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Klimaforscher Grimalda verliert ProzessKein Recht auf CO2-armes Reisen

Ihm wurde gekündigt, weil er nicht mit dem Flugzeug fliegen wollte. Nun erlitt der Klimaforscher Grimalda auch vor dem Arbeitsgericht eine Niederlage.

Klimaneutrale Rückreise: Grimalda auf einem Boot auf der Pokpok-Insel Foto: privat

Berlin taz | Im Nachtzug war Gianluca Grimalda von Italien nach Kiel gefahren – und hatte noch optimistisch auf X geschrieben: „In Papua habe ich gelernt, dass es keinen Konflikt ohne Lösung gibt“.

Doch der Sozialwissenschaftler und Klimaforscher, der seinen Job verlor, weil er nicht fliegen wollte, hat seine Klage auf Wiedereinstellung vor dem Arbeitsgericht in Kiel verloren.

Er sei „enttäuscht und frustriert“, schrieb Grimalda am Freitag auf X. Der Richter habe sein „Recht auf CO2-armes Reisen nicht anerkannt“. Es sei ein „Urteil aus dem tiefsten Anthropozän der vordigitalen Ära“.

Im vergangenen Oktober hatte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) Grimalda entlassen. Er war nicht zum gesetzten Zeitpunkt von einer Dienstreise wiedergekommen. Um die Frist einzuhalten hätte er das Flugzeug nehmen müssen. Das aber verweigerte Grimalda mit Verweis auf die Klimakrise.

Über 9.400 unterzeichnen Grimalda-Petition

Zuvor hatte er sieben Monate in einer autonomen Provinz von Papua-Neuguinea verbracht, um die Auswirkungen von Globalisierung und Klimawandel auf den sozialen Zusammenhalt zu untersuchen. Dabei war es zu Verzögerungen gekommen, woraufhin ihm sein Institut die Frist für die Rückreise setzte.

Er bevorzugte dennoch die klimafreundliche Rückkehr mit Bus, Bahn oder Schiff. Die 28.000 Kilometer lange Reise durch 16 Länder dauerte über zwei Monate. Erst am 25. Dezember kam Grimalda in Mailand an. Nun verlangte er vor Gericht die Rücknahme der Kündigung und eine Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses – mit der Begründung, dass er seine Arbeitsaufgaben auch während der Rückreise nach Deutschland hätte erfüllen können.

Der klimafreundliche Rückweg des standhaften Klimaforschers erzeugte ein breites Medienecho. Mehr als 9.400 Menschen unterzeichneten eine Petition für die Wiedereinstellung von Grimalda.

In einer Serie schilderte Grimalda in der taz seine teilweise abenteuerliche Rückreise – und seine Gedanken dabei: „In den vergangenen Monaten habe ich mich so verletzlich gefühlt, wie lange nicht mehr“, schrieb er nach seiner Ankunft in Italien am ersten Weihnachtsfeiertag. „Ich habe meinen Job verloren. Die Rückreise aus Papua-Neuguinea hat mich einen Großteil meines Ersparten gekostet. Ich musste Freun­d:in­nen um Kredite bitten.“

Auch Scientist Rebellion habe Spenden für ihn gesammelt, insgesamt über 1.700 Euro. Die Gruppe besteht aus Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und hat sich aus dem Umfeld der Klimabewegung Extinction Rebellion heraus gebildet.

Der Richter schlug in einem Vergleich die Zahlung von zwei Monatsgehältern als Kompromiss in dem Rechtsstreit vor. Grimalda lehnte das jedoch ab. Das IfW wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Verfahren äußern. Grimalda will sich nun überlegen, ob er rechtlich gegen die Entscheidung des Gerichts vorgeht. Es sei „noch unklar“, ob er 9.000 Euro für Prozesskosten zahlen muss.

