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AfD-Verbot und GrundrechtsverwirkungMit Transparenz gegen rechts

Juristische Schritte gegen die Rechtsextremen sind notwendig, ihre Risiken überschaubar. Sie könnten die Demokratie resilient gegen rechts machen.

Illustration: Katja Gendikova

W ährend Hunderttausende endlich Maßnahmen gegen die AfD fordern, starrt die Politik wie das Kaninchen auf die Schlange. „Sehr hohe Hürden“ gebe es für ein Verbotsverfahren gegen die AfD – meint Bundesinnenministerin Nancy Faser. Ein „gewaltiger PR-Sieg der AfD“ drohe im Fall einer Verfahrensniederlage – warnt Bundesjustizminister Marco Buschmann.

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Das gleiche Bild bei einem Verfahren zur Grundrechtsverwirkung von Björn Höcke: 1,5 Millionen Menschen haben die Petition für ein Vorgehen nach Artikel 18 des Grundgesetzes unterschrieben, aber die Antragsberechtigten ducken sich weg.

Andreas Fischer-Lescano

lehrt Verfassungsrecht und Internationales Recht. Außerdem leitet er das Fachgebiet Just Transitions an der Universität Kassel.

Gefährlichkeit ist der Dreh- und Angelpunkt

Es ist ja richtig: Parteiverbotsverfahren und Verfahren zur Grundrechtsverwirkung einzelner Personen sind in der Demokratie ultima ratio. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben diese Mittel der „wehrhaften Demokratie“ aus historischer Erfahrung dennoch für nötig erachtet, jeweils aber auch Voraussetzungen formuliert.

Dreh- und Angelpunkt in beiden Verfahren ist der im Grundgesetz normierte Schutz vor Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Sowohl die „Gefährlichkeit“ als auch den Inhalt dieser „Grundordnung“ hat das Bundesverfassungsgericht mittlerweile so konkretisiert, dass sich mit Sicherheit sagen lässt: An der mangelnden Gefährlichkeit der Partei bzw. der Person werden die Verfahren nicht scheitern.

Die AfD hat aktuell das Gefahrenpotential, das der NPD im damaligen Verbotsverfahren fehlte. Und Björn Höcke als der Spiritus Rector einer rechtsextremen Partei, der sich aktuell wegen der Verwendung von SA-Propaganda vor dem Landgericht Halle verantworten muss, hat genau die akute Gefährlichkeit, die in den vier Verfahren zur Grundrechtsverwirkung fehlte, die das Bundesverfassungsgericht bislang zu entscheiden hatte.

Verfassungsfeindlichkeit

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Auch im Hinblick auf die Beeinträchtigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind die Dinge weniger uneindeutig als regelmäßig behauptet. Das Bundesverfassungsgericht hat den entsprechenden Maßstab in seiner Entscheidung vom Dienstag, in dem es die NPD bzw. „Die Heimat“ von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen hat, nochmals präzisiert. Das Gericht stellt insbesondere auf die Gleichheit ab: Ein ethnischer Volksbegriff und die Vorstellung von der deutschen „Volksgemeinschaft“ als Abstammungsgemeinschaft verletzen das Gebot elementarer Rechtsgleichheit.

Wenn das Gericht die Verfassungsfeindlichkeit der NPD im Urteil aus dieser Woche daran festmacht, dass gerade die Vorstellung der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ zu einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Missachtung von Ausländer*innen, Mi­gran­t*in­nen und Minderheiten führt, dann ist das eins zu eins auf die AfD übertragbar.

Wie die NPD ist die AfD von einer rassistischen, insbesondere antimuslimischen, antisemitischen und antiziganistischen Grundhaltung geprägt. Wie die NPD nimmt die AfD eine ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten wie transsexuellen Personen ein.

Überschaubares Prozessrisiko

Nach allem, was öffentlich bekannt ist, ist daher nicht ersichtlich, weshalb die vom Verfassungsschutz bereits als rechtsextrem eingestuften AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt und auch die AfD auf Bundesebene nicht als verfassungsfeindlich bewertet werden sollten.

