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FDP blockiert schon wieder ein GesetzAlarm um den gelben Sack

Offenbar plant Finanzminister Lindner wieder, auf den letzten Metern ein EU-Gesetz zu verhindern. Diesmal geht es um neue Vorgaben für Verpackungen.

Verpackt in gelbe Säcke, wartet der gesammelte Plastikmüll auf seine Wiederverwertung Foto: Rolf Poss/imago

Berlin/Rom taz | Unternehmen und Wirtschaftsverbände kritisieren Finanzminister Christian Lindner (FDP) für einen Deal, den dieser offenbar mit der italienischen Regierung plant. Demnach hat Lindner laut einem nicht dementierten Bericht von Table Media abgesprochen, die Verpackungsverordung der EU zu blockieren, wenn die Regierung Italiens dafür hilft, das EU-Lieferkettengesetz zu verhindern.

Die Verpackungsverordnung wird derzeit in einem Trilogverfahren zwischen Rat, Parlament und Kommission abschließend verhandelt. Sie macht unter anderem europaweite Vorgaben über die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, schreibt Quoten für Mehrwegflaschen oder den Einsatz von Recyclingmaterial in Plastikverpackungen vor. Damit will die EU den wachsenden Berg von zuletzt fast 85 Millionen Tonnen Verpackungsmüll jährlich abtragen.

Auf europaweite Regeln dafür warten Unternehmen dringend. „Wer den europäischen Markt beliefert, braucht einheitliche Gesetze“, sagt Timothy Glaz. Er ist Leiter Corporate Affairs des Mainzer Mittelständlers Werner & Mertz, der für Marken wie Frosch und Erdal bekannt ist. „Kommt die Verpackungsverordnung nicht, müssen wir weiter mit viel Bürokratie und hohen Kosten arbeiten“, so Glaz. Um die Innovations- und Investitionsbereitschaft der Verpackungs- und Konsumgüterindustrie auf den europäischen Märkten zu erhalten, brauche es „schnell gesamteuropäische Regeln“. Gerade der Mittelstand brauche Planungssicherheit.

„Ein Scheitern dieser Verordnung wäre ein herber Rückschlag für eine innovative Branche, die aktuell mit einem wahren Flickenteppich an Vorgaben konfrontiert ist“, sagt auch Carl Dominik Klepper, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU). In der AGVU vereinen sich große Unternehmen und Verbände der Lebensmittel- und Konsumgüter- und Recyclingbranche, etwa Aldi Süd, Coca Cola, Ferrero und der Grüne Punkt. Die Verpackungsverordnung dürfe keinesfalls zum Spielball politischer Interessen werden, so Klepper.

„Nicht im Interesse der Umwelt“

Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft BDE sieht die Branche in „Alarmstimmung“ und hat Lindner am Mittwoch einen offenen Brief geschickt. Demnach liege es „nicht im Interesse der Umwelt, des Europäischen Binnenmarktes, der europäischen Verbraucher und vor allem nicht im Interesse der deutschen Recyclingwirtschaft“, die Verpackungsverordnung zu blockieren.

Das sieht die italienische Regierung anders. In Rom stößt man sich vor allem daran, dass die Normen zur Wiedernutzung von Verpackungen deutlich verschärft und bestimmte Einmalverpackungen verboten werden sollen. In italienischen Supermärkten finden sich häufig in Plastik abgepackte, zum Konsum bereite Salatmischungen, die einfach in die Schüssel gegeben werden müssen, während die Verpackung im Müll landet. Statt auf „riuso“ – erneute Nutzung – setze man in Italien eben auf „riciclo“ – Recycling – heißt es. Mehrweglösungen sind beim Leergut kaum präsent, Mineralwasser wird in Plastiklaschen gekauft. Die Flasche kommt in den Abfall, genauso wie Getränkedosen. Pfandsysteme, ob bei Glas, Metall oder Plastik, gibt es nicht.

Dafür rühmt sich das Land seiner hohen Recyclingquoten. Pro Jahr entstehen 2,3 Millionen Tonnen Plastikmüll, davon werden 1,26 Millionen Tonnen per Mülltrennung erneuter Verwertung zugeführt. 11 Milliarden Euro habe Italien in den Jahren 2002 bis 2021 fürs Recycling investiert, beklagt die EP-Abgeordnete Silvlia Sardone von der rechtspopulistischen Lega, die in Rom die Regierung unter Giorgia Meloni mitträgt.

Mehr noch: Das Verbot von Einwegverpackungen berge ­Hygienerisiken. Und der Landwirtschaftsverband Coldiretti beschwert sich, es drohe ein die Volksgesundheit bedrohender Rückgang des Verbrauchs von Obst und Gemüse, wenn die Produkte nicht verzehrfertig in Plastik eingehüllt werden dürften. Aber es ist keineswegs nur Italiens Rechte, die sich gegen die EU-Verordnung stellt. Auch Achille Variati, EP-Abgeordneter der gemäßigt linken Partito Democratico, will vom Umswitchen weg von Einmal- hin zu Mehrwegpackungen nichts wissen.

Er behauptet, Mehrweg sei umweltschädlich, „wegen des hohen Wasserverbrauchs“. Auch künftig will das Land laut Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin, der von einem „erfolgreichen italienischen Modell“ spricht, weiter auf Recycling setzen. Schließlich ist von einem Wirtschaftssektor die Rede, der 236.000 Menschen beschäftigt und eine Wertschöpfung von jährlich 10.5 Milliarden Euro aufweist.

