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Video der Entführung israelischer FrauenZwischenruf aus der Realität

Kommentar von Lisa Schneider

Angehörige der Geiseln haben ein brutales Video veröffentlicht. Es soll eine Erinnerung sein: an alle Leugner, Relativierer, Verdränger.

Ein Bild aus einem Video zeigt eine blutende,israelische Soldatin in der Gewalt von Hamas-Terroristen Foto: Hostage Families Forum/AP

D as Forum der Geiselangehörigen hat ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie Hamas-Kämpfer junge Frauen aus dem Militär-Außenposten Nahal Oz, wenige hundert Meter von der Grenze zu Gaza entfernt, entführen. Es zeigt junge Frauen in ihren Schlafanzügen, die auf dem Boden kauern, verängstigt, blutverschmiert. Ihnen werden die Hände auf den Rücken gefesselt. Zwei der Mädchen sind in anderen Videos noch einmal zu sehen: Eine wird, mit auf dem Rücken gefesselten Händen und am Po mit Blut befleckter Hose in ein Auto gezwungen. Eine andere – ihr Pyjama-Top ist verrutscht – humpelt breitbeinig zu einem Auto. Auch ihre Hose ist blutig.

In einem anderen in den sozialen Medien geteilten Video ist eine Gruppe junger Frauen zu sehen, die auf dem Boden im Stützpunkt kauern. Es ist im zeitlichen Ablauf wohl das erste der Videos. Von draußen sind Schüsse zu hören. Ein vermummter Kämpfer betritt den Raum. Eines der Mädchen fragt, mit panischer Stimme: Wer ist er? Die meisten werden den Tag nicht überleben. Vierzehn von ihnen, unbewaffnete Militärdienstleistende einer Beobachtungseinheit, werden dort von den Hamas-Kämpfern erschossen, fünf nach Gaza entführt.

Das Video, so die Schwester einer der Entführten, soll eine Erinnerung sein. Für eine Welt, die das Leid der Geiseln und ihrer Angehörigen vergessen zu haben scheint. Für ein Militär, das in Monaten des Krieges gerade einmal drei Geiseln lebend befreien konnte. Für eine Regierung, die den Protesten ihrer eigenen Bevölkerung seit Monaten kaum Beachtung schenkt. Für Studierende an westlichen Elite-Universitäten, die anzweifeln, dass ihre „Freiheitskämpfer“ jungen israelischen Frauen sexuelle Gewalt angetan haben und es mutmaßlich weiter tun. Für alle, die Israel eine Mitschuld an den Taten der Hamas geben – als ob die Besatzung im Westjordanland das Entführen, Misshandeln und Töten 19-jähriger Frauen rechtfertige.

Niemand, der das Video gesehen hat, kann noch leugnen, was geschehen ist.

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Redakteurin für Nahost
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25 Kommentare

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  • Ich gucke mir möglichst keine Leid-Videos an wie vieles andere auch nicht.

    Man kann übrigens beides: Die Untaten der Hamas benennen und verurteilen. Und gleichzeitig von Netanyahu rechtskonformes Verhalten einfordern, wie von jedem anderen Regeirungschef der Welt auch, einfach universal.

  • Die Bilder sind schockierend und mein Mitgefühl für die Betroffenen Frauen und Angehörige, ich hoffe auf ihre Befreiung.



    Der Aufruf an die Regierung in Israel, endlich für die Befreiung aller Geiseln einzustehen, ist sehr wichtig, und ich hoffe die Veröffentlichung des Videos trägt dazu bei.



    Natürlich trägt alleine die Hamas die Verantwortung für die ausgeübte Gewalt und Brutalität.



    Die jetzige israelische Regierung und ihre Vorgänger*innen tragen jedoch ebenso die Verantwortung für Jahrzehnte struktureller und rassistischer Gewalt gegen Palästinenser*innen, in Form von Vertreibung, Besatzung, Abriegelung, Bombardierung, Folter.



    Das eine kann und darf nicht mit dem anderen aufgewogen werden. Wir sollten die jeweilige Gewalt anerkennen, ebenso wie die jeweilige Betroffenheit.



    Denn wie sie schreiben, rechtfertigt eine Gewalt nicht die andere. Das muss aber für alle Konfliktparteien gelten.