„Es ist außergewöhnlich, dass ein Forschungsinstitut einen Forscher entlässt, weil er seine Arbeit zu gewissenhaft macht und während eines Klimanotstands nicht fliegt“, sagte Julia Steinberger, Professorin für gesellschaftliche Herausforderungen des Klimawandels an der Universität Lausanne und eine der Au­to­r:in­nen des letzten Weltklimaberichts, laut einer Mitteilung von Scientist Rebellion. „Die Entlassung von Gianluca durch das IfW Kiel scheint vor allem eine Vergeltungsaktion für seine frühere Teilnahme an Protesten des zivilen Ungehorsams gegen den Klimawandel mit Scientist Rebellion zu sein.“

„Es ist ungewöhnlich, dass jemand so lebt, als seien die Fakten des Klimakollapses real. Gianluca tut es“, sagte Molekularbiologin Nana-Maria Grüning. „Das ist bemerkenswert in einer Gesellschaft mit einem so hohen Grad an Verdrängung. Populistische Po­li­ti­ke­r:in­nen kriminalisieren Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen statt unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Dass das IfW einen Mitarbeiter dafür bestraft, dass er sich an der physikalischen Realität orientiert, ist ein Skandal und für eine wissenschaftliche Institution mehr als beschämend.“

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27 Kommentare

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  • Die Reaktion des Arbeitgebers ist schon sehr eigenartig. Würde man Wert auf Herrn Grimaldi legen, hätte man höchstens 1-2 Monate Gehaltsverzicht verhandelt.



    Es gab wohl noch andere Gründe.

  • Aber das Gespräch am 27. September verläuft anders als erwartet. Neben seinem Vorgesetzten sind auch der Präsident des Instituts und die Direktorin anwesend. Von ihnen kommt ein Ultimatum: Entweder Grimalda sitzt am nächsten Montag an seinem Schreibtisch in Kiel oder er ist seinen Job los.…



    Er sieht das Ultimatum als Angriff auf seine Würde, seine Werte in der Klimakrise. Er weigert sich zurückzufliegen.“



    Im vergangenen Oktober hatte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) Grimalda entlassen. Er war nicht zum gesetzten Zeitpunkt von einer Dienstreise wiedergekommen. Um die Frist einzuhalten hätte er das Flugzeug nehmen müssen. Das aber verweigerte Grimalda mit Verweis auf die Klimakrise.“

    Frag nur mal - ein Vorgang - der das Zeug hatte - für ein Ruhmesblatt für das Institut! Woll

    Das Kiel Institut für Weltwirtschaft gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren. Es blickt auf eine reiche, wechselvolle Geschichte zurück, in der sich seine wissenschaftliche Arbeit stets sowohl an den politischen Strömungen als auch den weltwirtschaftlichen Herausforderungen der jeweiligen Epoche ausgerichtet hat. Seit seiner Gründung besitzt es hohe Reputation in der theoretisch fundierten und empirisch gestützten Bearbeitung aktueller weltwirtschaftlicher Fragen. Diese Reputation büßte es in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft vorübergehend ein, als es sich während der NS-Zeit in den Dienst des Regimes stellte.

    Regelt es stattdessen ohne Not per ordre Mufti!



    Vllt doch bis heute immer noch das Föhrerprinzip zu sehr internalisiert?!

    unterm——servíce——-



    www.ifw-kiel.de/de...chte-des-ifw-kiel/



    Da dämmerte dem lübschen Jung doch was im Hinterkopf.

  • Um einen solch konsequenten Kollegen werden sich doch sicherlich viele Institutionen und Organisationen reißen! Hat die taz ihm schon ein Angebot gemacht?

  • Wie ist der Mann eigentlich bis Singapur gekommen, und war der CO2-Ausstoss in dem Schiff oder Boot wesentlich niedriger als mit einem Flieger? Das war wohl auch der größte zeitlich Bremser, in Ostasien gibt es ja recht schnelle Züge.

  • Ist er jetzt Sozialwissenschaftler oder Klimaforscher?

  • Manchmal siegt eben doch noch die Vernunft über ideologiebasiertes Verhalten. Recht so.

  • Wie ist denn Herr Grimalda nach Papua gekommen, sicher nicht klimaneutral und auch nicht mit dem Tretboot, sonst hätte der Arbeitgeber schon früher gekündigt. Sehr spontaner Sinneswandel.

    • @ Günther:

      Nein eben nicht.



      Er ist schon entsprechend langsam hingereist, und die lange Rückreise war ebenfalls geplant. Das Projekt hat sich verzögert und der Arbeitgeber dachte sich, wie gut dass da ein Puffer ist, den man durch Flugreise nutzen kann.

