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Diplomatie, Kriegsgewinner und der BVBEine ganze Menge Nichts

Hungerstreik, Kontrollverlust, Luftangriffe. Düsteres dominierte die vergangene Woche – nicht nur beim BVB.

Kein schönes Abschiedspiel für den Dortmunder Reus in Wembley Foto: Robert Michael/dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die zweite Halbzeit.

Und was wird besser in dieser?

Die Erinnerung an die erste.

Joe Biden hat der Ukraine grünes Licht gegeben, US-Waffen auf russischem Gebiet einzusetzen, aber nur in der Nähe zum umkämpften Charkiw. Wie wird das den Kriegsverlauf beeinflussen?

„Der Westen“ sieht sich im Nothilfe­modus. Unser Kumpel Ukraine klingelt Sturm, sein skrupelloser Nachbar hat ihn überfallen – ob er wohl mal unsere Wumme leihen kann? Klar, Ehrensache. Nachdem das über zwei Jahre so geht, und die Not des Überfallenen verzweifelt wird, droht er uns, richtig Ärger zu machen. Mit zwei Angriffen auf russische Atomwaffenfrühwarnsysteme hat die Ukraine im Mai gezeigt, dass sie den Krieg katastrophal ausweiten kann. Ist nicht nett, kann man aber verstehen. Also gestatten Biden und im Windschatten Scholz nun, dass der geschundene Kumpel sich im Kleinen wehren kann, um im Großen Ruhe zu bewahren. Nach über zwei Jahren könnten wir auch mal sagen: Das ist uns nicht mehr geheuer, wir müssen mal mit deinem bescheuerten Nachbarn reden. Selensky sagt in der New York Times, er sehe kein Problem mit einem Einstieg der Nato in den Krieg. Die Nato hat keine Idee für einen Ausstieg. So robben wir näher an die Grenze zum Kontrollverlust.

Seit 85 Tagen befindet sich ein Klimaaktivist in Berlin im Hungerstreik und schwebt mittlerweile in akuter Lebensgefahr. Die Forderung: Kanzler Scholz soll die Gefahren der Klima­krise in einer Regierungserklärung benennen. Können solche Streiks der Klimabewegung helfen?

2021 hatte Scholz – vor seiner Wahl zum Bundeskanzler – mit einer Gesprächszusage geholfen, einen Hungerstreik von KlimaaktivistInnen zu beenden. Das fand nach der Wahl statt, es steht bei Youtube mit mäßigen 88.000 Aufrufen. Publizistisch also eher sacht unterwummst. Tenor der Userkommentare: Wenn man Scholz neben zwei frenetische Klimamissionare setzt, kann man seine Ruhe und Geduld sympathisch finden. Die neuerlich Hungernden wollen dem Bundeskanzler eine Regierungserklärung vor-schreiben. Das ist – auch bei plausiblen Anliegen – komplett größenwahnsinnig. Auch Wohlmeinende verstört dieser Absolutismus, und kommuniziert wird: Verzweiflung. Ausweglosigkeit ist kein Ausweg.

Bei einem israelischen Luftangriff auf das Flüchtlingscamp Tal al-Sultan sollen Dutzende Menschen, darunter zwei Hamas-Kommandeure, getötet worden sein. Wo finden palästinensische Zivilisten noch Schutz?

Nirgends. Kann aber sein, dass es da morgen auch schlimmer wird. Die Biden-Administration hatte einen Trick versucht: einen „israelischen Waffenstillstandsplan“ präsentiert, den jedoch Netanjahu sofort bestritt. Mit den Stimmen der Opposition und auch der Angehörigen der Geiseln könnte er ihn durchsetzen. Längs der Forderung des Internationalen Gerichtshofes und der Empörung auch befreundeter Staaten. Unter drohendem Haftbefehl. Es ist imponierend, was Diplomatie kann. Und tragisch: nichts.

Donald Trump wurde in dem Prozess rund um Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels schuldig gesprochen. Wie wird das die US-Wahl beeinflussen?

Es verstärkt die Narrative beider Lager und bewirkt also: nichts. Also noch mehr vom bekannten Nichts. Also für Trump: guilty – pleasure.

Bei „Hart aber Fair“ kam es am Montag zum Eklat – die eingeladenen Gäste riefen durcheinander, das Publikum buhte. Kann so der Kampf gegen die Populisten gelingen?

Der Fluch der Panel-Talks ist die zugrunde liegende Choreo, mal Briefing, oft ein halbes Drehbuch, dem das Gespräch inhaltlich wie dramaturgisch folgt. Ziel ist es, einen Konflikt darzustellen, die Gäste bekannte Argumentationen performen zu lassen. Bei „HaF“ führte das nun zum zweiten Mal zu einem „Faktencheck“, der etwas zu korrigieren vorgab, was dummerweise vorher nicht behauptet worden war. Der klassische Plasberg-Claim „Politik trifft auf Wirklichkeit“ dreht sich ins Nirwana: Die Politiker waren wirklicher als das Konstrukt, in dem sie mitspielen sollten. Es geht nicht darum, bestimmte Leute und Positionen trickreich fertig zu machen, sondern: alle wahrhaftiger. Es gibt Gründe im Format, warum es nicht gelingt.

Und was machen die Borussen?