    • @soya:

      "Die jetzige israelische Regierung und ihre Vorgänger*innen tragen jedoch ebenso die Verantwortung für Jahrzehnte struktureller und rassistischer Gewalt gegen Palästinenser*innen, in Form von Vertreibung, Besatzung, Abriegelung, Bombardierung, Folter."

      Das ist nicht falsch, aber eben auch unvollständig. Auch die israelische Gewalt gegen die Palästinenser kam nicht aus heiterem Himmel, sondern hat ebenfalls eine Vorgeschichte. Von Beginn seiner staatlichen Existenz an musste sich Israel gegen die Versuche erst der arabischen Staaten, dann der Palästinenser zur Wehr setzen, das Land schlicht auszulöschen.

      Das es dabei zu Verbrechen kam, ist völlig unstrittig. Anders als etwa beim NS-Regime lag dem aber keine rassistische Ideologie zugrunde, sondern der schlichte Wille zum Überleben. Das ist aber auch der Grund, weshalb der immer wieder vorgebrachte Apartheids-Vorwurf so infam ist: Er ignoriert bewusst diesen zentralen Unterschied, eben weil er nicht analytisch, sondern ausschließlich propagandistisch gemeint ist.

    • @soya:

      Die jetzige israelische Regierung und ihre Vorgänger haben seit Staatsgründung mit Terror und Vernichtungskriegen der arabischen Nachbarn zu tun.

      Bevor wir "die jeweilige Gewalt anerkennen, ebenso wie die jeweilige Betroffenheit", muss klar benannt werden, was da anerkannt werden soll. Ohne Krieg der Araber gegen Israel 1948 und die seitdem andauernde Weigerung die Niederlage anzuerkennen, bleiben alle schönen Worte nur bedeutungslose Betroffenheitslyrik.

  • Leugner werden leugnen. Daran wird sich leider nichts ändern. Die Frage ist ob wir als Linke länger die Leugner tolerieren bzw. manchmal hat man das Gefühl sie sind in der Mehrheit, ich glaube eher dass sie lauter sind. Solidarität mit Israel klingt zugegeben für mich gerade auch nicht sehr verlockend, und differenzierte Sichtweisen gehen oft leichter unter.

    • @wirklich?:

      Ob wir als Linke länger die Leugner tolerieren?

      Viele Linke erklären sich gerade solidarisch mit ihnen oder leugnen mit.

      • @rero:

        Leugner tauchen in der öffentlichen Debatte so gut wie nicht auf. Sie sind nicht das Problem beim Gedenken an die Schlächtereien der Hamas.

        Das Problem, welches die Schlächtereien der Hamas in den Hintergrund treten läßt sind die völlig überzogenen Reaktionen der rechten israelischen Regierung gegen einenicht an den Schlächtereinen beteiligten Zivilbevölkerung.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Gestern Abend, während ich bei der jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main einen Vortrag über den Antisemitismus hielt, flackerten die Videos aus Nahal Oz auf Bildschirmen weltweit auf. Allerspätestens jetzt müsste es klar sein: Wer solche bestialischen Brutalitäten an unbewaffneten Nicht-Kombattantinnen begeht, darf weder als „Widerstandskämpfer“ noch als Friedenspartner legitimiert werden.

    Die israelischen Frauen in dem Gebäude waren zwar aktive Soldatinnen, aber auch Nicht-Kombattantinnen. Denn sie waren eindeutig zu dem Zeitpunkt Kriegsgefangene. Kriegsgefangene verlieren automatisch den Kombattanten-Status, und zwar gemäß Haager Landkriegsordnung und den Genfer Abkommen. Wo bleibt der Aufschrei woker Feministinnen über die toxische Männlichkeit der Hamas? Diejenigen, die sich sonst über Manspreading und Stehpinkler wutschäumend auslassen, kriegen die Zähne kaum auseinander, wenn es darauf ankommt, Solidarität mit Naama, Liri, Karina, Daniella und Agam zu bekunden. Anstatt dessen bringen sie ihre Lieblingsleitsprüche über die Lippen.

    Schlachtparolen wie „From the River to the Sea“ und „Intifada now“ fordern, fördern und feiern solche Verbrechen an der Menschheit.

    • @Michaela Dudley:

      Wer gegen den Genozid ist, ist nicht automatisch für die Hamas. Und wer gegen die Hamas ist, ist nicht automatisch gegen die Palästinenser, nicht wahr?