  • Nicht alle Klimaaktivisten nehmen



    CO2-Vermeidung beim Reisen so ernst, jedenfalls wenn es in den Urlaub geht.

  • Es ging darum das der Arbeitnehmer pünktlich wieder an seinem Arbeitsplatz ist. Wie er das macht ist dem Arbeitgeber egal. Der Mann wurde gekündigt weil er nicht rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz war, ein Kündigung weil er kein Flugzeug nutzt hätte ein Gericht wohl nicht durchgehen lassen.

    Meinem Arbeitgeber wäre es auch egal wenn ich jeden Morgen 100 KM mit dem Rad zur Arbeit fahre. Nur wenn ich jeden Tag eine Stunde zu spät komme wird der mich wohl kündigen.

    • @Martin Sauer:

      Wie der Arbeitnehmer wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkommt sollte dem Arbeitgeber nicht egal sein. Besonders nicht beim Kieler Institut für Weltwirtschaft. Schließlich befand sich der Mitarbeiter auf Geschäftsreise.



      Mit etwas Sinn für die Forschung könnte das Kieler Institut für Wirtschaft das aufgeworfene Problem in ihre Arbeit integrieren können.

      Ihr Vergleich hinkt schwer, denn Ihr Arbeitgeber wird Sie sicher nicht kündigen nur weil sie jeden Tag eine Stunde zu spät kommen. Denn die Folge wäre wohl eher, Sie müssten dann eben 1 Stunde länger arbeiten. Gleiches könnte das Kieler Institut für Weltwirtschaft im vorliegendem Fall einfordern, wenn sie ihren Mitarbeiter ernsthaft halten wollte. Dann werden die Fehlzeiten eben über eine längere Periode abgerechnet, oder anderweitig ausgeglichen. Da gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten.



      Vermutlich stecken hier andere Beweggründe hinter der Kündigung. Letztlich "uraltes", überholtes Denken über den Umgang mit Welt und Wirtschaft. Letztlich ein Armutszeugnis des Arbeitgebers, der diesen Streit nicht anders zu lösen in der Lage ist, als vor Gericht zu ziehen und einem (ehemaligen) Mitarbeiter das Leben unnötig zu erschweren.



      Eine Beauftragung des Kieler Instituts für Wirtschaft mit Themen zu Welt und Wirtschaft sollten wir uns zukünftig gut überlegen, die Expertise scheint nicht state of the art zu sein.

      • @Sonnenhaus:

        Wäre es eine Geschäftsreise, dann stünde dem Arbeitgeber durchaus zu bei der Wahl der Rückreise mitzubestimmen, denn die Reise/Fahrtwege werden vom Arbeitgeber übernommen. Und in dem Zusammenhang wäre der Flug günstiger gewesen.

        Also wenn ich ständig 1 Stunde zu spät zur Arbeit komme, dann werde ich gekündigt! Oder wie stellen sie sich das als Pfleger vor, dass man dann einfach eine Stunde zwischen den Schichten leer lässt. Oder als Lokführer, Kassierer, Rettungsschwimmer, Pilot...



        Regelmäßig Zuspätkommen führt immer zur Kündigung. Auch in Bürojobs.

        Das Institut ist eines für Welt und Wirtschaft und nicht für Klimaschutz. Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun. Und als Wirtschaftsinstitut muss man die 2 Monatige Reise von Grimalda als Unwirtschaftlich einstufen. Denn die dürfte ein Vielfaches des Fluges gekostet haben

    • @Martin Sauer:

      Die zweimonatige Rückreise war von Anfang an geplant. Er kam zu spät, weil es während des Projektes Verzögerungen gab.

      • @Herma Huhn:

        Das kann man dem Text nicht entnehmen. Dass der AG eine zweimonatige Rückreise genehmigt hat

        • @Ahnungsloser:

          Das konnte man der Geschichte, die hier über Monate erzählt wurde, entnehmen.

  • "Er sei „enttäuscht und frustriert“, schrieb Grimalda am Freitag auf X. Der Richter habe sein „Recht auf CO2-armes Reisen nicht anerkannt“. Es sei ein „Urteil aus dem tiefsten Anthropozän der vordigitalen Ära“."