Treffen den Pfosten. Das sind sie gewohnt, denn sie haben ja einen als Geschäftsführer. Ab jetzt: hatten. Als Abschiedsgeschenk legt der scheidende Chef ihnen den Rheinmetall-Werbedeal vor die Tür. „Aki“ Watzke scheiterte an den Fans mit seinem Plan, die Liga an Investoren zu verkaufen. Nette Geste, ihnen darauf zum Abschied auf die Fußmatte zu kacken. Wenn der BVB Werbeträger für Kriegsgewinnler wird, möchte ich hier gerne zu einem anderen Verein befragt werden. Okay?

Fragen: Joscha Frahm

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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9 Kommentare

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  • Die Gedanken zu Hart aber fair sind hochinteressant, auch weil Carolin Ehmcke Streit-Formate in den politischen Talkshows (also eigentlich alle) auf der Republika scharf kritisierte.



    Geskriptete Politik-TV-Talkhows wie hart aber fair simulieren Wirklichkeit und haben mit wahrsprechen nichts mehr zu tun, gefallen vielleicht gerade deshalb den Mächtigen in Politik und Medien.

    Zitat Ehmcke

    „Ich möchte jeden bitten, der zu einem Format Pro-und-Contra eingeladen wird, abzusagen. Das ist Bullshit. Das führt dann zu den Talkshows in denen diese Meinungen thematisiert werden und dann redet man über die Polarisierung der Gesellschaft. Es ist auch eine Form von Selbstverdummung. Lesen Sie den Kram nicht, gehen Sie nicht in solche Formate. Es ist eine systematische Zerstörung von rationalem Diskurs.“

  • Von wegen "back to the roots" -



    und zum Thema wertebasierte Ausrichtung:



    "Der Ursprung von Rheinmetall liegt allerdings in Dortmund, genauer gesagt in Hörde. Dort gründete am 13. April 1889 der Hoerder Bergwerks- und Hüttenverein unter Generaldirektor Joseph Massenez die „Rheinische Metallwaaren- und Maschinenfabrik Aktiengesellschaft“. Der Auftrag: für das Deutsche Reich Munition liefern. So berichtet es die Unternehmenschronik von Rheinmetall."



    Der Artikel bei ruhr24.de hat folgende entlarvende Überschrift:



    "In Dortmund liegt die Wiege einer Tötungsmaschinerie"



    Mir schwant hier doch ein gewaltiger Imageschaden.

    • @Martin Rees:

      Schlimmer als ein "Imageschaden"sind die realen Schäden, die das Produkt weltweit herbeigeführt. Aber Profit und Arbeitsplätze sind Voraussetzung für unser höchstes Gut: Unseren Wohlstand!



      Was kümmert uns der Rest der Welt?



      Ausser zur Urlaubzeit, wenn wir andere Länder zeitweilig touristisch besetzen.

  • Vorsicht mit "Pfosten"!

    infranken.de/lk/wunsiedel/mann-aus-dem-kreis-wunsiedel-nennt-habeck-vollpfosten-und-muss-hohe-strafe-zahlen-tmr-17-art-5830065

    Und wenn ich hier www.kicker.de/bvb-...le-1028431/artikel im Kicker zum Rheinmetall-Deal lese - 》"Es zeigt, wo wir stehen", erklärte Habeck in Berlin. "Wir wissen und müssen es leider zugeben, dass wir in einer anderen, bedrohlicheren Welt sind." Die "eingeübte und auch so verständliche Zurückhaltung" im Umgang mit Rüstungskonzernen sei deshalb nicht mehr richtig. "Insofern spiegelt dieses Sponsorship sicherlich auch ein Stück weit die Realität der Zeitenwende wider."《, möchte ich nächstesmal¹ auch gerne zu einem anderen Verein befragt werden

    ¹also Europawahl, Stimmzettel

  • Lieber Herr Küppersbusch,



    Ihre Position zum Ukrainekrieg, volle Zustimmung!!!



    Wann gelingt es auch anderen Medien und die taz, diese Position intensiv zur Diskussion zu stellen.



    Ich mache mir große Sorgen, wenn es dort weiter eskaliert!

  • @ALL inklusive Friedrich Küppersbusch:



    Vollpfosten ja



    Welcher Verein kann's werden?



    Oder wird es gar ein neuer Werbeträger?

  • Korrekt. Vollpfosten! Woll

  • Darauf war ich gespannt.



    Werter Herr Küppersbusch, welchen Verein hätten sie dann gerne als Thema? SSVg Velbert, 1. FC Köln oder doch Schalke 04?

  • "Wenn der BVB Werbeträger für Kriegsgewinnler wird, möchte ich hier gerne zu einem anderen Verein befragt werden. Okay?"



    Wie hieß es oft genug von der 'Süd' im vermeintlichen oder echten sportlichen Krisenfall: "Auf geht's Dortmund, kämpfen..."



    Es geht jetzt wirklich um echte Werte, nicht um Profite.



    Ein zeitnahes Votum der Mitglied_er und Fans wäre dringendst angebracht, damit die weiteren Konsequenzen auch begründet sind. Bald steht die nächste Saison vor der Tür und für viele AnhängerInnen stellt sich die Frage, wie wörtlich ist "was immer geschieht..." zu nehmen. Es gibt eine sehr ernst zu nehmende Konkurrenz im Rennen um tatsächliche und nachhaltige Beliebtheit.



    Freiburg, ganz speziell Christian Streich und sein Umfeld, konnten viele Herzen gewinnen, mit Ehrlichkeit und Menschlichkeit, auch in gesellschaftlich relevanten Kontexten.