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Die Folgen der TrassenpreiserhöhungenBahnfahrt nach Absurdistan

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Nachrichten rund um die Bahn erscheinen wie Realsatire. Beim öffentlichen Verkehr geht es derzeit nur in eine Richtung: abwärts.

…war einmal: schnelle Geschwindigkeit, Anzeige im ICE Foto: Ralph Peters via imago

E s klingt wie ein Witz aus einer Satire­sendung: Ein Tempolimit für ICE soll die Fahrplankrise der Deutschen Bahn lindern, fordert der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Martin Burkert. Durch die Drosselung der Geschwindigkeit von 250 auf 200 Stundenkilometer soll so während der Generalsanierung des Schienennetzes das Zeitmanagement der Bahn wieder stabiler werden.

Die Vorschläge für Besserungen bei der angeschlagenen Bahn werden immer absurder. Beim öffentlichen Verkehr in Deutschland geht es abwärts, nicht voran.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seine Ka­bi­netts­kol­le­g:in­nen sind zwar nicht für das Desaster bei der Deutschen Bahn verantwortlich, das sind frühere Regierungen. Aber mit ihrer Haushaltspolitik verschärft die Ampel sehenden Auges die Krise des Schienenverkehrs.

Weil sich die Spitzen von SPD, Grünen und FDP im Haushaltsstreit nicht einigen können, wollen sie der Bahn statt Zuschüssen Milliarden in Form von Darlehen und einer Eigenkapitalerhöhung geben. Denn das ist nicht schuldenbremsenrelevant. Weil die Bahn eine bestimmte Eigenkapitalverzinsung erreichen muss, droht eine drastische Anhebung der Trassenpreise. Diese Schienenmaut müssen Verkehrsunternehmen für jeden gefahrenen Kilometer an die Bahn-Tochter InfraGo zahlen, auch die Deutsche Bahn selbst.

Grundfalsche Weichenstellung

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will durch Eingriffe in die Vorschriften für die Eigenkapitalverzinsung der Deutschen Bahn die anstehende Erhöhung dämpfen, aber ob das gelingt und reicht, ist offen. Es hilft nur eins: Die Ampel muss wie ursprünglich geplant der Deutschen Bahn Zuschüsse zahlen und die Unsicherheit über die Trassenpreise beenden. Der Kollateralschaden der Haushaltstricksereien wäre zu hoch. Steigt die Schienenmaut, werden auch Ticketpreise und Transportkosten für Güter höher.

Die Konsequenz: Leute werden noch mehr vor dem Bahnfahren zurückschrecken und lieber das Auto nehmen, die Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf die Schiene wird noch schleppender vorankommen. Angesichts von Klimakrise und Verkehrskollaps auf den Straßen ist diese Weichenstellung grundfalsch.

Dass für den Personentransport auf der Schiene eine Maut fällig wird, für Pkw auf Autobahnen aber nicht, ist ohnehin absurd. Lkw müssen zwar auf Fernstraßen eine Maut zahlen, aber die ist nicht hoch genug. Ihr Wettbewerbsvorteil wird durch weiter steigende Trassengebühren noch größer. Aus gutem Grund sprechen Verkehrsverbände von einem Konjunkturprogramm für den Transport per Lastkraftwagen. Das darf es nicht geben.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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26 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

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  • Gar nicht absurd: Puffer und kleine Pausen wieder im System zu haben, statt die PR-Abteilung die Reisezeiten abfassen zu lassen, ist schon sinnvoll.



    Vom Auto-Tempolimit wissen wir, dass überhohe Geschwindigkeiten deutlich mehr Abstände erfordern.



    Als - zwischenzeitliches - Mittel für eine Weile daher überlegenswert.

    Seit 1933 wird das volkswirtschaftliche Geld in Straßen und Autoblech versenkt, mit massiver staatlicher d.h. unserer Bezuschussung.



    Das kann jetzt aufhören, Umweltschäden werden bitte endlich auch getragen. Die Ressourcen von letzten Autobahnkilometers endlich auf Bahnbauten umwidmen. Wir brauchen u.a. die alten Umleitungsoptionen und Weichen wieder. Auch die klugen Autoingenieure (m/w/d) könnten noch jetzt mal etwas Sinnvolles aus ihrem Leben machen und bei der Bahn anpacken.

