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Landwirte bei der EU-WahlAfD bei Bauern überdurchschnittlich

18 Prozent der Landwirtsstimmen gingen bei der Europawahl an die Rechtsextremen. Die meisten Bauern wählten dennoch die Christdemokraten.

Die meisten Landwirte – 52 Prozent – entschieden sich am 9. Juni wieder für CDU und CSU Foto: Müller-Stauffenberg/imago

Berlin taz | Bei der EU-Wahl 2024 haben sich erstmals in einer bundesweiten Abstimmung überdurchschnittlich viele Landwirte für die AfD entschieden. 18 Prozent stimmten für die rechtsextreme Partei, wie eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zeigt. Das Gesamtergebnis der AfD lag nur bei 15,9 Prozent. Bei der Europawahl 2019 war die AfD unter den Agrarunternehmern auf 10 Prozent gekommen.

Die meisten Landwirte – 52 Prozent – entschieden sich am 9. Juni jedoch wieder für CDU und CSU. Im Wählerschnitt erhielten die Unionsparteien lediglich 30 Prozent. Sie mussten aber Verluste hinnehmen. 2019 hatten CDU und CSU noch 60 Prozent der Wähler unter den Bauern überzeugen können.

14 Prozent der Stimmen von Landwirten gingen nun an sonstige Parteien wie die Freien Wähler, sie schlüsselt die Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Auswertung aber nicht auf.

AfD erst gegen Subventionen, dann für Agrardiesel

SPD und FDP konnten jeweils 5 Prozent der Wähler unter den Bauern von sich überzeugen, das sind je zwei Prozentpunkte weniger als 2019. Die Grünen rutschten von 5 auf 3 Prozent ab. Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lagen beide bei jeweils 2 Prozent.

Zum Wahlergebnis dürften die Bauernproteste des vergangenen Winters beigetragen haben. Tausende Landwirte gingen damals auf die Straße, nachdem die Bundesregierung angekündigt hatte, die Subventionierung des Agrar­diesels zu streichen, mit dem die Bauern zum Beispiel Traktoren betreiben. Die Proteste wandten sich aber auch gegen Umwelt- und Tierschutzregeln allgemein. Die AfD stellte sich auf die Seite der Bauern, auch wenn sie zuvor in ihrem Grundsatzprogramm „Subventionen generell“ abgelehnt hatte.

Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), zeigte sich besorgt „über den deutlichen Rechtsruck des neuen Europaparlaments und den Stimmenzuwachs bei der AfD.“ Es wäre fatal, nun „wichtige Nachhaltigkeitsvorhaben der europäischen Agrarpolitik“ zu verschleppen, sagte Bundesgeschäftsführerin Xenia Brand der taz. „Denn Bäuerinnen und Bauern sind auf funktionierende Ökosysteme für ihre Produktion angewiesen, und die Erfahrung mit verschleppter Düngepolitik zeigt, dass dies den Bäuerinnen und Bauern später auf die Füße fällt.“

Auch im Kampf gegen die AfD müsse die Ampelregierung den Betrieben „mit konkreten politischen Maßnahmen ernsthafte Angebote machen“. Das betreffe zum Beispiel die Preisgestaltung für landwirtschaftliche Produkte, den Bodenmarkt oder die Honorierung von Leistungen der Bauern für das Gemeinwohl, so Brand.

Der Bauernverband ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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10 Kommentare

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  • 3% Grüne könnte sich in etwa mir dem Anteil an Ökolandbau decken. Der Bauer mag es lieber christlich und national als ökologisch. Seltsame Priorität, ist er nicht auf eine Natur im Gleichgewicht angewiesen?

  • In der Gesamtbevölkerung 16 %, bei den Landwirten 18 Prozent, das ist doch kaum ein signifikanter Unterschied. Da wäre eher die 25 Prozent Quote bei Arbeitern einen Artikel wert. Dann müsste man allerdings für das linke Lager kritische Fragen stellen, wieso SPD und Linke ihre klassischen Wähler nicht mehr erreicht. Das ist nicht so einfach wie ein klassisches Landwirt-Framing, das ins eigene Weltbild passt.

