einschätzung der Partei handele es sich um einen Hackerangriff.

Fehler eingestehen keine Stärke

Doch an dieser Darstellung bestehen erhebliche Zweifel. So schreibt Correctiv, der Datensatz habe „bis vor Kurzem offenbar ungeschützt im Netz“ gelegen, „obwohl schon im März bekannt wurde, dass es ein solches Leck gab“. Tatsächlich hatte das BSW bereits im Frühjahr einen Spiegel-Bericht bestätigen müssen, nach dem Unbefugte offenbar wegen fehlender Sicherheitsmaßnahmen Zugriff auf Informationen zu Tausenden Spen­de­r:in­nen und Newsletter-Abonnen­t:in­nen erhalten konnten. Einiges spricht dafür, dass sich das BSW entgegen seiner Beteuerungen auch danach nicht mit der gebotenen Sorgfalt um den Datenschutz und die IT-Sicherheit bemüht hat.

Die neuen Daten sollen aus dem Juni dieses Jahres stammen und hätten „zu dem Zeitpunkt weiterhin über die Webseite heruntergeladen werden“ können, berichtet Correctiv. Ein Informant habe dem investigativen Medienhaus bestätigt, „dass das Leck trotz öffentlicher massiver Berichterstattung nach dem ersten Vorfall im März nicht geschlossen wurde“.

Dann jedoch wäre die Partei nicht Opfer eines Angriffs, sondern der eigenen Fahrlässigkeit. „Wenn man rudimentäre IT-Sicherheit nicht in den Griff kriegt, zum 2. Mal innerhalb weniger Monate Tausende ungeschützte personenbezogene Datensätze von der eigenen Website herunterladbar sind, und dann behauptet, das sei ein Cyberangriff“, spottet denn auch die Linken-Bundestagsabgeordnete und Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg über ihre früheren Par­tei­freun­d:in­nen vom BSW.

Nun ja, das Eingestehen von Fehlern und eigenen Unzulänglichkeiten gehört nicht zu den Stärken von Wagenknecht & Co. Sich als Opfer dunkler Mächte zu gerieren, passt da schon besser ins Programm. Schließlich findet das BSW gerade bei An­hän­ge­r:in­nen von Verschwörungstheorien größeren Zuspruch. Mal schauen, wie das die Datenschutzbehörden sehen, die sich jetzt mit dem Fall beschäftigen müssen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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22 Kommentare

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  • Wie antwortet man auf diesen Artikel? Mit der Schlagzeile eines weiteren:" BSW bekommt weiter Zulauf".



    Nennt sich Lebenswirklichkeit.

  • Die Partei ist jung, noch immer in der Entstehungsphase, das sind solche Fehler zwar falsch und unzulässig, aber eben doch möglich. Das ändert aber trotzdem nichts daran, dass das BSW die Vorschriften der DSGVO einzuhalten hat.

  • Niemand hat die Absicht eine Firewall zu bauen.

  • "Haben Sie schon versucht, den Computer aus- und wieder einzuschalten?"

  • Lieber Herr Beucker,

    ist ihr Beißreflex gegenüber dem BSW wirklich so groß, dass Ihnen selbst bei Datenlecks oder Hacks nichts als schwach verhohlene Gehässigkeit einfällt? Glauben Sie eigentlich selbst daran, diese Partei irgendwie fair zu beurteilen?



    Ich bin ziemlich sicher von Ihnen noch nicht einen Artikel gelesen zu haben, der einfach nur darstellt was, wo, wie gewesen ist - und im Zweifel unterstellen Sie immer das Schlechtestmögliche. Sie verkämpfen sich in meinen Augen. Durchsichtig.

    • @Einfach-Jemand:

      Liebes Einfach-Jemand,

      kleiner Hinweis von der Seitenlinie: Herr Beuckner hat keinen Artikel, sondern einen Kommentar verfasst und das ist oben auch so gekennzeichnet. Dementsprechend ist es ganz normal, das der Text seine Meinung wiederspiegelt.

      LG Einfach Niemand

  • Die Landesbeauftragten für _Datenschutz könnten loslegen.



    Ich mag die Zahl 42, nebenbei.



    Es sind halt Anfänger, um eine verklärte Gestalt gepackt. Doch wer eine ernstzunehmende Partei sein will, braucht Programm, Strukturen und eben auch eine halbwegs sattelfeste IT.

