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Flutkatastrophe in Süddeutschland„Ein Hinweis, dass was los ist“

Die Zahl der Hochwassertoten in Süddeutschland steigt. Bundeskanzler Scholz prophezeit, dass sich Fluten im Land weiter häufen werden.

Vor ihr die Sintflut: Eine Frau im bayerischen Burgau blickt am Montag auf ihren überfluteten Garten Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

München taz | In Bayern kämpften auch am Montag noch Zehntausende Rettungskräfte gegen die Flut an. Während am Wochenende vor allem Schwaben und Teile Oberbayerns betroffen waren, befürchtete man nun eine ähnliche Katastrophe in Niederbayern und der Oberpfalz. In flussaufwärts gelegenen Regionen kam es vermehrt zu Todesmeldungen.

Während am Sonntag bereits ein Feuerwehrmann im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm tot geborgen wurde, nachdem sein Schlauchboot gekentert war, mussten Rettungskräfte am Montag im oberbayerischen Schrobenhausen die Leiche einer 43-jährigen Frau aus einem überfluteten Keller ziehen. Auch in Schorndorf nahe Stuttgart haben Einsatzkräfte zwei Leichen aus einem leer gepumpten Keller geborgen, wie die Polizei am Montagnachmittag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Weitere Todesopfer werden befürchtet, mindestens ein Feuerwehrmann wird derzeit noch vermisst. Wie groß indes der Sachschaden sein wird, lässt sich bislang noch überhaupt nicht absehen.

Besonders betroffen war der Landkreis Pfaffenhofen im Norden Oberbayerns. Dort war am Montag ein Damm des Flusses Paar schon an drei Stellen gebrochen. Vor Ort machten sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Begleitung ihrer bayerischen Kollegen ein Bild von der immensen Zerstörung. Sie besuchten die Marktgemeinde Reichertshofen, die bereits zu einem erheblichen Teil unter Wasser stand.

Scholz verwies darauf, dass es in diesem Jahr bereits das vierte Mal sei, dass er in einem Einsatzgebiet sei. Das sei ein „Hinweis darauf, dass was los ist“. Die Menschen in Deutschland müssten sich vermehrt auf Naturkatastrophen, speziell auf Hochwasser, einstellen. Man dürfe daher die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, nicht vernachlässigen. „Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss.“

Der Scheitel der Flutwelle wird für Dienstag erwartet

Faeser ihrerseits zeigte sich beeindruckt von der guten Zusammenarbeit der Rettungskräfte. Sie habe den Eindruck, dass aus der Hochwasserkatas­trophe im Ahrtal vor drei Jahren Lehren gezogen worden seien. Die Koordinierung funktioniere nun viel besser.

Mit Bangen wartete man derweil im Osten des Freistaats auf die Flut. Der Wasserstand der Donau stieg kontinuierlich an. Der Hochwassernachrichtendienst Bayern ging davon aus, dass der Fluss etwa so viel Wasser führen werde wie beim Jahrhunderthochwasser 2002. Der Scheitel der Flutwelle wurde allerdings erst für Dienstag, vielleicht sogar für Mittwoch erwartet. An der Eisernen Brücke in Regensburg lag die Wasserhöhe am Montagvormittag bei 5,98 Meter – gegenüber etwa 2,70 Meter eine Woche zuvor.

Der Scheitel der Flutwelle im Osten Bayerns wurde erst für Dienstag, vielleicht sogar für Mittwoch erwartet

Auch in Baden-Württemberg entspannte sich die Lage aufgrund neuer Niederschläge noch nicht allerorts. Vor allem in der Region um Stuttgart herum mussten zahlreiche Häuser evakuiert werden. In der Gemeinde Rudersberg im Rems-Murr-Kreis wurden alle Straßen wegen Überflutung gesperrt, im Schwarzwald kam es zu mehreren Erdrutschen.

Infolge der Fluten wurden erneut Forderungen nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden laut. So richtete sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst direkt an den Kanzler: „Deutschland steht im Dauerregen, doch der Kanzler spannt den Regenschirm nicht auf“, monierte der CDU-Politiker. Er erwarte, dass Scholz jetzt zu seinem Wort stehe und eine Pflichtversicherung für Hauseigentümer einführen werde. Ähnlich äußerte sich Wüsts hessischer Kollege Boris Rhein.