Zahlreiche Funk­tio­nä­r*in­nen haben sichtbare Spuren dafür hinterlassen, dass sie darauf abzielen, demokratische und rechtsstaatliche Institutionen auszuhöhlen. Deportationsfantasien, völkisches Denken, Inklusionsfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus: die AfD ist auf allen Ebenen und in allen Regionen durchsetzt von Menschen, die sich gegen den Grundsatz der unteilbaren und unverfügbaren Menschenwürde – nach dem Grundgesetz die Basis von Demokratie und Rechtsstaat – wenden.

Gerade vor dem Hintergrund entsprechender Präzedenzfälle in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, vor den die Verfahren sicher gebracht würden, ist eine Ablehnung der Anträge daher kaum zu erwarten.

Delegitimation der AfD durch Verfahren

Die Risiken, sowohl im Verbots- als auch im Grundrechtsverwirkungsverfahren, sind daher überschaubar, zumal davon auszugehen ist, dass die Verfahren professionell geführt werden. Dazu gehört, dass von Anfang an eine personelle Dis­tanz zu den Verfassungsschutzämtern gewahrt bleiben muss. Das erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte 2003 daran, dass der Verbotsantrag auf Äußerungen gestützt worden war, die V-Männer des Verfassungsschutzes getätigt hatten. Der Fehler, dass der Staat durch V-Männer und V-Frauen die Verbotsgründe quasi selbst schafft, darf natürlich nicht erneut begangen werden. Gerade im Verbotsverfahren werden also entsprechende Vorkehrungen zu treffen sein.

Zudem wäre es wichtig, dass Bund und Länder konzertiert vorgehen. Statt sich wie im zweiten NPD-Verfahren 2013 die heiße Kartoffel gegenseitig zuzuschieben, sollte der Antrag von allen Antragsberechtigten gemeinsam gestellt werden. Im Verbotsverfahren müssten also die in Paragraf 43 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes genannten antragsberechtigten Institutionen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat gemeinsam vorgehen.

Auch ein verlorenes Verfahren kann ein Schritt vorwärts auf dem Weg sein, die Demokratie gegen Rechtsextremismus resilient zu machen

Im Verwirkungsverfahren wären nach Paragraf 36 des Gesetzes neben Bundestag und Bundesregierung die Landesregierungen zuständig – wobei hier jede Landesregierung initiativ werden kann, unabhängig vom Wohnsitz oder Dienstort des Betroffenen. Das Grundrechtsverwirkungsverfahren gegen Björn Höcke als thüringischen Fraktionsvorsitzenden der AfD sollten dementsprechend alle Landesregierungen, und nicht allein die thüringische, mittragen.

Schließlich wären die Vorwürfe auch transparent zu dokumentieren. Eine das Verfahren begleitende Öffentlichkeitsarbeit wird daher essenziell sein. So könnten die Verfahren schon durch ihre Einleitung eine aufklärende Wirkung entfalten. Zwar verschwinden die rechtsextremen Menschen dadurch nicht. Aber ein transparent geführtes Verfahren wäre Teil des Unternehmens, diese Personen wieder für die Demokratie zurückzugewinnen, flankiert von guter Politik, die ihre Lebenssituationen verbessert.

Zudem kann nicht genug betont werden, dass das Parteiverbot nicht nur auf die Milieus zielt, die die verfassungsfeindliche Partei wählen, sondern auch auf die, die von dieser Wahl besonders betroffen sind. Die Menschen in vulnerablen Konstellationen vor den Konsequenzen der Machtübernahme der Verfassungsfeinde zu schützen, ist ein maßgebliches Ziel. Dazu gehört eben auch, der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, was die Politik der AfD für die Menschen bedeutet, die von der rassistischen, antisemitischen, sexistischen und ableistischen Politik dieser Partei in ihrer Existenz betroffen sind.

