piwik no script img

AfD-Kandidat in Thüringen verhindertKeine andere Wahl

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Die Wahlen im Kreis Saale-Orla in Thüringen zeigen: Ein Bündnis gegen die AfD ist möglich. Der Preis ist aber, auch rechte CDU-Kandidaten zu unterstützen.

Schleiz, Saale-Orla-Kreis, 28.01.2024: Christian Herrgott und Mario Voigt (beide CDU) erwarten das Wahlergebnis im Landratsamt Foto: Jacob Schröter/imago

E s sprach wenig für diesen demokratischen Erfolg im Saale-Orla-Kreis in Thüringen. Denn der ländliche Landkreis ist eine Rechtsaußenbastion: Die in Thüringen als erwiesen rechtsextrem eingestufte AfD holte dort bereits zur Bundestagswahl knapp 30 Prozent der Stimmen, mehr als alle anderen. Im Landkreis ist eine Reichsbürgerszene aktiv, die schon bei Anti-Asyl- und Coronaprotesten auffiel, auf Plakaten Po­li­ti­ke­r*in­nen in Sträflingskleidung verunglimpfte. Und auch bei der Landratswahl lag AfD-Mann Uwe Thrum, der genau in dem Milieu verwurzelt ist, im ersten Wahlgang vorn. Der zweite sollte für die AfD zum Erfolgsbooster fürs Wahljahr 2024 werden. Wird er nun aber nicht.

Das lässt hoffen. Wenn selbst in diesem Landkreis ein Erfolg möglich ist, dann geht auch noch was bei der Thüringer Landtagswahl im Herbst, die einige schon als AfD-Durchmarsch abgehakt haben. Aber klar ist: Es war ein hart errungener Erfolg der Demokrat*innen. Schon vor Wochen begann das Bündnis „Dorfliebe für alle“ Kundgebungen zu organisieren, auf wenig wohlgesinntem Terrain. Dennoch sammelte es per offenem Brief 1.600 Unterstützende ein, vom Kirchenkreismitglied bis zum Gasthausbetreiber.

Zudem warben SPD, Grüne und auch die Linke vor der Stichwahl, nicht für AfD-Mann Thrum zu stimmen – und damit indirekt für den CDU-Gegenkandidaten Christian Herrgott. Kein einfacher Schritt für die Parteien, denn Herrgott trat mit Parolen wie „konsequentes Abschieben“ oder „Bürgergeld abschaffen“ an. Am Ende halfen vielleicht auch die Anti-AfD-Großproteste, bei denen Hunderte auf die Straße gingen.

Mobilisierung der eigenen Leute

Dass vielen klar war, um wie viel es geht, zeigt die ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung von 68 Prozent. Am Ende hat es knapp gereicht, um die AfD zu schlagen. Aber auch die Rechtsaußenpartei konnte im zweiten Wahlgang noch einmal zulegen. Das Abwerben von AfD-Sympathisant*innen ist den De­mo­kra­t*in­nen nicht gelungen – wohl aber die Mobilisierung der eigenen Leute. Damit schafft die Landratswahl vor allem Klarheit: Sie zeigt auf, wer wo steht. Wie knapp die Sache ist. Und worauf bei den künftigen Wahlkämpfen fokussiert werden sollte.

Gerade für die gesellschaftliche Linke aber wird dieses Jahr damit zur doppelten Kraftprobe. Denn beginnend mit den weiteren Kommunalwahlen ab Mai bedeutet das, immer neue Lokalbündnisse zu schmieden – und im Zweifel in Stichwahlen immer wieder für CDU-Leute werben zu müssen. Wenn das am Ende aber das Regieren von Rechtsextremen verhindert, die das demokratische System zersetzen wollen, bleibt keine andere Wahl. Und der Saale-Orla-Kreis zeigt: Noch ist nichts verloren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • Das sehe ich fast genau so. Leider ist der Denkfehler verbreitet, es ginge nur oder hauptsächlich darum, ob die AfD als Partei in eine Regierung kommt, oder dass dieser Höcke als Politiker irgendwelche Ämter innehaben dürfte. Nein, es geht darum, dass das menschenverachtende Gedankengut von Höcke, Krahl, Kubitschek bereits in fast alle Richtungen in die Gesellschaft einsickert, die lange diesen Mist sorgsam in der Rechtsaußenecke eingekapselt hatte.