    • @Michaela Dudley:

      Ja!

    • @Michaela Dudley:

      Mit wem schließt mensch Frieden, mit den Freunden oder mit den Feinden (m/w/d)?



      Um den einfachen Gedankengang mal etwas ins Stocken geraten zu lassen.

      Und ich teile Ihren Hinweis auf das klare Verbrechen in bello. Das aber das Recht von palästinensischen Menschen auf ihren Staat und auf Gerechtigkeit ja nicht verändert.

    • @Michaela Dudley:

      Woke Feministinnen, Frauenrechts- und Hilfsorganisationen haben doch auch bei tanzenden Nicht-Soldatinnen ihre nicht vorhandene Solidarität unter Beweis gestellt und erst nach Wochen halbgare Verurteilungen der bestialischen Taten gestammelt. Judenhass ist und bleibt eine ganz besondere Pest

    • @Michaela Dudley:

      Kann ich nur so unterstreichen. Es macht einen fassungslos. Ich vermisse nicht nur den Aufschrei woker Feministinnen sondern der gesamten demokratischen Welt.

    • @Michaela Dudley:

      "Kriegsgefangene verlieren automatisch den Kombattanten-Status, und zwar gemäß Haager Landkriegsordnung und den Genfer Abkommen."



      Das ist Quatsch. Ihr Schutz beruht gerade auf ihrem Kombattantenstatus.

    • @Michaela Dudley:

      Genauso ist es. Danke!

      • @Patricia Jessen :

        Dem schließe ich mich an.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Patricia Jessen :

        Gerne! Danke vielmals für die solidarische Resonanz.

    • @Michaela Dudley:

      " Wo bleibt der Aufschrei woker Feministinnen über die toxische Männlichkeit der Hamas?"



      Es geht hier nicht um Feministinnenkampagnen, es geht hier um Kriegsverbrechen.



      Auch ansonsten erscheint mir bei Ihren Kommentaren der Aspekt der Eigenwerbung of nicht zu kurzzukommen...

  • „Im modernen Sprachgebrauch sollte das Wort Mädchen nur noch in der Bedeutung Kind weiblichen Geschlechts verwendet werden. In den weiteren veraltenden oder veralteten Bedeutungen gilt die Bezeichnung Mädchen zunehmend als diskriminierend.“(Duden online, 10/20)

    Auf dem Militäraußenposten beschäftigte und untergebracht Frauen sind Soldatinen.



    Das wird hier leider nur in der Bildunterschrift erwähnt.

    Erschreckend sind die Ereignisse in jedem Fall.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

    • @Gerald Müller:

      Ich kritisiere Frau Baerbock aus unterschiedlichsten Gründen, aber das grausame, terroristische Geschehen zum Anlass zu nehmen um unrichtige Behauptungen zu verbreiten, halte ich für schäbig.

      Gelder für Humanitäre Unterstützung von Palästinenser*innen sind etwas anderes als die von Ihnen unterstellte Finanzierung der Hamas.

      Jede Relativierung des terroristischen Überfalls der Hamas, egal ob von links oder rechts ist zu verurteilen. Terror und Gewalt gegen Frauen, Männer und Kinder ist durch NICHTS zu rechtfertigen.

      Kritik an Handlungen der Israelischen Regierung und Solidaritätsbekundungen mit leidenden Palästinensischen Zivilisten stehen dem nicht entgegen - Unmenschlichkeit - egal von wem gegen wen ist zu verurteilen.

  • Danke für diese klare Einordnung.

  • Sofern man die noch lebenden Geiseln frei bekommen möchte, scheint es nur eine Lösung zu geben: Verhandlungen. Einen anderen Weg sehe ich nicht.

    • @Ernie:

      Wenn nach der Befreiung aller Geiseln Sinwar und co zur Rechenschaft gezogen werden : ok. Sollte das nicht Bestandteil der Verhandlungen sein, wird es noch grausamer werden als bisher. Sowohl für die Geiseln und ihre Angehörigen als auch für die tatsächlich existierenden unschuldigen Zivilisten in Gaza. Ich sehe da keinen anderen Ausweg.

    • @Ernie:

      Und wenn man sicherstellen will, dass sich soetwas nicht wiederholt führt kein Weg an einer Beendigung der Hamas vorbei.

      Also erst verhandeln und dann zerschlagen.