  • Das neoliberale Programm läuft ja bestens. Zertrümmern der öffentlichen Aufgaben zugunsten einiger Oligarchen.

    Etwas leiser und mit weniger Spektakel als bei Milei, aber im Grunde dasselbe.

  • (2)



    ...Man wundert sich, dann die Infrastruktur marode ist, aber man hat der Bahn ja gesagt, dass sie so handeln soll: Die Bahn zahlt die Instandhaltung, der Bund zahlt den Neubau. BWLer werden dann natürlich keinen Cent in Instandhaltung investieren, wenn man sich den Schrottabriss samt Neubau ja vom Bund zahlen lassen kann. Sie sollen ja profitabel sein.



    Die Berliner S-Bahn erholt sich so langsam vom Börsenwahn der Mehdorns. Bei der Bahn wird es dauern. Erstmal werden die üblichen Verdächtigen wieder schreien: Wir haben nur falsch und zu wenig privatisiert!



    Irgendwann aber wird man hoffentlich begreifen: Eine funktionierende Infrastruktur ist Staatsaufgabe, ein Standortfaktor und volkswirtschaftlich viel zu wichtig, als dass man sie BWLern überlassen darf.

  • (1)



    Die eigentliche Ursache für die katastrophale Lage der Bahn ist die versuchte Privatisierung der Bahn.



    Davor - oder "früher" - war alles besser.



    Was haben wir durch die Privatisierung bekommen?



    Es gibt hunderte Konzerntöchter in die verschiedene Einzelaufgaben und Mitarbeitende ausgelagert sind. Natürlich hat jedes dieser Einzelunternehmen seinen eigenen "Wasserkopf" und gutbezahlten Geschäftsführer samt Stab.



    Die Bahn hat - statt sich auf ihre Kernaufgabe zu konzentrieren - sich damit beschäftigt börsentauglich zu werden wie die T-Aktie. Sie hat sich als Logistikunternehmen versucht (Schenker). Sie hat irgendwelche Buslinien auf Malta betrieben. Und und und...



    Der Bund hat ihr Immobilien vermacht, die Bahn hat dieses Eigentum der Gesellschaft verscherbelt um an Geld zu kommen.



    Bahnlinien wurden stillgelegt und werden jetzt wieder reaktiviert.



    Es werden Verluste durch streikende Lokführer reklamiert, deren berechtigte Forderungen man dann doch erfüllt.



    ...

    • @Nansen:

      Durch die Privatisierung wurden Altlasten der DB und der übernommenen DR an den Bundeshaushalt übergeben. Allein die Pensionen waren schon ein Mühlstein um den Hals der Bahn. Ohne diese Maßnahme wäre die Bahn wie alle Staatskonzerne an ihren Altlasten erstickt. Es gab da gar keine Alternativen.

  • In diesen Zeiten sollten mehr Fachleute an Schaltstellen sitzen und agieren, die Lobbyismus entgegen treten und ihn nicht fördern, auch in Behörden und Ministerien.

  • "die Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf die Schiene wird noch schleppender vorankommen"

    Das halte ich eh für sinnlos, denn die Kunden wollen das gar nicht.



    Abgesehen von Massenware (gibt es immer seltener, Kohle ist out) ist es effizienter, LKWs fahren zu lassen, denn die sind schneller und flexibler.

    Sogar die Bahn torpediert das, Schenker (bahneigene Spedition) hat Zuwächse während Schienengüterverkehr rückläufig ist.

    Das lässt sich durch Kostenanreize (Strassenmaut) nur sehr geringfügig beeinflussen.

  • Um es gleich mal klar zu sagen: die CDU/CSU trägt die Hauptverantwortung für das Desaster bei der DB!



    Wer Transformation und ein funktionierendes zukunftsfestes Verkehrssystem will, darf weder bei CDU/CSU noch bei der FDP ein Kreuz machen.



    Bei denen gehts um Öllobby, sturem Festhalten an altem Denken, Privatisierung von staatlichen Pflichten (Gesundheit, Bildung, Verkehr etc.) und all dem 80er Jahre Bullshit der uns bis hierher nach Absurdistan geführt hat.