    Die AfD hat schon zum Kotzen viele politische Erfolge innerhalb und außerhalb der Parlamente erzielt, ohne nennenswert Ämter zu haben. Das müssen wir endlich verstehen. Deshalb ist ein Wahlerfolg eines CDU-Mannes mit AfD-Parolen kein Gewinn für unsere Demokratie sondern nur eine schwache Beruhigungspille.

  • Wenn die CDU das AfD-Programm übernimmt und umsetzt, ist das am Ende auch nicht besser: Ob das nun als christlich oder nationalistisch verkauft wird, spielt keine Rolle. Haupstsache fremdenfeindlich und egogistisch!

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Das kommt von dem pseudo-demokratischen Blödsinn zB. Landräte und Oberbürgermeister direkt wählen zu lassen. So muss in Zukunft weiterhin damit gerechnet werden das Kandidaten als kleineres Übel gewählt werden - was ist das bloß für eine "repräsentative" Demokratie? Entweder repräsentative oder direkte Demokratie - eine Mischung aus beidem ist weder "Fisch noch Fleisch" und höhlt die Demokratie aus und nützt nur "beliebigen" Trittbrettfahrern!



    Als Befürworter einer "reinen" direkten Demokratie ist mir meine Stellungnahme nicht leicht gefallen.

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Hä? Wie würden Sie denn in der „‚reinen‘ direkten Demokratie“ eine Leitungsposition sonst bestimmen lassen, als wenn nicht durch eine Wahl? Oder soll für jeden Verwaltungsakt erst eine Volksabstimmung abgehalten werden, damit es gar keine Leitungspositionen mehr bräuchte?

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Die Mehrheit sind in der Regel nicht die intelligenten. Daher sind Mehrheitsentscheidungen nicht immer gut für die Menschheit. Die Klimakatastrophe nehmen zwar alle wahr, aber Konsequenzen, womöglich im eignen Verhalten? Niemals. So schlimm ist das ja nicht. Andere sind viel schlimmer! Und die Technik wird es schon richten!

  • @AHNUNGSLOSER

    Nun, weil sie inhaltlich wie ideologisch leider oft ziemlich grosse Schnittmengen haben?

    • @tomás zerolo:

      Dieses berühmte Potsdamer Treffen war Afd und Cdu. Letztere haben sich da nur rausgemogelt.

      • @Frank Klausen:

        Auf dem Treffen war genau 1 CDU-Mitglied. Das keinerlei Relevanz in der Partei hat. Wohingegen diverse hochrangige Funktionäre der Neubraunen anwesend waren



        Was Sie hier verbreiten ist entsprechend Rechtsaußen-Desinformation.

  • Ich verstehe nicht so richtig warum hier die CDU der AFD gleichgesetzt wird.



    Die CDU gewinnt zumindest gegen die AFDeppen.



    Wo sind die Grünen und SPD Kandidaten die gegen einen AFDler gewinnen können?

    • @Ahnungsloser:

      Ich finde die Stelle nicht wo die gleich gesetzt werden?!

      Steile These btw, der CDU-Mann hat auch nur mit den Stimmen aller demokratischen Parteien gewonnen.



      Grünen und SPD-Bashing hilft nicht weiter. Dieses gegenseitige Bashing muss aufhören, das nutzt nur der AGD.

      • @Mukmuk:

        Hier gibt es genügend Kommentare, die CDU und AFD gleichsetzen. Und ich bashe nicht, ich wundere mich nur. Die einzig „guten“ Parteien spielen derzeit keine Rolle.

  • Der Preis ist aber, auch rechte CDU-Kandidaten zu unterstützen.