Auch eine Niederlage kann zum Erfolg führen

Schon die Einleitung der beiden Verfahren würde in der aktuellen Situation die Diskurslage in Deutschland verschieben und auch die Brandmauer gegen Kooperationen mit den Verfassungsfeinden verfestigen, selbst wenn sie absehbar nicht 2024 abgeschlossen werden.

Natürlich wird die AfD sich weiter als Opfer einer Diktatur- und Zensurpolitik gerieren. Diese Klaviatur bedient die Partei seit Jahren. Je sachlicher aber die Verfahren geführt und je sorgfältiger die Vorwürfe dokumentiert werden, desto weniger wird es der AfD gelingen, diese sich ohnehin abnutzende Strategie zu diskursiven Erfolgen zu führen.

Und selbst eine Ablehnung der Anträge muss nicht zwangsläufig in einem „PR-Sieg der AfD“ münden. Das NPD-Verfahren ist das beste Beispiel dafür, dass eine Partei auch trotz eines abgelehnten Verbotsantrages in der Bedeutungslosigkeit verschwinden kann. Zwar war die NPD im Jahr des Verbotsantrags 2013 im Vergleich zur AfD, die in aktuellen Umfragen bundesweit bei etwa 22 Prozent liegt, schon marginalisiert.

Dennoch zeigt auch das Verfahren gegen die NPD, dass es im Falle einer Antragsablehnung beim Bundesverfassungsgericht darauf ankäme, genau herauszuarbeiten, an welchem Punkt das Verfahren gescheitert ist. Wenn dies angemessen erklärt würde, wenn aus einer eventuellen Ablehnung die richtigen Schlüsse für Folgeverfahren und Gesetzesänderungen geschlossen würden, kann auch ein verlorenes Verfahren ein Schritt vorwärts auf dem Weg sein, die Demokratie gegen Rechtsex­tremismus resilient zu machen.

Dass auch schon die Verfahrenseinleitung unabhängig vom Ausgang einen Resilienzeffekt entfalten kann, zeigen im Übrigen auch die 1996 zurückgewiesenen Anträge auf Grundrechtsverwirkung gegen die Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz. So hat das Bundesinnenministerium unter dem damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) das Scheitern der Verfahren am Tatbestandsmerkmal der Gefährlichkeit gerade damit begründet, dass sich schon die Verfahrenseinleitung „mäßigend auf die rechtsex­treme Szene“ ausgewirkt habe.

Voraussetzung für solch einen „Erfolg ohne Obsiegen“, wie es in der Prozessführungspraxis oft im Anschluss an das 2004 erschienene Buch „Success without Victory“ des US-amerikanischen Verfassungsjuristen Jules Lobel formuliert wird, ist freilich eine das Verfahren begleitende, professionelle Öffentlichkeitsarbeit.

Davon sind die politisch Verantwortlichen derzeit leider noch allzu weit entfernt. Doch es bleibt zu hoffen, dass der Druck der Öffentlichkeit und die sich nun regenden Proteste hier einen Unterschied machen werden.

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31 Kommentare

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  • @AJUGA

    Danke.

  • Ich schließe mich Herrn Fischer-Lescano vollumfänglich an. Ich bin nicht erst seit der Correctiv-Veröffentlichung „aufgewacht“, sondern latsche mir schon seit Entstehung der AfD die Füße auf Straßendemos platt, verteile vor jeder Wahl Flyer in den Briefkästen der Nachbarschaft, um sie vor diesen Rattenfängern zu warnen, unterschreibe dauernd irgendwelche Petitionen gegen diese Faschisten. Nun sind die hasenfüßigen verantwortlichen Entscheidungsträger dran, die sich bisher wegducken, wie Herr Fischer-Lescano so treffend feststellt. Selbstverständlich brauchen wir auch eine effektivere Politik, die die Probleme unserer Zeit wirksam anpackt. Aber unfähige Kanzler, selbstgefällige Finanzminister, die ausschließlich Klientelpolitik betreiben, populistische Oppositionsführer oder gierige Konzernchefs dürfen niemals als Rechtfertigung dafür herhalten, dass ich mich entscheide, nach unten zu treten und ausgemachte Menschenfeinde zu wählen, deren einziges Ziel Chaos und Destabilisierung ist. Es ist höchste Zeit, dass Justitia das eindeutig klarstellt. Wir müssen den Druck auf die Hasenfüße unbedingt aufrecht halten.