  • Pentest und Pentestsoftwareentwicklung wurde in den ersten Merkeljahren unter Strafe gestellt (§202c).



    Es ist somit illegal, auf Sicherheitslüvken zu testen.

    • @karl676:

      Ist es in Ihrer Welt auch illegal, Sicherheitslücken zu schließen?

    • @karl676:

      Unsinn. Das BSI bietet selbst Pen-Testing an, es gibt Firmen, die Pen-Testing anbieten, und es gibt eine Zertifizierung dazu.

  • BSW steht also vermutlich für:



    B ündnis



    S ahra



    W eißnichtwieSoftware-Sicherheitgeht

    Natürlich muss das vollständig aufgeklärt werden - und mit den in der DSGVO möglichen Strafen verfolgt werden.

  • Wahrscheinlich ist die Stasi am Werk. ;-)

  • "Eine Cyberattacke oder ein Cyberangriff ist ein unerlaubter Zugriff auf größere, für eine spezifische IT-Infrastruktur wichtige Rechnernetze von außen zur Sabotage, Informationsgewinnung und Erpressung die meist durch eine im System oder Software ausgenutzte Sicherheitslücke oder durch menschliches Versagen ausgeht."



    de.wikipedia.org/wiki/Cyberattacke



    also auch menschliches versagen.



    "Ein Informant habe dem investigativen Medienhaus bestätigt, „dass das Leck trotz öffentlicher massiver Berichterstattung nach dem ersten Vorfall im März nicht geschlossen wurde“. vergessen wurde der satz: "CORRECTIV kann dies nicht unabhängig überprüfen."....muss ich als leser so etwas ergänzen?

    • @alterverwalter:

      Es war keine Cyberattacke, sondern eine Einladung des BSW, die Daten mitzunehmen, so wie ein nicht abgeschlossenes Fahrrad am Hauptbahnhof auch nicht wochenlang stehen bleibt. Und um die Metapher rund zu machen: Wagenknecht hat das Fahrrad ihrer Sympathisanten unabgeschlossen am Hbf. abgestellt und will nun keine Verantwortung übernehmen …

    • @alterverwalter:

      Auch wenn Menschliches Versagen vorlag und die Daten frei zugreifbar waren, kann doch CORRECTIV nicht schreiben, wir haben sie selbst abgegriffen. Sie würden ja öffentlich zugeben, dass sie unerlaubt zugegriffen haben. Der Satz wurde also sicher nicht vergessen :)

  • Aber, aber, Sarah macht doch keine Fehler, und wenn doch müssen andere verantwortlich sein. Bin mal gespannt, wem sie diesmal die Schuld in die Schuhe schiebt.

    • @vieldenker:

      Ob es die bösen Russenhacker waren die sonst immer aus dem Hut gezaubert werden bei eigener Inkompetenz seine IT abzusichern?

      • @Thorsten Gorch:

        Nee, die Russenfreunde sollten die Konkurrenz hacken, kamen aber bei der deutschen Parteienvielfalt beim Zielobjekt durcheinander. So viele Parteien sind die nicht gewohnt. Die Spionagesoftware kann nur eine Linke Partei pro Land. ;-))

  • "Nun ja, das Eingestehen von Fehlern und eigenen Unzulänglichkeiten gehört nicht zu den Stärken von Wagenknecht & Co."

    Nuja. Die CDU hat's ja auch hingekriegt: nach dem Einsatz gammeliger "Sicherheits"produkte wollten sie (Juni war das, oder?) sogar den BND mit drin haben.

    Somit befindet sich BSW in bester Gesellschaft.

  • Gerade haben die Chinesen von den Russen die Cyberkriminalitätsratenstatistik übernommen, die Putinversteher bsw sind wohl nicht ausgenommen.

  • Tja, die moderne Technik, ganz schön kompliziert. Vielleicht ein klein wenig mehr Engagement von der Selbstgerechten? Dann wird das auch was mit die E-Mails und so!

  • Das kleine Einmaleins des Populismus: Opferrolle und eigener Absolutheitsanspruch. Die Sarah folgt da Bernd dem Brot auf dem Fuße. Wer in so einen Laden will muss Wagenknechtianer werden mit Haut und Haaren.