  • Es wurdemal ein Bauer im Raum Wiesbaden interviewt, der erzählte, wie seit den Sechzigern die Bauern zu Investitionen in Maschinen angehalten wurden und er heute rückblickend sagt, trotz allem hat er unterm Strich nicht mehr verdient. In anderen Worten: Der Gewinn wurde woanders einkassiert.

    Das muss verstanden werden, wenn Bauern Angebote zu alternativen Erzeugungswegen gemacht werden.

    Ein Staatspakt zugunsten ökologischer Landwirtschaft ist denkbar. Die Bauernlobby behauptet zwar, Landwirtschaft sei Landschaftsschutz, das ist aber gelogen.

    Die Bauern brauchen Geld und wir wollen essen und nicht überflutet werden. Das ist der Deal, mit dem DIE GRÜNEN punkten können.

    Das gibt politischen Krieg mit der BILD, aber der muss sein, Springer muss weg!

  • 6G
    608196 (Profil gelöscht)

    Offenbar gibt es wieder mal besonders "...dicke Kartoffeln" dieses Jahr.

  • Bauer sind logischerweise, sehr mit dem Land verbunden. Was tun die anderen sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien für ein sehr gutes Deutschlandgefühl ? Man hat teilweise den Eindruck, alles was mit deutsch sein und Deutschland zu tun hat wird bekämpft, nieder gehalten und verfemt. Das fällt den Leuten auf und erweckt den Eindruck, sie werden von den etablierten Partein in ihrem gemeinschaftlichem Wesenskern nicht anerkannt. Aber ohne Gemeinschaft gibt es auch keine soziale Gesellschaft. sondern nur egoistischen kapitalismus.

  • Was mich noch wundert ist, dass der Autor in seinem Artikel nicht darauf hinweist, dass die Arbeiter*innen mit 25% noch weit überdurchschnittlicher AfD gewählt haben.

    Man kann nach genauem Studium des Schaubildes sogar feststellen: wenn man AfD und BSW zusammennimmt haben haben die Bäuer*innen insgesamt gemäßigt votiert und liegen unter dem Schnitt auf Augenhöhe mit den angestellten Arbeitnehmer*innen.

    Nur die Beamt*innen haben noch gemäßigter und naturgemäß "staatstragender" votiert.

    • @Waage69:

      Das wollte ich gerade auch anmerken. Die AfD ist die neue Arbeiter:innen-Partei und fast niemand spricht darüber. Eine alte, ungute Wahrheit wird hier leider wieder bestätigt. Mitverantwortlich für solche Ergebnisse ist die Tatsache, dass wir es seit langer Zeit mit einer Politik für die Interessen der Saturierten zu tun haben. Hätte die SPD ihre Hausaufgaben gemacht, wäre es so weit m.E. nicht gekommen.

  • „Denn Bäuerinnen und Bauern sind auf funktionierende Ökosysteme für ihre Produktion angewiesen, und die Erfahrung mit verschleppter Düngepolitik zeigt, dass dies den Bäuerinnen und Bauern später auf die Füße fällt.“

    Ach, ist das jetzt eine 180° Kehrtwende, hin zu ökologischem Landbau?

  • hm, dass nur drei Prozent die Grünen und fünf Prozent die SPD gewählt haben wundert mich: ich dachte es sei umgekehrt! ;-)

  • 2 Prozent mehr als der Landesdurchschnitt ist nun aber auch übersichtlich.

    Zumal Landwirte allgemein keine Großstädter sind, die den Landesdurchschnitt nach links verschieben.

    Spannend wäre, ob Landwirte mehr AfD wählen als Durchschnittsdörfler.