    --> Da ist sie wieder, die gute alte Richterschelte, wenn das Luftschloss, dass man sich gebaut hat, zusammenfällt. Woher soll den das "Recht auf CO2-armes Reisen" herkommen? Fast jedes Recht muss irgendwo kodifiziert sein, damit es angewendet werden kann. Jedenfalls mir ist aber ein Anspruch auf eine zweimonatige Reise quer um den Globus nicht bekannt. Noch jedenfalls gibt es kein Recht auf Home-Office bzw. Mobiles Arbeiten (will Herr Heil ja seit Jahren einführen - wobei sich auch hier der Entwurf auf ein paar Tage pro Monat beschränkt).

    Im Gegenteil. Üblicherweise hat der Arbeitgeber ein Recht darauf den Arbeitsplatz zu bestimmen. Wenn der Arbeitgeber sagt: "Du sitzt am Montag 9.00 Uhr auf deinem Bürostuhl!", gibt es wenige Angestellte, die sich dem verweigern dürfen. Angesichts dessen war das Urteil fast zwingend. Herr Grimalda hat natürlich jedes Recht hiergegen Berufung und ggf. Revision einzulegen und am Ende Verfassungsbeschwerde und Beschwerde zum EGMR zu erheben. Meine Prognose dafür: Wird alles erfolglos sein. Er hat sich einer klaren Dienstanweisung seines Arbeitgebers widersetzt, das rechtfertigt üblicherweise eine fristlose Kündigung.

  • „In Papua habe ich gelernt, dass es keinen Konflikt ohne Lösung gibt“. Angesichts der Nachrichten, dass in Papua wurden erst letzte Woche 50 Menschen bei Konflikten zwischen indigenen Stämmen ermordet wurden, ist dieses Statement vielleicht ein wenig zynisch?

    • @Nisse:

      Vorallem weil diese Konflikte dort seit der Steinzeit laufen.

    • @Nisse:

      Niemand hat gesagt dass die Lösung gut ist

  • Unglaublich - dachte er wirklich, dass er mit der Klage durchkommt?



    Auf welcher Basis hätte das bitte schön klappen sollen?

    • @Andere Meinung:

      Denkbar wäre beispielsweise, dass die nur ala ultima ratio wirksam sein könnte. Das mildere Mittel hätte Fernarbeit oder unbezahlter Urlaub sein können.

      Weiterhin denkbar ist, dass die Kündigung wegen des Maßregelungsverbot § 612a,134 BGB nichtig sein könnte.

      Das hinge aber an vielen Details und wird in so einem Fall sicher von keinem ArbG positiv beschieden. Die Sache riecht nach BAG.

      Ulkiges Detail: der Mann ist anscheinend Verhaltensökonom.

      Die Kosten des Verfahrens dürften ihre Ursache wohl hauptsächlich in seinen Anwaltskosten haben.

    • @Andere Meinung:

      "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

  • Den worten von Frau Grüning, kann mann nur zustimmen.

    • @Berglandraupe:

      Wieso (kann mann nur zustimmen) ?



      Ich stimme Frau Grüning nicht zu.

      Im Übrigen: ich bin froh, in einem Rechtsstaat zu leben, in dem die Richter Recht anhand von Rechtsparagraphen sprechen, und nicht aus einem "Recht auf CO2-armes Reisen".

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Sorry, aber das ist schon eine reichlich infantile Begründung der Arbeitsverweigerung. Und wo kommen die Euro 9.000 Verfahrenskosten her? Die Verfahrenskosten des Arbeitgebers muss er ja nicht tragen, § 12a ArbGG.

    • @47351 (Profil gelöscht):

      Das ist im Übrigen keine Arbeitsverweigerung. Er hätte seinen Aufgaben nachkommen können, und sogar das Institut hat bestätigt das es nichts dringendes gab, was seine beschleunigte Rückkehr notwendig gemacht hat. Es geht dem Institut einzig ums recht haben - typisch deutsch eben

    • @47351 (Profil gelöscht):

      Zitat " Es sei „noch unklar“, ob er 9.000 Euro für Prozesskosten zahlen muss."

      Das heißt es gibt noch keinen Kostenfestsetzungsbescheid.