SPD-Altvordere kritisieren Olaf Scholz: Beschuss aus den eigenen Reihen

Ein Kreis von SPD-Genoss:innen fordert von Kanzler Olaf Scholz einen „sofortigen Strategiewechsel“. Im Ukraine-Krieg wollen sie „Verhandlungen“.

Olaf Scholz schaut auf einen Panzer

Friedens- und Ökobewegte aus der SPD machen mobil gegen Olaf Scholz' Ukraine-Politik Foto: Marcus Brandt/dpa

BERLIN taz | Unter der Überschrift „Mehr Diplomatie wagen“ fordern SPD-Mitglieder überwiegend aus Baden-Württemberg von Bundeskanzler Olaf Scholz einen „sofortigen Strategiewechsel“ im Umgang mit dem Ukraine-Krieg. „Statt nur amerikanische Entscheidungen nachzuvollziehen, sollte er eigene Friedensinitiativen ergreifen“, heißt es in dem Aufruf, der der taz vorliegt. Unterzeichnet hat ihn unter anderem die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin.

„Die Strategie des Westens, den Aggressor Russland militärisch zurückzudrängen, ist gescheitert“, schreiben die insgesamt 18 Sozialdemokrat:innen, zu denen auch die Ex-Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis, Marlene Rupprecht, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Michael Müller, der Vorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, gehören. „Statt militärischer Eskalation fordern wir einen Waffenstillstand und Verhandlungen.“

Sorgen machen sie sich dabei auch um die schlechte Ökobilanz des Krieges. So werde in der Ukraine nicht nur „hunderttausendfach am Fließband amputiert und gestorben“, auch sei die „Umweltzerstörung durch Munition, Bomben, Minen, Müll und Öl“ bereits so weit fortgeschritten, „dass alleine dadurch die Lebens- und Umweltqualität auf Jahrzehnte hinaus schwer geschädigt ist“.

Entsprechend kritisieren die SPD-Mitglieder Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine: „Der durch die deutschen Waffen- und Munitionslieferungen verursachte CO2-Ausstoß ist so hoch, dass Deutschland seine CO2-Bilanz in die Tonne treten müsste, würde man auch diese Aktionen mit einrechnen.“

Ratschlag an Olaf Scholz

Olaf Scholz „wäre gut beraten, wenn er sich an die Tradition der SPD als einer Friedenspartei erinnern würde“, empfehlen die sozialdemokratischen Veteran:innen, darunter – nicht zum ersten Mal – der 75-jährige Willy-Sohn Peter Brandt. „Statt nur amerikanische Entscheidungen nachzuvollziehen, sollte er eigene Friedensinitiativen ergreifen“, so ihr Rat an den Kanzler.

Dazu gehört für sie zuvorderst, das angegriffene Land davon zu überzeugen, doch endlich die Realitäten anzuerkennen: Es sei „allerhöchste Zeit, die Maximalforderung der Ukraine ‚Verhandlungen erst nach einem russischen Rückzug‘ aufzugeben“. Über die Frage, wie der russische Präsident Wladimir Putin zu offenen Verhandlungen ohne Vorbedingungen bewegt werden könnte, verlieren die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen hingegen kein Wort.

Erst am Freitag hatte Putin bei einem Auftritt im russischen Außenministerium bekräftigt, dass die Zugehörigkeit der annektierten ukrainischen Verwaltungsgebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zu Russland für ihn nicht mehr zur Debatte stünde – geschweige denn die bereits 2014 annektierte Halbinsel Krim.

Keine Kritik an russischen Annexionen

Putin erklärte, Russland wäre sofort bereit, das Feuer einzustellen und zu verhandeln, wenn die Ukraine ihre Armee aus den Teilen dieser Gebiete zurückzöge, die sie bislang noch kontrolliere. Um mit dem Aggressor verhandeln zu dürfen, müsste die Selenskyj-Regierung also zunächst insgesamt etwa ein Fünftel ihres Staatsgebietes aufgeben.

„Die Bedingungen sind sehr einfach“, sagte Putin in Moskau. „Sobald sie in Kiew erklären, dass sie zu einer solchen Entscheidung bereit sind und mit einem tatsächlichen Truppenabzug aus diesen Regionen beginnen, sowie auch offiziell den Verzicht auf ihre Pläne für einen Nato-Beitritt verkünden, wird von unserer Seite sofort, buchstäblich in derselben Minute, ein Befehl zur Feuereinstellung und zur Aufnahme von Verhandlungen folgen.“

Dass der russische Autokrat unnachgiebig auf einem „Diktatfrieden“ besteht, ist keine neue Erkenntnis. Wie bei vergleichbaren Friedensappellen in Deutschland zuvor, fehlt allerdings auch in dem aktuellen Aufruf von SPD-Mitgliedern jegliche Bewertung seiner Vorstellungen, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könnte.

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