piwik no script img

Waffentragen bei der Berliner PolizeiDie Pistole immer zur Hand

Mohamed Amjahid
Kommentar von Mohamed Amjahid

In Berlin darf die Polizei auch wieder abseits des Dienstes Waffe tragen. So wie überall sonst in Deutschland. Die Sicherheit erhöhen wird das nicht.

Da ist deutlich zu sehen: Polizei mit Waffe, im Dienst Foto: Paul Zinken/picture alliance/dpa

V or Kurzem und eher nebenbei ist bekannt geworden, dass Berliner Po­li­zis­t*in­nen auch in ihrer Freizeit wieder offiziell Waffen mit sich führen dürfen. Bedeutet: In der U-Bahn, beim Grillen im Park oder jetzt beim Public Viewing können Be­amt*in­nen nun in ihren Rucksäcken, zwischen dem Grillgut oder unterm Fußballtrikot eine Pistole dabeihaben. Muss uns Bür­ge­r*in­nen dies nun Sorgen bereiten?

Die kurze Antwort lautet: Ja, Sorgen sind durchaus angebracht. Die differenzierte Antwort lautet: Ja, allerdings gleicht sich Berlin mit dieser Regelung für seine rund 20.000 bewaffneten Be­am­t*in­nen bei der Polizei den Verhältnissen anderswo an. Wenn man so will, robbt sich die Hauptstadt hier an Bundesländer wie Bayern heran, das Mekka von Law and Order. Dort und in anderen Bundesländern durften Po­li­zis­t*in­nen schon immer ihre Waffen weitestgehend auch außer Dienst und ohne Uniform bei sich haben.

Was war geschehen, dass Berlin eine Ausnahme darstellte? Nach einer mutmaßlichen Serie von missbräuchlichem Gebrauch von Dienstwaffen durch Po­li­zis­t*in­nen in ihrer Freizeit, vor allem bei Tierjagden im Berliner und ­Brandenburger Forst, sprach die da­malige Polizeiführung 2016 ein Verbot aus, Waffen außerhalb des Dienstes spazieren zu tragen. Den Polizeigewerkschaften gefiel diese Maßregelung so gar nicht. Hinter vorgehaltener Hand war die Rede „von einer Entmündigung“ der Be­am­t*in­nen durch die Polizeiführung.

Über die Aufhebung des Verbots zeigt sich die Opposition in Berlin erschrocken und äußert gegenüber der taz Sicherheitsbedenken. „Es steigt die Gefahr, dass Waffen außerhalb des Dienstes unrechtmäßig angewandt werden oder abhandenkommen“, sagt zum Beispiel Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Darüber hinaus macht die Berliner Polizei ein großes Geheimnis um den Text des sogenannten Arbeitshinweises, der die Aufhebung offiziell gemacht hat. Die Regelung an sich ist unter Verschluss. So wird dem Parlament und der Öffentlichkeit verschwiegen, wie die Regelung im Einzelnen aussieht.

Po­li­zis­t*in­nen im Hawaiihemd

Womit wir wieder bei der Frage angelangt wären, warum wir Bür­ge­r*in­nen uns nun angesichts der bewaffneten Po­li­zist*in­nen im Hawaiihemd mehr Sorgen um unsere Sicherheit machen müssen. Mit der neuen Regelung ist Berlin nicht nur ein Stück bayerischer, sondern auch etwas hessischer geworden. Erst Mitte Mai hatte ein Polizist in Weilrod nördlich von Frankfurt am Main seine Lebensgefährtin mit seiner Dienstwaffe in der Wohnung des Opfers erschossen: ein Femizid, der durch die laxe Regelung des Waffengebrauchs für Po­li­zei­be­am­t*in­nen zumindest begünstigt wurde.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In den vergangenen Jahren haben Recherchen immer wieder gezeigt, wie Waffen und Munition aus Beständen von Polizeibehörden vor allem in rechtsextreme Milieus geschmuggelt wurden. Extremistische Po­li­zis­t*in­nen hatten immer wieder Pistolen mitgehen lassen – ein Teil davon ist bis heute verschwunden, einige Waffen tauchten bei gewaltbereiten Neonazis und Staatsfeinden auf. Der Nordkreuz-Komplex ist nur das prominenteste Beispiel.

Man muss kei­n*e Ma­the­ma­ti­ke­r*in sein, um sich auszurechnen, dass die Wahrscheinlichkeit für Missbrauch und Verlust von Waffen dann steigt, wenn mehr Waffen durch Berlin und Deutschland nach Gusto und ohne effektive Kontrolle getragen werden. Mit den bewaffneten Frei­zeit­po­li­zis­t*in­nen werden Parkanlagen, Supermärkte und andere öffentliche und private Räume in Berlin ein Stück unsicherer, halt wie in Bayern, Hessen und anderswo in Deutschland.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Also die Polizisten sind doch momentan wirklich nicht das Problem.

    • 0G
      09399 (Profil gelöscht)
      @Eugen-Emilio :

      Das sehen alle Opfer von Polizeigewalt, racial profiling, Polizeischikane und von rechten Netzwerken in der Polizei ganz sicher anders. #Polizeiproblem

  • Gibt es auch nur ansatzweise Belege für die doch recht steile These des Autors?

