Firmen fordern neue Unternehmensform: Wenn Gewinn nicht alles sein soll

Hunderte Firmen fordern eine neue Unternehmensform, die Profit nicht ins Zentrum stellt. Die Ampel-Koalition ist dafür – eigentlich.

Münzen aus Schokolade.

Die Stiftung Verantwortungseigentum hofft auf eine neue Unternehmensform jenseits von Profitinteressen Foto: Erik Irmer

BERLIN taz | Mehr als 900 kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland fordern von der Bundesregierung die Schaffung einer Unternehmensform, die ein Wirtschaften jenseits von Profitinteressen erleichtern würde. Ihr Anliegen: Gesellschaften „mit gebundenem Vermögen“ sollen Gewinne nicht an Ge­sell­schaf­te­r:in­nen ausschütten. Stattdessen sollen erwirtschaftete Gewinne entweder wieder ins Unternehmen fließen oder gemeinnützig gespendet werden.

Innerhalb von knapp zwei Wochen hätten sich die Unternehmen auf eine Art symbolische Warteliste setzen lassen, berichtet die Stiftung Verantwortungseigentum, die die Aktion initiiert hat. Bereits vor einem Jahr hatten sich rund 20 Wirtschaftsverbände für die Schaffung einer derartigen Unternehmensform ausgesprochen. Darunter waren unter anderem der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, der Bundesverband Deutsche Start-ups und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Bislang hat das jedoch keine Wirkung gezeigt – und daher drängen die Unternehmen nun. Bei einigen stehe die Zeit für eine Nachfolgeregelung an, so die Stiftung, da komme es darauf an, bald zu handeln. „Da die Nachfolge in der Familie bei uns nicht infrage kommt, haben wir ein Stiftungsmodell versucht umzusetzen und verzweifeln an den Hürden und der Bürokratie“, sagt etwa Gerhard Behles vom Musiksoftwarehersteller Ableton. Eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen wäre für ihn die „perfekte Lösung“. „Es kostet keine Steuergelder, Gesetzentwürfe aus der Wissenschaft liegen vor – worauf wartet die Politik?“

„Wir werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen und wollen dabei aber dafür sorgen, dass langfristig die Qualität unserer Produkte erhalten bleibt“, sagt Brigitta Sui Dschen Mattke von Moin Bio Backwaren. Momentan ist das Unternehmen eine GmbH. „Wir brauchen dringend eine neue Rechtsform, die langfristig und sicher garantiert, dass Gewinne dem Unternehmen dienen und Kontrolle weitergegeben werden kann, ohne dass sich die Mitarbeiter einkaufen müssen.“

Mehrere Un­ter­neh­me­r:in­nen berichten, dass sie keine Erben haben oder diese die Firma nicht übernehmen wollen oder können. Sie möchten dennoch den Kern und den wirtschaftlichen Geist sichern – und fürchten, dass eine klassische Unternehmensform früher oder später dazu kommt, dass die Firma an die Konkurrenz oder In­ves­to­r:in­nen verkauft wird.

Momentan sind Umwege nötig

Momentan muss, wer das möchte, Umwege gehen und zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen. So hat es beispielsweise der Gründer der Suchmaschine Ecosia gemacht. Ecosia leitet Suchanfragen an Bing oder Google weiter und investiert den Gewinn aus Werbeeinnahmen in Aufforstungsprojekte. Als GmbH gegründet, wurde sie von Gründer Christian Kroll vor einigen Jahren umgewandelt. Eine Stiftung hält nun einen 1-Prozent-Anteil und bestimmte Vetorechte.

Parallel zu der symbolischen Warteliste werben 14 Fa­mi­li­en­un­ter­neh­me­r:in­nen in einem Brief an Bundesregierung und Bundestag um Unterstützung für die neue Unternehmensform. Mit dabei sind unter anderem Antje von Dewitz, Geschäftsführerin und Gesellschafterin von Vaude, Miele-Gesellschafter Christian Miele und Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender Otto Group.

Po­li­ti­ke­r:in­nen der Ampel-Koalition hatten sich in der Vergangenheit immer wieder positiv über die Schaffung einer solchen Unternehmensform geäußert – und sie, gemeinsam mit anderen Formen des gemeinwohlorientierten Wirtschaftens, auch im Koalitionsvertrag verankert.

Die Stiftung Verantwortungseigentum hofft indessen auf das „Dynamisierungspaket“, also die aktuellen Verhandlungen in der Bundesregierung für Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft, in deren Kontext die Schaffung einer neuen Unternehmensform sinnvoll wäre.

Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums teilte mit, dass derzeit ein Eckpunktepapier zu einer neuen Rechtsform innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird. Ziel sei „eine Rechtsgrundlage, die einen Mehrwert bietet, rechtssicher ist, keinen überbordenden Bürokratieaufwand verursacht und nicht als Steuersparkonstruktion genutzt werden kann“.

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