Justizminister gegenüber Pflichtversicherung skeptisch

Bundesjustizminister Marco Buschmann zeigte sich in Sachen Pflichtversicherung jedoch weiter skeptisch. Diese würde für viele Haushalte drastische finanzielle Mehrbelastungen bedeuten, ließ er eine Sprecherin sagen.

Die frühere CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt ihrerseits forderte mehr Investitionen in den Katastrophenschutz. „Deutschland hat diesbezüglich insgesamt Nachholbedarf“, sagte die heutige Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes in der Augsburger Allgemeinen. „Es braucht deshalb eine Zeitenwende, insbesondere, was die nachhaltige und zukunftsgerichtete Finanzierung des Bevölkerungsschutzes angeht.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte die Regierung auf, sofort ein Sondervermögen fürKlimaanpassung, Klimaschutz und Katastrophenschutz einzurichten. „Wie viele ‚Jahrhundertfluten‘ braucht es noch, bis die Bundesregierung begreift, dass das unser neues ‚Normal‘ wird, wenn sie jetzt nicht handelt? Wir können uns weitere Flächenversiegelung, Flüssebegradigung und unbegrenzten Treibhausgasausstoß nicht mehr leisten.“ Es sei nötig, den Extremwetterereignissen mit konsequentem Natur- und Klimaschutz zu begegnen. Dass die Gelder für die entsprechenden Maßnahmen fehlten, liege nicht zuletzt an der Schuldenbremse.

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9 Kommentare

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  • Wenn es nicht so tragisch wäre, dann wäre das erboste Verlangen der Opposition schon fast ein Schmunzeln wert. Sofort und auf der Stelle muss eine PFLICHT-Versicherung 'Elementarschäden' für alle her, wird kategorisch verlangt. Wäre der Gedanke von seiten der Grünen laut geworden, wäre dieselben sofort als Opposition dazwischen gegrätscht mit "Ampel-Grünen - Vorschriften, Zwangsverpflichtung, Oberlehrer, Besserwisser etc.".

    Herr Söder, der in Bayern so lange den Hochwasserschutz so sträflich vernachlässigt hat und große Töne in Richtung 'grüne Verbots-Partei' gespuckt hat, täte gut daran, endlich einmal in sich zu gehen und Vernunft vor Dauer-Wahlkampfgepolter zu stellen.

    Die Meisten, die ihr Gebäude vernünftigerweise nicht im Gefahrenbereich errichtet haben, sind ohnehin diesbezüglich versichert, wie auch wir. Richtig schlimm getroffen hat es die, die einen Altbau in dem Bereich bewohnen, der seit langer Zeit nicht betroffen war und all die Neubaubewohner, die dachten mit einem preisgünstigen Baugrundstück ein Schnäppchen gemacht zu haben.

  • Menschen in potentiell Hochwasser gefähdeten Gebieten werden keine Elementarversicherung bekommen!! Jede Versicherung ist schlecht beraten sich ein derartiges Risiko in die Bücher zu legen. Das ist eine politische Nebelkerze.



    Die Versiegelung des Bodens gehört auf den Prüfstand ['Autobahn, Wohnungsbau, Parkplätze usw.)



    Häuser gehören nicht direkt in solche Risikogebiete. Das gilt natürlich ausdrücklich für Gebiete wie die Kölner Innenstadt.

  • Am besten so weiter machen wie bisher: auf politischer Ebene halbgare Reformen beschließen, andere sabotieren, weichspülen oder aussitzen bzw. die Parteien wählen, die so verfahren. Und auf persönlicher Ebene einfach so weiter konsumieren, weil es schmeckt, bequem ist, Spaß bringt, zur Völkerverständigung beiträgt, mensch es gewohnt ist ... Und jammern nicht vergessen, wenn eine Katastrophe einen selbst getroffen hat und erleichtert tun, wenn es einen nicht getroffen hat. Und als Politiker*in für Fotoshootings die Gummistiefel nicht vergessen, ist doch klar! Wie gesagt einfach so weiter machen. Bei zunehmender Klimaerhitzung und damit auch Häufung von Katastrophen wird doch der Staat sicher immer Milliarden für Hilfen locker machen können, oder?