  • @FIFALTRA

    Hm. Da ist was dran. Die Perspektive zeigt "nach unten".

    @HUGO

    Der Zyniker in mir flüstert, dass BfV und LfVen womöglich selbst diese Fallen stellen könnten (und damit unter der Hand drohen?) Meinen wir, dass diese Behörden nach dem Weggang Maaßens "sauber genug" sind? Oder war der nur untragbar geworden, weil "zu laut"? Fragen über...

    • @tomás zerolo:

      "Oder war der nur untragbar geworden, weil "zu laut"?"

      Also, Maaßen wegen Chemnitz abzusetzen, geschah ja sehr plötzlich und - betrachtet man die mittlerweile bekannte Liste seiner verfassungsfeindlichen Subversion - aus einem eher minder relevanten Grund.

      Die Sache lag aber so, dass Merkel schon mindestens anderthalb Jahre von Dingen wie Maaßens Unterstützung der AfD bei ihrer Tarnung als verfassungskonforme Partei wusste.

      Ihn aber wegen all diesen - damals noch nicht öffentlich bekannten - Dingen zu feuern, hätte ein Netzwerk faschistischer Unterwanderung auffliegen lassen, direkt unter der Nase der Kanzlerin, und trotz aller Warnungen jahrelang von dieser ignoriert.

      Und das hätte unangenehme Fragen aufgeworfen, wie es die höchstrangigen Parteikader der CDU/CSU denn eigentlich so mit ihrer FDGO-Treue hielten.



      Merkels Bundesinnenminister Friedrich und De Maizière waren ja auch alles andere als Verfassungspatrioten. Friedrich war sogar derjenige, der etwaige Bedenken der Kanzlerin bezüglich Maaßens Verfassungstreue erfolgreich ausgeräumt hat.

      Maaßens Chemnitz-Sprüche waren also eine willkommene Steilvorlage für Merkel, den obersten Nazifreund der Republik loszuwerden, bevor er die angeblich "nach links gerutschte" CDU/CSU öffentlich als rechtsextremem Gedankengut sperrangelweit offenstehende Parteien outete.



      Und womöglich dem Volk auch noch die Frage aufzwang, wie es möglich ist, dass eine so hochintelligente Person, versierte Personaljongleuse und strategische Mikromanagerin wie Merkel all die Jahre von all dem üüüüü-ber-haupt-nichts mitbekommen hat.

      Was die niederen Chargen in BfV und LfV angeht: in Sachsen et al ein reales Problem, aber in den meisten Ländern, sowie im Bund, ist momentan die einzige Option der braunen Infiltratoren, den Kopf so weit unten wie möglich, und auf Bundeskanzler Merz zu hoffen.

      Nur wenn es demnächst um die Frage der Verfassungstreue der Maaßen-Partei geht - da könnten sie wieder rege werden.

      • @Ajuga:

        Sind jetzt die Pferde mit Ihnen durchgegangen, dass Sie Merkel der Unterstützung faschistischer Netzwerke bezichtigen?

        Von welchen politischen Gruppen haben Sie diesen Unsinn?

        Wie die Landesverfassungsschutzämter mit der AfD umgegangen wird, können Sie hier sehen: www.volksverpetzer...rebene-uebersicht/ Sachsen gehört neben Sachsen-Anhalt und Thüringen zu den Bundesländern, in denen die AfD vom Verfassungsschutz in der höchsten Stufe als "gesichert rechtsextrem" geführt werden.

        • @Rudolf Fissner:

          Nuja, eher "weggucken" @Angela Merkel.



          Danke für den Volsverpetzer-Link.

  • Vor allem müssen wir auch unsere Institutionen resilent machen gegenüber der Macht von Parteien.