    • 0G
      09399 (Profil gelöscht)
      @Demokrat:

      Welche steile These? Dass in dem Moment, in dem Polizist*innen ihre Waffe in der Freizeit mit dabei haben dürfen die Gefahr steigt, dass sie sie missbräuchlich einsetzen? Das ist doch im Artikel zur Genüge belegt. Nicht nur im Ansatz, sondern mit Beispielen und mit Mathematik.

  • Ich gebe zu, ich habe erst beim letzten Satz verstanden, dass es sich bei dem Artikel um Satire handelt.

    Aber da fand ich ihn wirklich witzig.

  • Man kann immer alles negativ darstellen. Das positive Denken muss in Deutschland wieder erlernt werden.

    • @Der Cleo Patra:

      Was ist an Polizisten, die Waffen und Munition Nazis zu kommen lassen positiv? Das erklären Sie mir bitte.

      • @sedeum:

        Negativ ist, wenn man aus einem



        Einzelfall oder absolute Ausnahme einen



        Generalverdacht macht würden Sie bei



        Flüchtlingen doch zu Recht auch nicht



        positiv bewerten.

  • Sollte es einem Polizisten, der außer Dienst mit der Waffe am Mann unterwegs ist gelingen, einen der sich häufenden Messerattacken zu verhindern, vielleicht wird die Sache dann anders wahrgenommen.

    • @Jim Hawkins:

      Sie driften nach rechtsaußen ab.

    • @Jim Hawkins:

      …darüber wird zu sprechen sein - wenn so ein Vorfall aktenkundig ist.

      unterm——-



      Wenn ich so an den Polizeibeamten in



      Westfälisch Sibirien denke - der uns Richter vor seiner Verhandlung ausbaldowert hatte! Woll



      Der liberale und zuvorkommende Kammervorsitzende anschließend zum Behördenvertreter: “Wie kann das sein?



      Die Diszi-Akte is mehr als handbreit dick! Er darf keine Dienstwaffe mehr führen! Wird aber regelmäßig befördert! Wie kann das sein!“



      Der sich windende 🐉 “Ja, das läge an den sogenannten Paketlösungen!“



      ?????? auf der Richterbank!



      “Naja - der betreffende sei natürlich in der Polizeigewerkschaft! Stehe sicher sich gut mit dem Personalrat!



      Und die Praxis bei anstehenden Beförderungen sei - daß der Personalrat entsprechende Vorschläge unterbreite.



      So im Paket und das werde von seiten der Dienststelle regelmäßig “nicht aufgemacht!“

      Ungläubiges Staunen auf der Richterbank! Wollnich

      So geht das ©️ Kurt Vonnegut



      “Die Geschichte ist lediglich eine Überraschungsliste. Sie kann uns nur darauf vorbereiten, aufs Neue überrascht zu sein.“

  • In Deutschland gibt es legal mehr als 5 Mio Waffen in Privatbesitz bei rund 3 Mio waffenrechtlichen Erlaubnissen. Von illegalen ganz zu schweigen.Dass ausgerechnet diejenigen, die damit am Besten augebildet sind und im Staatsdienst stehen, die Straßen unsicher machen, halte ich für recht seltsam.



    Extremistische Vereine wie Nordkreuz, etc. werden sicher auch andere Wege finden, um an Waffen zu kommen.



    Im Übrigen ist Berlin (vor dem Saarland) mit Abstand führend in der Statistik für Waffendelikte und dabei 4mal so hoch wie in Bayern.

  • Ja - oder im Gegenteil!

  • "Mit den bewaffneten Frei­zeit­po­li­zis­t*in­nen werden Parkanlagen, Supermärkte und andere öffentliche und private Räume in Berlin ein Stück unsicherer, halt wie in Bayern, Hessen und anderswo in Deutschland."

    --> Klar, die Bundesländer, die eine Kriminalitätsrate von 4,7 % (Bayern) und 5,8 % (Hessen) haben und damit deutlich unter dem Bundesschnitt von 6,9 % liegen, sind natürlich viel unsicherer als Berlin mit seiner Kriminalitätsrate von 14,1 % (alle Angaben nach dem Statistischen Bundesamt - www.statistikporta...tionen/straftaten). Logisch. Kriminalitätsspitzenreiter unter den Ländern Berlin ist natürlich deutlich sicherer als der Rest Deutschlands.

    Wenn der Kommentar allerdings darauf gemünzt war, dass es nun für Straftäter in Berlin unsicherer wird, ja dann stimmt das natürlich. So hatte ich den Kommentar aber nicht verstand.

    • @Kriebs:

      Danke für diese interessanten Zusatzinformationen!

  • "Was war geschehen, dass Berlin eine Ausnahme darstellte? Nach einer mutmaßlichen Serie von missbräuchlichem Gebrauch von Dienstwaffen durch Polizisten in ihrer Freizeit, vor allem bei Tierjagden im Berliner und Brandenburger Forst, sprach die damalige Polizeiführung 2016 ein Verbot aus, Waffen außerhalb des Dienstes spazieren zu tragen."

    Ich verstehe nicht, warum man dann die gesamte Berliner Polizei unter Generalverdacht stellt, anstatt mit den schwarzen Schafen zu sprechen und Maßnahmen gegen die Verursacher zu verhängen.