    --Vorsicht Ironie und so.

  • Wenn Herr Scholz anfangen würde, den Klimawandel endlich ernst zu nehmen, wäre das ein guter Anfang als Klimakanzler. Was will er tun? Weiterhin in Hochwassergebiete fahren, den Klimawandel verkünden und dann nichts tun?

    • @Daniela Scharrer:

      Wie kommen Sie darauf, dass Scholz den Klimawandel nicht ernst nähme?

      Scholz hat das GeG und die kommunale Wärmeplanung durchgesetzt, damit werden langfristig jährlich über 100.000.000t CO2 eingespart. Das hat sich Merkel nie getraut und Scholz hält eine wackelige Mehrheit dafür zusammen.

      Wo sehen die politischen Spielraum für Klimaschutz den Scholz nicht ausnutzt? Die Bevölkerung macht jedenfalls gerade Druck in die gegenteilige Richtung.

  • "Dass die Gelder für die entsprechenden Maßnahmen fehlten, liege nicht zuletzt an der Schuldenbremse."

    Herr Lindner, übernehmen Sie!

  • Die Klimakatastrophe hat schon vor etlichen Jahren begonnen!



    Auch wenn das gerne verdrängt oder sogar verleugnet wird! Muss ich hier die Dürrekatastrophen, Waldbrände, Überschwemmungskatastrophen, über die in seriösen Medien in den letzten Jahren aus aller Welt berichtet wurde, aufzählen? Seit mindestens sechzig Jahren ist die Gefahr eines Treibhauseffektes in der Wissenschaft bekannt. Die Grünen schlugen vor allem auch deshalb (weil sie mit Abstand am meisten auf die Wissenschaft hören) mal vor circa 30 Jahren einen Benzinpreis von fünf Mark pro Liter vor. Da gab es einen Aufschrei, eine Welle der Empörung in der B.R.D.! Die allermeisten in USA, China und Westeuropa von Hochwassern oder sonstigen Klima-Katastrophen der letzten Jahre Betroffenen haben höchstwahrscheinlich viel zu wenig auf Klimaschutz geachtet! Und zwar durch viel zu viel leicht vermeidbare PKW-Nutzung, unnötige Flugreisen, unnötigen Verzehr von Tierprodukten und Übernutzung/Missbrauch des Internets (Streamen, chatGPT u.ä. ), Überheizen der Wohnungen. Zudem durch zu viel Wegwerfen von noch intakten Gegenständen und damit sinnlosem neu kaufen!

    • @tsitra:

      Dann sind wir verloren. Denn keine demokratische Partei (und extremistische Parteien sowieso nicht) wird sich trauen den Leuten zu sagen, dass sie verzichten müssen... kostet ja schließlich Wählerstimmen.

      Klimaschutz geht nur mit negativem Wirtschaftswachstum. Die fetten Jahre müssen vorbei sein!

      • @Not At All:

        Es wird oftmals als Verzicht dargestellt. Verzicht wäre allerdings nur ein Teil (bspw. kein Fast Fashion). Es bedeutete ja bspw. nicht keinen Urlaub zu machen, nichts oder ekliges Essen zu essen. Das ist Unsinn. Mensch kann auch mit Bahn oder Fahrrad verreisen. Es gibt eine sehr vielfältige vegane Küche für jedermenschs Geschmack. Smartphones kann mensch reparieren lassen statt neukaufen. Auch im Alltag wäre mensch mobil - für die Allermeisten statt mit dem Auto mit ÖPNV, Fahrrad/Handbike oder Bahn.



        Dann heißt es häufig, es wäre wegnehmen oder verbieten. Dabei ist es ein Zurückkehren auf tragbares Niveau, ein wahrliches Einsetzen dafür, dass die Kinder es mal besser haben sollen bzw. sie vor dem schlimmsten bewahren.