    Die rechtspopulistischen Parteien in Europa haben, wie in Ungarn, Polen oder Israel zu beobachten war, vor allem auch versucht oder geschafft, die Macht der Gerichte zu reduzieren, insbesondere auch die der Verfassungsgerichte.

    Solches ist laut Heinrich Wefng in der ZEIT auch in DE möglich.

    Er schreibt "Bislang stehen die wesentlichen Normen zur Gerichtsorganisation nicht in der Verfassung, sondern in einem eigenen Gesetz. Das ließe sich von jeder Partei oder jeder Koalition ändern, die über fünfzig Prozent der Sitze plus einen verfügte. Sie könnte etwa beschließen, dass für die Wahl der Richterinnen und Richter die einfache Mehrheit genügt. Sie könnte, zur vermeintlichen Entlastung des Gerichts, zu den bestehenden beiden Senaten in Karlsruhe einen oder zwei neue schaffen, mit eigenen Parteigängern besetzen und diesen Sena- ten alle politisch brisanten Streitfälle zuweisen.



    Im schlimmsten Fall ließe sich das mächtige Karlsruher Gericht so innerhalb kurzer Zeit zu einer irrelevanten Institution herunterregeln." ( www.zeit.de/2024/0...-rechtsextremismus )

    Noch gibt es Mehrheiten im Bundestag, Resilenz gegenüber extremistische und populistische Begehrlichkeiten in die Verfassung zu gießen. Es sollte frühzeitig daran gedacht werden

    Resilienz bedeutet aber auch, dass es nicht so einfach wird, nicht verbotene Parteien von Ämtern auszuschließen, die einem festgelegten Verteilungsmodus unterliegen.

  • Ich halte diese Verbotsfantasien inzwischen für brandgefährlich, denn: je nach Bundesland hat die AfD aktuell in Umfragen Zustimmungswerte von 20-35%!

    Das ist keine kleine Randpartei mehr wie die NPD damals, das ist vom Wählerzuspruch her in vielen Bundesländern bald die stärkste Kraft!

    Über ein Verbot hätte man nachdenken können, als sie noch klein war. Jetzt ist das dafür zu spät, denn ein Verbot würde das Misstrauen der AfD-Wähler in den Staat noch weiter bestärken.

    Die AfD muss politisch und nicht anders geschlagen werden!

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Sie bringen die Sache auf den Punkt.

      Die Crux liegt im Ziel "politisch Schlagen" . Auch wenn die zahlreichen Demos einen Eindruck hinterlassen, daß schweigende Mehrheiten nun weniger (aber immer noch zu viel) schweigen, so schweigen eben die demokratischen Parteien, die eigentlich hinsichtlich Zivilcourage und transparenter Politik ein Vorbild v.a. auch für jugendliche Zeitgenossen sein sollten, nach wie vor.

      Gerade die CDU, die als christdemokratische (nicht christliche!) Partei das "C" im Schilde führt, möge an die Bibel, 2. Tim. 1₇ erinnert werden, wo es heißt, daß Gott uns nicht den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit gegeben habe. Davon legt die CDU zumindest in Sachen öffentlich prägnanten Widerstandes gegen die AfD kaum etwas an den Tag.

  • Was ist eigentlich mit der anderen am Potsdamer Treffen und Deportationsgeschwafel beteiligten Partei?

  • "Schließlich wären die Vorwürfe [gegen die AfD] auch transparent zu dokumentieren. Eine das Verfahren begleitende Öffentlichkeitsarbeit wird daher essenziell sein. (...) ein transparent geführtes Verfahren wäre Teil des Unternehmens, diese Personen wieder für die Demokratie zurückzugewinnen, flankiert von guter Politik, die ihre Lebenssituationen verbessert."

    Ich hatte kürzlich geschrieben:

    "Da braucht es gesellschaftliche Diskussionen und wissenschaftliche Studien, die das allgemeine politische Bewusstsein aufklären."

    taz.de/Luisa-Neuba...bb_message_4672867

    Massendemos (auch mit Wähler:innen der CDSU/SPD/Grüne, die mit "ihrer" Partei unzufrieden sind) sind gut, ein juristischer Prozess gegen die AfD wäre ebenfalls wichtig.