  • "Zieh mich langsam an, weil ich in Eile bin" (Napoleon)

    • @hey87654676:

      Gunter Dueck hat mal länger zum Thema Puffer mit schierer Mathematik argumentiert: Je mehr Auslastung ohne Puffer, desto mehr Schlangen/Staus, und das geht für die letzten Prozente rasant hoch.



      Wir brauchen wieder die Puffer, die die bezahlten McKinseys herausholten für Bilanzschönung.

  • Ist ein Darlehen ein Haushaltstrick?



    Vielleicht - allerdings hat der Unterschied zum Zuschuss ja, wie beschrieben, reale Auswirkungen.



    Es sind also nicht nur anders angestrichene neue Staatsschulden.

    Und dass Preise steigen müssen, wenn Kosten steigen und weniger Geld für Zuschüsse da ist (und das ist es aufgrund der Rezession und anderer gestiegener Ausgaben), sollte einleuchten.

  • Wir fahren, wir fahren den Öffi an die Wand.



    Warum bekommen die Kanzler auch die -in und ihre Mitstreiter so hohe Renten, Diäten für solch ein Desaster.



    Wir geben alle brav unsere Stimme ab und haben dann nichts mehr zu sagen.

    Wir sollten zur echten Demokratie auch mal Politiker einfordern, die ihren Schwur ernst nehmen.

  • Ich finde, dass man nicht mehr sagen kann, dass sich die Ampelparteien nicht einigen könnten. Es ist vielmehr die FDP, die sich nicht einigen kann und immer neue Forderungen stell, bereits Beschlossenes hintertreibt, die Absprachen aus dem Koalitionsausschuss selber ignoriert aber gleichzeitig auf Einhaltung desselben pocht ohne die geänderte geo- und wirtschaftspolitische Lage zu berücksichtigen.



    Das ist als würde man sagen dass ein Zugabteil stinken würde, weil sich zwei Fahrgäste nicht darüber einig würden, wer das Erbrochene des Betrunkenen unter den beiden denn jetzt wegwischen soll.

  • Nur zur Richtigstellung: Noch nie wurde in einer Legislaturperiode so viel Geld für die Bahn zur Verfügung gestellt wie in dieser unter Verkehrsminister Wissing. Das ändert aber nichts daran, dass die Bahn kein seriöses Verkehrsmittel mehr ist sondern eine Zumutung. Ich fahre aus Prinzip nicht mehr mit diesem Chaos- und Zufalls-Verkehrsmittel.

    • @Rudi Hamm:

      Ja, doch Autofahren oder gar Fliegen ist nun einmal schwer verallgemeinerbares Verhalten.



      Ich teile etwas ihre Verärgerung, löse es aber mit Zeitpuffer, lecker Lesestoff, ein wenig Essen, Trinken dabei. Im Zug lesen, schlafen, mit fremden Leuten plauschen oder nichts machen, das ginge im Auto nicht.

      Auch wenn Ihnen Ihre Naviansage ein anderes Gefühl vermitteln mag: eine Autofahrt ist leider wohl meist voller Staus, Baustellen, Unzuverlässigkeiten - achten Sie mal drauf.

    • @Rudi Hamm:

      "die Bahn kein seriöses Verkehrsmittel mehr ist sondern eine Zumutung. Ich fahre aus Prinzip nicht mehr mit diesem Chaos- und Zufalls-Verkehrsmittel."

      Gut..die Bahn ist weit entfernt von dem was sie sein könnte. Nichtsdesto trotz, ist sie in den durchaus vorhandenen Fällen, in der sie pünktlich und nicht überfüllt ist, das mit Abstand bequemste, sicherste, klimafreundlichste und entspannteste Verkehrsmittel.

      Ich habe die Bahn in letzter Zeit trotz aller Unkenrufe sehr schätzen gelernt.

      Insofern kann ich Ihnen versichern: die Bahn ist (in solchen Fällen) keine Zumutung, sondern ein Genuss..

      ..der es Wert ist, wieder zu einem modernen, zuverlässsigen, benutzerfreundlichem und hippen Verkehrsmittel zu werden, das die gesamte Fläche erschließt.