Die nächste, vermutlich finale Verhandlungsrunde im Trilogverfahren ist auf den 4. März terminiert. Danach müssen dem Gesetzestext Rat und Parlament zustimmen. Inhaltlich zuständig in der Bundesregierung ist Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Zuletzt hatten FDP-geführte Ministerien aber immer wieder EU-Vorhaben auf den letzten Metern gestoppt.

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19 Kommentare

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  • „... In italienischen Supermärkten finden sich häufig in Plastik abgepackte, zum Konsum bereite Salatmischungen, die einfach in die Schüssel gegeben werden müsse…“ .

    Das wurde sicherlich sehr gut recherchiert und mit dem deutschen Kaufverhalten verglichen, …oder?

  • Es wäre eine wesentliche Vereinfachung für den Journalismus, würde über die FDP nur in Fällen von verstandgesteuerten Aktionen berichtet. Man könnte es gleich auf die CSU und -



    ach was, das ginge jetzt zu weit...

    • @Erfahrungssammler:

      Verstandsgesteuerte Aktionen von der FDP? Cannabis gibt's doch erst ab April oder so....

  • Ich weiss ja nicht, welche der beiden Ironien finsterer ist: dass die sog. "Liberalen" mit den Postfaschisten machen (ich weise ja immer auf die Seelenverwandschaft hin) oder dass Lindner immer "gegen Bürokratie" ist, ausser, wenn er dafür ist, wie hier.

    Der Haufen muss aus der Regierung. Der versaut uns gerade die Zukunft.

    • @tomás zerolo:

      Ich bin auch der Meinung , eine „ wir -wollen -das -aber -nicht -Partei“ braucht keiner. Haben die keinen Eid abgelegt , dass sie dem Land nicht schaden wollen? Anscheinend haben Die Herren Lindner und Co gefehlt als es darum ging.

  • Gelbe Säcke den blauen vor die Türe legen? Wäre das nicht etwas für die "Kleber" oder "XR"? Sagt bescheid, ich sammle schon mal. Aber wo bekomm ich den Gelben denn? So etwas haben wir nicht. Nur Mehrweg und Container.



    Ich füll dann schon mal den Keller damit, vielleicht könnt ihr dann noch ein paar gelbe Säcke mitliefern mit dem Aktionsaufruf, mit Bankverbindung. Meine Spende ist Euch sicher.

    • @Sonnenhaus:

      Hier in Niedersachsen bekommen wir den gelben überall im Einzelhandel oder den Rathäusern für Umme!;O)

  • Tscha, da läuft gerade die pure Verzweiflung Amok. Der Mann versucht mit allen Mitteln sein "heißgeliebtes" Amt für sich zu beanspruchen und driftet unaufhaltsam ins politische Nirwana......Ironie aus!

  • Die Lindner FDP benimmt sich eindeutig wie der Feind der Ampel. Die wollen das Platzen der Ampel provozieren um auszusteigen Aber sie sind zu feige selbst zu kündigen. Verlogener geht es nimmer! Halt typisch FDP.

  • Man sollte Kanzler Scholz für amtsunfähig erklären, wenn er nicht auf der Stelle Lindner aus der Regierung raus wirft.

  • Kann mal jemand die FDP aus der Regierung nehmen?

  • In Italien ist die Mafia beim Müll immer mit dabei. Leider.



    Mit Recycling und dem umdefinieren einzelner Abfallfraktionen oder dem unsauber etikettierten Export lässt sich viel Geld verdienen.



    Und wenn man sich nicht beteiligt, dann lässt der Zoll blöderweise genau deine Container nicht verschiffen und kontrolliert.... demnächst mal.

    Das Lieferkettengesetz fände ich als VW China auch doof. Oder als bulgarischer Glasfaserkabelverleger....

    Was kommt als nächstes?



    Krimsekt und Echter Kaviar für Sylt?

  • Dann bringen wir jetzt halt unseren Müll zum nächsten FDP-Büro.

    • @Florian Henig:

      Aber bitte nur gelbe Säcke, nur die passen auch wirklich dort hin.

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Gunnar Grannis:

        Die sind schon da.



        Oder etwas platt: „Ick bün all hier!“ säch de Swinegel



        de.wikipedia.org/w..._Hase_und_der_Igel



        Jedes Märchen hat einen wahren Kern.

    • @Florian Henig:

      Spitzenidee!

  • Lindner deckt das komplette Parlament ab. Regierung und Opposition in einem. Vermutlich glaubt er so Diäten sparen zu können, wenn nur noch er die Richtung vorgibt und alle anderen überflüssig macht. Stellt er sich noch öfter gegen die Interessen der Industrie,wird das nichts mit einem Posten in selbiger,wenn seine Karriere zu Ende ist.

    • @fmraaynk:

      Da haben Sie aber die Familie Porsche vergessen.



      Ein Pöstchen dort ist schon ausgemacht.



      Der Firmenwagen wurde schon übergeben - natürlich ein Verbrenner - efuel-ready versteht sich. Den Sprit muss Christian aber nicht kaufen, den bekommt er über Direktimport aus Chile von Bosch geliefert, 100% gefördert vom Forschungsministerium. Beziehungen braucht der Mensch, andernfalls fragen sie Ihren Arzt oder Apotheker.

    • @fmraaynk:

      Kann mir durchaus vorstellen, dass für Unternehmen das Lieferketten Gesetz weitaus kostspieliger ist als die Verpackungsnormen. Leben zählen für ein paar Menschen nicht so viel wie Profit, wie man sie nennen mag, ist ihnen überlassen.