    Aber Beides muss begleitet sein umfassenden Fakten und Zusamenhängen, breiten gesellschaftlichen Diskussionen (auch auf den Demos) und Transparenz bezüglich des Agierens staatlicher Stellen.

    Information - Diskussion - öffentliche Kontrolle. Ohne diese demokratischen Elemente ist die Bekämpfung des gesellschaftlich rückwärtsgewandten und die menschlichen Bedürfnisse negierenden (Neo)Faschismus nicht möglich.

    Insofern: ein sehr progressiver Beitrag von Andreas Fischer-Lescano.

    • @Uns Uwe:

      Ja! Genau aus diesen Gründen hat mir das auch so gut gefallen.

      Alles zivilgesellschaftliche Engagement ist für die Katz, wenn es nicht begleitet wird von einem faktenbasierten, investigativen oder aufklärerischen Journalismus.

      Die Menschen müssen verstehen, was sie da tun, und mit mehr als einem miesen Bauchgefühl oder roboterhaften Phrasen begründen können, warum sie es tun.



      Denn wer das nicht beides kann, der kann genausogut AfD wählen; die notwendige Abgestumpftheit ist ja bereits vorhanden.

      Denn Sachen wie unter dem Deckmäntelchen der "Meinungsfreiheit" eine so "ergebnisoffene" wie kriminell menschenverachtende Pro-und-Contra-Debatte über Tötungsverbrechen an Flüchtlingen zu führen, weil das Aufsehen, Aufregung, und damit Klicks, Pagerank und Werbeeinnahmen generiert, ist Nummer Eins unter den "versteckten" Gründen - denen über die kein Leitmedium gern sprechen wird - für die Etablierung der AfD als vermeintlich "demokratische" Partei.

      Keiner braucht einen Hugenberg, wenn die Vierte Staatsgewalt sich auf breiter Front selbsthugenbergisiert.

      Mehr Journalismus, weniger Feuilleton!



      Denn schöngeistiger Sophismus und blasiert-nonchalante Abgehobenheit ist etwas für den Sonntagmorgenkaffee in ruhigen satten Schönwetterzeiten.

  • Ich bleibe dabei: die AfD ist politisch zu bekämpfen. Dieses zunächst politische Problem durch nicht einfach nach Karlsruhe abgeschoben werden. Zum Einen wird sich das Wählerpotential dadurch nicht auflösen und zum Anderen stehen die Nachfolger bereits in den Startlöchern. Ein "weiter so" kann und darf es bei SPD, Grüne, CDU und FDP nicht geben!

  • Man kann nur hoffen, dass es im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keine Überraschungen gibt. Nicht dass sich am Ende Höcke als V-Mann des Verfassungsschutzes outet.

    • @Septum:

      Eher unwahrscheinlich, in Anbetracht der Tatsache dass der Bundesverfassungsschutzchef in den "Aufbaujahren der Partei" ein V-Mann der AfD war...

  • Evtl. mauern die Minister*innen weil sie vom VS (ob nu Bund oder Länder) geflüstert gekriegt haben, daß zumindest im Fascho-Dunstkreis um die AfD Augen, Ohren und Münder des VS agieren.

    Ob mer allerdings Manfred Kanther als Leumund für "Success without Victory" wählen muss, sei dahingestellt, ob des reichen würde, ebenfalls.

    • @Hugo:

      Ich hoffe doch stark, dass die Aufklärung zum Rechtsextremismus nicht allein die Aufgabe von "Augen, Ohren und Münder" des corrective ist.

  • Prinzipiell -- ja. Ich begrüsse alles, was dieser AfD schaden könnte. Ich meine aber, dass die Diskussion über ein Verfahren in die falsche Richtung zielt.

    Ein kleiner Satz im Text zielt in die, wie ich meine, richtige Richtung: "... flankiert von guter Politik, die ihre Lebenssituationen verbessert."