      Kurz die Bahn muss wieder sexy werden. Und wenns der Volker nicht macht dann machts halt später jemand anders.

      Und wenn ich das so sagen darf: suchen Sie sich doch mal eine Verbindung (mit geringer Auslastung) raus. Vlt haben Sie ja Glück und können dann erleben, dass die Bahn im *Prinzip* ne wirklich tolle Sache ist..

    • @Rudi Hamm:

      Leider gibt es im Gegensatz zur Schweiz z.B. keinerlei Vorgaben, was die Bahn überhaupt erreichen soll. Hierzulande wird einfach gebaut. Je größer und planloser desto besser. Vernetzung, Wirksamkeit, Resilienz - alles nur Wörter für PowerPoint-Folien.

      Wie viele kleine dringend notwendige Maßnahmen man z.B. mit dem Geld umsetzen hätte können, das in Stuttgart vergraben wird (oder für den ziemlich sinnfreien 2. Stammstreckentunnel in München)… nicht vergessen: 1 Milliarde sind 1000 Millionen.

      Der Bahn fehlt es nur bedingt an Geld. Die Fehlallokation ist das größte Problem.

      • @Helmut Fuchs:

        Das mag genau so sein, wie sie schreiben. Speziell S21 lässt sich nicht durch Vernunft rechtfertigen, hier standen Dickkopf und Prestige vor Nutzen.

  • Bei einer so notwendigerweise monopolistischen Einrichtung wie der Bahn geht es letztlich nicht anders als das zu einer staatlichen Aufgabe zu machen.

    Nur, wenn das dann genauso murksig wird wie so vieles andere Staatliche, ist das auch keine Lösung. Kurz: Mir fällt auch keine Lösung ein. Vielleicht müssen wir einfach einsehen, dass wir das nicht mehr schaffen? Ist auch keine befriedigende Antwort, ich weiß... Aber es wäre mal ein Anfang.

    • @Mustardman:

      Vieles staatliche hat vor Privatisierung und kaputtsparen zum schlanken Staat sehr vor funktioniert. Zum Beispiel die Bahn!

  • > Ihr Wettbewerbsvorteil wird durch weiter steigende Trassengebühren noch größer.

    Der Wettbewerbsvorteil kommt nicht durch die Kosten - er kommt durch die bessere Anbindung und verhältnismäßig viel, viel bessere Planbarkeit. Es gibt absolut keinen Vorteil via Kosten. Woher kommt diese Aussage? Sie ist komplett falsch. Es ist viel, viel, viel günstiger, per Zug zu "verschiffen", als per LKW. Aber sowas von. Aber ein Zug kann nicht dann dort sein, wo er muss und so verlässlich.

    Daran ändern auch günstigere Preise nichts. Würde irgendwer im Personenverkehr die Bahn nehmen, wenn viel auf dem Spiel steht und man sich absolut darauf verlassen muss, dass Abfahrt und Ankunft exakt dann passieren, wann es der Fahrplan sagt? Würde man nicht. Man würde dann einen Zug früher nehmen, was in der Logistik schlicht nicht möglich ist.

  • Nun, irgendwo muss das Geld doch herkommen, wenn man nun Milliarden in Waffen steckt.

    • @Werner2:

      Nur zur Erinnerung; die aktuelle Grenze bei der Schuldenbremse wurde von mehr oder weniger Kundigen ausgewürfelt. Hayek und Milton Friedman lassen grüßen.

    • @Werner2:

      Man kann auch die Volksverräter/Milchmädchen der FDP rauswerfen und unter erwachsenen Ökonomen die "Schuldenbremse" abschaffen oder undefinieren und beides finanzieren, denn ohne Infrastruktur und Verteidugung können wir auch warten bis sich die "Staatliche Bahngesellschaft der russischen Föderation" der Sache annimmt. Wahrscheinlich warten die Wagenknechte und die AgD darauf.

    • @Werner2:

      Vielleicht dient die Bahnmisere der Abschreckung.



      Wer will schon ein Land überfallen, in dem nichts wirklich funktioniert.



      Strassen marode, Bahn kommt nicht.