piwik no script img

Gesichtserkennung im InternetFaeser will Fotofahndung erlauben

Die Polizei soll öffentliche Fotos „biometrisch abgleichen“ dürfen, um Personen zu identifizieren. Wie genau, das lässt Faesers Gesetzentwurf offen.

Die Fotofahndung soll kommen, aber wie ist noch völlig unklar Foto: Gary Waters/imago

Berlin taz | Die Polizei soll künftig Verdächtige, Zeugen und Opfer von Straftaten anhand von Fotos im Internet identifizieren können. Außerdem soll die Polizei mithilfe von Internet­fotos den Aufenthaltsort und die Bewegungen von Personen feststellen können. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy ­Faeser (SPD) vor, der der taz vorliegt.

Voraussetzung ist, dass die Polizei ein Foto der gesuchten Person hat. Es kann sich dabei um die Aufnahme einer Überwachungskamera handeln oder einen Screenshot aus einem Video. Faeser will so zum Beispiel islamistische Terroristen identifizieren, die auf IS-Hinrichtungs- oder Folter-Videos zu sehen sind.

Bei dem vorliegenden Foto wird dann das Gesicht vermessen und es werden Hunderte Datenpunkte gespeichert. Diese biometrischen Daten kann die Polizei bisher nur mit den Daten der polizeilichen Inpol-Foto-Datenbanken abgleichen, aber nicht mit allen Fotos im Internet. Dies will Faeser nun jedoch erlauben. Die Polizei soll künftig auf alle Fotos zugreifen können, die „öffentlich zugänglich“ sind, also auch Fotos aus sozialen Netzwerken, soweit der Nutzerkreis nicht ausdrücklich beschränkt wurde.

Faeser steht unter Handlungsdruck, nachdem ein Journalist mit einer kommerziellen Gesichtserkennungssoftware ohne Probleme die jahrzehntelang untergetauchte Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette fand, die im Februar dann festgenommen wurde.

Faeser lässt offen, wie die Fahndung konkret aussehen soll

Kommerzielle Anbieter wie Clearview und PimEyes sammeln alle Fotos, die sie im Internet finden, und speichern sie in eigenen gigantischen Datenpools. Das aber verstößt wohl gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung, denn die Abgebildeten haben nie zugestimmt, Teil eines privaten Fahndungsdatenpools zu werden. Das polnische Unternehmen PimEyes hat deshalb 2022 seinen Sitz auf die Seychellen verlegt.

Faesers Gesetzentwurf lässt noch offen, wie die Internetfahndung konkret aussehen soll. Soll die Polizei Aufträge an die kommerziellen Unternehmen vergeben? Soll sie eine eigene Vorratsdatenspeicherung aller Internetfotos aufbauen? Im Gesetzentwurf heißt es hierzu nur: „wird nachgereicht“.

Faesers Gesetzentwurf will den „biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet“ im BKA-Gesetz, im Bundespolizeigesetz und in der Strafprozessordnung (StPO) verankern. Für die StPO ist eigentlich Bundesjustizminister Marco Buschmann zuständig, dieser denkt aber auch bereits über eine Regelung nach.

In Faesers Gesetzentwurf wird der biometrische Abgleich den Landespolizeien zur Strafverfolgung erlaubt, soweit es mindestens um mittlere („erhebliche“) Kriminalität geht, also nicht nur bei Terrorismus. BKA und Bundespolizei sollen auch Straftaten verhindern können, soweit sie zuständig sind, etwa bei der Schleusung von Ausländern.

Nicht zulassen will Faeser die biometrische Echtzeitfahndung. Es sollen also nicht alle Passanten (etwa auf einer Bahnhofsrolltreppe) mit den polizeilichen Fahndungsdatenbanken abgeglichen werden. Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) hatte auf dem Berliner Bahnhof Südkreuz 2017 einen entsprechenden Modellversuch durchgeführt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Man möchte also entweder:



    selbst Daten sammeln, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage zu haben

    oder

    auf die Dienste von Anbietern zurückgreifen, die selbst in der EU gegen geltendes Recht verstoßen

    Da bin ich doch mal neugierig, was ei Gericht zu solchen Ideen sagen wird.

  • Albern, natürlich müssen Ermittler die selben Möglichkeiten wie Konzerne, Privatpersonen haben.

  • Die Polizei soll künftig auf alle Fotos zugreifen können, die "öffentlich zugänglich" sind ... Warum braucht es dafür ein neues Gesetz? Öffentlich ist öffentlich. Sobald ein Foto einmal öffentlich im Internet ist, ist es zu spät, sich zu beklagen...

  • "Sorry", ich bin klar dagegen, insbesondere, dass private Datenkraken alles sammeln dürfen, egal wo sie residieren.

  • Die “EU-Datenschutzgrundverordnung“ ist doch ein Blendwerk. Wo soll denn Datenschutz statt finden? Freiwillig stellen die meisten ihre Daten zur Verfügung, unzählige Bezahldienstleister, Gesichtserkennung auf jedem Flughafen, Cookies als endlos Datensauger. Bloß weil man's nicht sieht, heißt das noch lange nicht das Daten nicht weitergegeben werden!

  • Datenschutz bedeutet eine Kontrolle darüber, ob das eigene Bild überhaupt von Fremden erfaßt werden darf und ob es für jedermann abrufbar öffentlich in die Netze gestellt wird. An der Stelle liegt bei uns einiges im Argen und besteht Handlungsbedarf.



    Nachdem das Bild einmal veröffentlicht wurde, kann es von jedem betrachtet werden -- mit allen ihm dafür zur Verfügung stehenden Mitteln. Kriminelle und andere, die nur unser Geld wollen, machen ausgiebigsten Gebrauch davon und niemand kann es einschränken oder kontrollieren. Die einzigen, die sich an formale Einschränkungen halten, sind wie immer deutsche Behörden. Wem soll das nützen und wem nützt es wirklich?

  • Sorry Herr Rath “Faeser steht unter Handlungsdruck, nachdem ein Journalist mit einer kommerziellen Gesichtserkennungssoftware ohne Probleme die jahrzehntelang untergetauchte Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette fand, die im Februar dann festgenommen wurde.“ Geht’s noch?



    Wohlfeiles Wasser auf Fancy Fraency vande Görgs Ffm‘s Mühlen?!



    Es reicht doch - wenn ihr im Öffentlichen & Verfassungsrecht -



    Die Kenne und das Fingerspitzengefühl fehlt! Gelle

  • Bin mal gespannt, wann die Frau verschärfte Vernehmungen wieder erlauben wird.

    • @Bolzkopf:

      Dass Sie etwas machen dürfen, wozu die Polizei rechtlich nicht befugt ist, um Polizeiaufgaben zu erfüllen, wundert Sie gar nicht?

      Darin liegt auch der Unterschied zu "verschärften Vernehmungen".

      Die dürfen Sie und ich auch nicht durchführen.