    Diese Rechtspopulisten sind ja bei weitem kein isoliertes deutsches Problem. Sie sind meines Erachtens Begleiterscheinung des alles auffressenden Neoliberalismus -- der weite Teile der Bevölkerung in die Verzweiflung treibt. Gekoppelt mit Krisen, die die letzte Firnis von Scheinsicherheit verschwinden lassen, haben wir den "perfekt storm.

    Perfiderweise sind sie nicht nur eine Folge, sondern gleichzeitig ein Werkzeug: durch Zeigen auf marginalisierte Gruppen kann die ausser Kontrolle geratene Wachstumsideologie vom echten Problem ablenken und nötige Veränderungen behindern.

    Es ist kein Zufall, dass das Monster Trumpismus aus dem Ei Tea Party, die AfD aus der wir-wollen-die-Mark-wiederhaben Lucke-Partei geschlüpft sind. Es ist kein Zufall, dass überall diese Parteien gegen ökologische Transformation in Stellung gebracht werden.

    Bis wir uns nicht eingestehen, dass einige Parteien der "bürgerlichen Mitte" die AfD als Bollwerk bzw. Abrissbirne zu *brauchen* meinen werden keine Verfahren helfen.

    Bis wir uns nicht eingestehen, dass unser Wirtschaftssystem viel zu viele Menschen zu schlecht behandelt -- auch nicht.

    • @tomás zerolo:

      Stimme bei fast allem zu, außer bei dem Punkt mit "die Lebenssituation verbessern". Es gibt jetzt wirklich einige Studien, die herausgearbeitet haben, dass es AfD-Wählern eben nicht schlecht geht und es mitnichten arme Menschen sind.



      Sie haben *Angst* davor, dass es ihnen demnächst schlechter gehen *könnte*. Dass irgendwer ihnen irgendwas von ihrem Besitz und Status wegnehmen *könnte*. Daran muss man natürlich auch arbeiten, aber es erfordert meiner Meinung nach andere Strategien.

    • @tomás zerolo:

      Eine andere, sozialere Politik der Parteien, die sich innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes bewegen, wäre sicherlich schön. Das darf aber nicht Voraussetzung des Verbotsverfahrens sein, weil dann erst unsere Verfassung beseitigt ist, bevor man denen in den Arm fällt, die sie beseitigen wollen.



      Es gibt für gute Politik nun einmal keine Mehrheit, nicht einmal in dieser Kommune bleiben solche Vorschläge unwidersprochen stehen.



      Außerdem ist dieser Artikel ein Aufruf an die Presse, endlich kritischer nachzuhaken und nicht einfach eine Bühne zu bieten für „unbequeme“ Meinungen. In keinem Land der Welt haben die Rechtsextremen echte Chancen auf Dauer, wenn nicht die Presse sie massiv pusht: Trump ist ohne Murdoch nicht denkbar. Eine gute flankierende Öffentlichkeitsarbeit wird ohne die Presse nicht stattfinden.

      • @Zangler:

        Eine andere, sozialere Politik der Parteien, die sich innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes bewegen, wäre sicherlich schön. Das darf aber nicht Voraussetzung des Verbotsverfahrens sein, weil dann erst unsere Verfassung beseitigt ist, bevor man denen in den Arm fällt, die sie beseitigen wollen."

        Ich lehne mich mal - aber vielleicht gar nicht weit - aus dem Fenster:

        Eine andere, sozialere Politik der Parteien, die sich innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes bewegen, ist ERST DANN WIEDER MÖGLICH, wenn nicht ständig das rhetorische Störfeuer der AfD, das von CDU/CSU begierig aufgegriffen wird, jeden Ansatz in diese Richtung unter eine Flut von Lügen, Hass und Hetze erstickt!

  • Wäre schön, wenn diese gute juristische Argumentation in der medialen und politischen Breite Einzug finden könnte.