    Oder anders herum, siehe Thüringen ist der Preis für die CDU, die Nachfolgepartei der SED auf den Ministerpräsidententhron zu hieven.

    Es ist ein gutes Zeichen dass Linkspartei und CDU sich da zusammenraufen. Gefährlich sind jene, die einen Keil dazwischen treiben wollen.

  • Es hat also ein CDU-Kandidat mit nicht unwesentlichen Teilen des AfD-Programms eine Wahl gewonnen, und die AfD konnte auch noch zulegen. Ich erkenne den Erfolg für die Demokratie nicht richtig, weil da zuviel rosarote Wölkchen das Bild unscharf machen.



    Mein Eindruck ist, dass mit vielen Äußerungen von Herrn Herrgott, Herrn Aiwanger, Herrn Merz, Herrn Söder aber auch mit manchen Äußerungen von Herrn Scholz, Frau Faeser die AfD, ihre Vorfeldorganisationen, die Identitären und wie sie alle heißen, bzw. sich selbst nennen, schrittweise dazugewinnen: Aufmerksamkeit, Einfluss, Macht. Ein Landrat mehr oder weniger ist nicht unwichtig. Viel wichtiger wäre es, die politischen Ziele der AfD nicht tiefer einsickern zu lassen in die eigenen Köpfe, in die eigene Weltsicht, in die eigene Programmatik, in die Gesellschaft und mitzuwirken, diese Ziele sich dort nicht ausbreiten zu lassen. Diese klare Abgrenzung, so scheint mir, fehlt bei den aktiven, demokratischen Parteien außer gerade noch bei den Grünen und bei den Linken.

    Darüberhinaus kann ich immer noch nicht nachvollziehen, warum diese Bundesrepublikanische Gesellschaft es nicht schafft, sich von dem Begriff Volk zu trennen und stattdessen von Bürgern dieses Landes zu sprechen. Es gibt kein deutsches Volk. Das war, ist und bleibt ein Hirngespinst und sollte sowohl vom Bundestagsgebäude als auch aus unserer Verfassung zusammen mit dem Begriff Volkszugehörigkeit verschwinden.

    • @Christian Götz:

      Ich denke auch, das Potsdamer Bündnis war sicher nicht das letzte seiner Art.

    • @Christian Götz:

      "Darüberhinaus kann ich immer noch nicht nachvollziehen, warum diese Bundesrepublikanische Gesellschaft es nicht schafft, sich von dem Begriff Volk zu trennen und stattdessen von Bürgern dieses Landes zu sprechen. Es gibt kein deutsches Volk."

      Das was Sie Volk nennen (oder auch Bürger), versteht sich (abgesehen von den Torfköpfen, ganz am rechten Rand) mehrheitlich schon lange nicht mehr als Herkunftsgemeinschaft, sondern als Interessengemeinschaft. Vollwertiges Mitglied kann (unabhängig von der Herkunft) jeder werden, der die (jeweils) aktuellen Interessen teilt. Die Interessen sind nicht in Stein gemeißelt. Von innen (also aus der Gemeinschaft heraus) sind sie (mit demokratischen Mehrheiten) jederzeit veränderbar.

      Eine multiethnische Bevölkerung ist für eine solche Interessengemeinschaft überhaupt kein Problem. Menschen mit (stark) abweichenden Interessen, die versuchen von "außen" Einfluss zu nehmen oder sich (wenn es ihnen nicht gelingt) in Parallelgesellschaften organisieren, sind es hingegen schon.

    • @Christian Götz:

      Der Volksbegriff ist nicht so problematisch wie Sie denken. Lt. Wikipedia definiert sich dies folgendermaßen:

      "Mit dem Wort Volk werden allgemein (große) Gruppen von Menschen bezeichnet, die durch kulturelle Gemeinsamkeiten, reale oder fiktive gemeinsame Abstammung oder einen politisch und rechtlich organisierten Personenverband zu einer unterscheidbaren Einheit zusammengefasst sind."

