Neuer Untersuchungsausschuss Atompolitik: Verlängerte Laufzeit
Wenn die AKW abgeschaltet werden, droht Deutschland eine Stromlücke. So lautete mal ein Mantra der Union. Jetzt klärt ein Untersuchungsausschuss auf.
D ie Union hatte in den 2000er Jahren eine Stromlücke erfunden: Wenn der rot-grüne Atomausstieg aus dem Jahr 2002 tatsächlich Realität werde, dann – so warnte CSU-Bundeswirtschaftsminister damals Michael Glos – drohen „Versorgungsengpässe am Strommarkt“. Man möge sich gar nicht ausmalen, was das für den Standort Deutschland bedeuten würde: Stromabschaltungen, eine akute Gefährdung der Energieversorgung, der Verlust hunderttausender Arbeitsplätze.
„Wir brauchen eine Verlängerung der Laufzeiten, bis wir mit vernünftigen Alternativtechnologien wirtschaftlich und klimafreundlich arbeiten können“, erklärte Glos-Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Jahr 2009. Es musste also etwas passieren! Die Regierung aus Union und FDP ließ sich ein Gutachten schreiben, in dem nachgewiesen wurde, dass ohne eine Verlängerung der Atomlaufzeiten der Wirtschaftsstandort zusammenbricht. Im Oktober 2010 beschloss die Regierungsmehrheit deshalb, die Reaktoren in Deutschland länger laufen zu lassen.
Allerdings verursachte im März 2011 ein Tsunami eine Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima. Dummerweise war die japanische Technik nicht „sowjetisch konzipiert“ wie in Tschernobyl, sondern baugleich beispielsweise mit den Anlagen im bayerischen Gundremmingen. Markus Söder, damals bayerischer Umweltminister, drohte mit Rücktritt, sollten die Meiler weiter laufen.
Tatsächlich schaltete die Regierung Merkel schon vier Tage nach der Reaktorkatastrophe die sieben ältesten deutschen AKWs ab. Allerdings nicht die in Gundremmingen. Söder trat trotzdem nicht zurück, nein, er wurde Ministerpräsident. Und forderte vom Bund, dass die Bayern doch bitte schön die Genehmigung erhalten müssten, ihre Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen. Doch Atomrecht ist Bundes- und kein Landesrecht.
Es ist gut und richtig, dass es jetzt einen Untersuchungsausschuss zur deutschen Atompolitik gibt. Denn der bietet endlich die Chance, den ganzen Populismus, den die Union in den vergangenen 20 Jahren als Energiepolitik verkauft hat, aufzuarbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Wahl in den USA
Sie wussten, was sie tun
SPD nach Ampel-Aus
Alles auf Olaf
Streitgespräch über den Osten
Was war die DDR?
CO₂-Fußabdruck von Superreichen
Immer mehr Privatjets unterwegs
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!