  • Liggers - anschließe mich

  • Tue ich zwar ungern, aber Faeser und Buschmann haben vollkommen recht. Die AfD ist nicht die NPD und die AfD würde eher aufgewertet, als klein gehalten. Im Falle eines Urteils, das zu erwarten wäre, die AfD wohl gewinnen würde und sich die Juristen darüber durchaus einig sind.



    Was die Einstufung des Verfassungsschutzes anbelangt sei angemerkt, dass dies eben kein Gerichtsurteil ist. Die AfD wird sich wohl auch hier wehren:



    rsw.beck.de/aktuel...fassungsschutz-ein

    • @Frankenjunge:

      Dazu würde ich mal einen AfDer zitieren: „Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte“

    • @Frankenjunge:

      Die NPD wurde nicht aufgewertet, sondern als verfassungswidrig eingestuft.

      Wer die AfD zukünftig wählen würde, weil es ein Verbotsverfahren gibt, der wird sie auch heute schon wählen, weil sie rechtsextrem ist. Die AfD wird durch ein solches Verfahren nichts gewinnen. Sie wird aber bei einem Verbot die Möglichket verlieren, unser Land in eine Autokratie umzuwandeln.

      Das Risiko eines Prozesses ist überschaubar.

      • @PPaul:

        Die NPD ist nicht die AfD. Sitzt nicht im Bundestag, in keinem Landtag und wohl auch sonst in keinem Parlament. Die AfD wird von ca. 20% gewählt, die NPD, jetzt Heimat, vielleicht von 0,1%. Das sind doch deutliche Unterschiede. Die NPD wurde als verfassungsfeindlich verurteilt, aber nicht als Gefahr für unsere Demokratie angesehen. Eben wegen der äußerst geringen Unterstützung. Welches Urteil, bitte mit Aktenzeichen und von wann gibt es bezüglich der AfD? Der Gang nach Karlsruhe mit dem Ziel war ein Verbot der NPD zu erreichen. Das hat man nicht geschafft. Verboten ist die nicht. Die könnte also gewählt werden, ist ja nicht verboten, wenn es z.B. keine AfD mehr geben würde …

      • @PPaul:

        Bei einem Verbot der Partei würden die bisherigen AfD-Wähler einfach andere migrationskritische Parteien wählen, die gerade neu gegründet wurden, wie die BSW oder die Werteunion.

        • @Piratenjäger:

          Dann teilt es sich ja mindestens schon auf zwei auf. Machtkämpfe, Streit und Verunsicherung vorprogrammiert.

          Bis sich das konsolidiert, hat man genug Zeit gehabt, durch bessere Politik und Bildungsarbeit das Potenzial zu verringern. Und Material für das nächste Verbotsverfahren gesammelt, wenn es sein muss.

          Das nutzen dieser Zeit muss natürlich von vornherein Teil der Strategie sein.

          • @fifaltra:

            "Machtkämpfe, Streit und Verunsicherung vorprogrammiert."

            Eine unterschätzte Verwundbarkeit gerade von Rechtsextremisten.

            Es ist das klassische Klischee über Linke, aber man muss sich ja nur mal anschauen, wie tiptop einvernehmlich und kooperativ das ungarisch-polnische Verhältnis wurde, als in beiden Staaten die Katholiban an die Macht kamen.



            Oder auch wie superdicke Kumpels der Orbán Viktor und Oleh Tyjahnybok doch sind.



            Und das ist ja nichts Neues. Ich sag nur "Hitler, Mussolini, Südtirol". Oder auch: der karolistische Klerikalfaschismus ist der Eisernen Garde Tod.

            Faschismus ist eine Neid- und Missgunst-Ideologie der "gefühlt Zukurzgekommenen".



            Und das macht ihn verwundbar.



            Es kann nur einen "Führer" geben. Und selbst unterschiedliche Flügel derselben Faschistenpartei hacken sich liebend gerne die Augen aus: Never forget 30.6.1934.

        • @Piratenjäger:

          Wahrscheinlich, aber genau dazu sagt Fischer-Lescano ja auch, dass die sich dann an die von den Gerichten gesetzten Grenzen halten müssten, die endlich einmal klar gezogen würden.