      Der Begriff "Bürger" ist insofern problematisch, als das es solche mit deutscher Staatsangehörigkeit gibt als auch ohne. In der "Volk" assoziiert eben die deutsche Staatsbürgerschaft (und eine solche ist bei Wahlen eben relevant).

      Ich vermute in anderen Ländern gibt es ähnliche Begriffe, um die Einwohner eines Landes in dieser Beziehung zu unterscheiden.

    • @Christian Götz:

      Man kann es auch anders sehen: weil der CDU-Kandidat mit Positionn wie "konsequent abschieben" geworben hat, hat die AfD an Einfluss und Macht verloren. Dann hätte Merz und Söder mit ihre Strategie recht. Nur weil ich mir wünschen würde, das es anders wäre, kann ich das nicht einfach so abtun. By the way: Die meisten Menschen in Deutschland können mit den Begriff Volk sehr viel anfangen. Und zwar ganz unabhängig von ihren Wurzeln.

  • Wenn wählen gehen nur noch zur Wahl des geringen Übels wird und nicht zur Unterstützung des Wunschkandidaten, dann werden viele gar nicht mehr wählen gehen.

    • @Rudi Hamm:

      So geht es mir und wahrscheinlich auch vielen anderen schon viele Jahrzehnte lang. Ganz massiv bei der Wahl an der GasSchröder dann gewann.



      Kommunal genauso.

    • @Rudi Hamm:

      Das ist nunmal das Wesen einer Stichwahl.



      Egal, wer es auf die vorderen Plätze schafft, es wird immer Wähler geben, die hier nicht ihren Wunschkandidaten auf der Liste finden.



      Und wer dann auf eine Teilnahme verzichtet, unterstützt damit indirekt den Kandidaten, der das größere Übel darstellt. (Subjektiv für den Nichtwähler. Die rechten haben das begriffen und verzichten daher niemals auf ihre Wahl)

      • @Herma Huhn:

        Extremfall: Stichwahl zwischen einem AfD-Kandidaten und einem "Werte-Union" (Maaßen).



        Wenn soll ich nun wählen um wen zu vermeiden?



        Ich würde ganz sicher keinen von beiden wählen.

        • @Rudi Hamm:

          Die Werte-Union spaltet sich ja zum Glück jetzt von der CDU ab. Und wenn die es schaffen, der AFD 4,9 % der Wähler abspenstig zu machen, bin ich darüber sehr glücklich.



          Aber trotzdem ist jeder CDU-Politiker für einen demokratisch denkenden Menschen immer noch besser als jeder von der AFD.



          Aktiv werden sollten alle aber schon lange vor der Stichwahl, um diese Pest vs. Cholera Situation gar nicht erst entstehen zu lassen.

          • @Herma Huhn:

            Die "Werte-Union" war niemals Bestandteil der CDU. Auch wenn sie versucht hat, die Leute das glauben zu machen

    • @Rudi Hamm:

      Zusätzlich hat die AfD natürlich die Story die sie braucht: alle anderen Parteien sind "Einheitsparteien", die nichts voneinander unterscheidet.

    • @Rudi Hamm:

      Hier haben wir aber eine größere Mobilisierung der Wähler gesehen. Sowohl bei der AfD (leider) als auch im demokratischen Lager. Und es ging um eine Stichwahl, bei der nur diese beiden Kandidaten übrig blieben.



      Hätten die anderen Parteien im Saale-Orla-Kreis für Wahlenthaltung votiert - weil der CDU-Kandidat ihnen als zu rechts erschien -, was denken Sie, wie diese Wahl wohl ausgegangen wäre?



      Ich sag‘s noch einmal und gerne immer wieder: ein bisschen mehr Verantwortungsethik und weniger Gesinnung würde der Debatte nicht schaden. Ich muss die Ansichten des CDU-Mannes nicht teilen, indem ich strategisch wähle. Und - es geht hier um ein Landratsamt, nicht um Björn Höcke als Ministerpräsident in Thüringen. Bei den Landtagswahlen werden die Karten ohnehin anders gemischt.