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Energiepolitik und KohleausstiegHört nicht auf Christian Lindner

Finanzminister Lindner und der RWE-Chef streiten über den Kohleausstieg. Der Industrie ist klar, bei Finanzhilfen ist auf die FDP kein Verlass.

Markus Krebber, RWE-Vorstandsvorsitzender, im Gespräch mit dem Kanzler Foto: Bernd Thissen/dpa

E ine Front tut sich in Deutschland auf, die völlig neu erscheint: Die Liberalen und die Unternehmer sind sich uneins. Vor allem bei der Energiepolitik kracht es. So will FDP-Finanzminister Christian Lindner die Kohlekraftwerke auch nach 2030 laufen lassen, was RWE-Chef Markus Krebber nicht gut findet. „Das halte ich für nicht zielführend“, sagte er der FAS. RWE will die eigenen Kohlekraftwerke lieber abschalten – und stattdessen Gaskraftwerke bauen, die auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können.

Dieser Clash mit der Industrie scheint nicht zum Image der FDP zu passen, die sich gern als Partei der Wirtschaft inszeniert. Doch ist der Konflikt zwischen Lindner und den Konzernchefs nicht neu: Schon im Bundestagswahlkampf 2021 fiel auf, dass einige Industriemanager lieber für die Grünen warben, als sich der FDP oder CDU anzunähern. Ein besonders prominentes Beispiel war der heutige Aufsichtsratschef von Siemens, Joe Kaeser, der damals offensiv für die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock eintrat. „Was ihre Auffassungsgabe und ihr Interesse betrifft, erinnert sie mich sehr an unsere heutige Bundeskanzlerin“, schwärmte Kaeser in der SZ.

Die Industrie hat nämlich ein Problem: Sie kann den Klimaschutz nicht mehr ignorieren und muss grüne Produktionsketten aufbauen. Dieser Schwenk zur Nachhaltigkeit ist nicht altruistisch, sondern nüchternes Kalkül. Neue Anlagen kosten meist mehrere Milliarden Euro, sodass sich die Maschinen nur rentieren, wenn sie Jahrzehnte laufen können. Klimaschutz wird aber immer wichtiger, was auch im Interesse der Industrie ist.

Eine ungebremste Klimakrise würde nämlich auch die globalen Wertschöpfungsketten der Unternehmen zerstören. Also will die Industrie jetzt in klimaneutrale Technik investieren. Ein fossiles „Weiter so“ wäre Selbstmord.

Allerdings sind langfristige Investitionen nur möglich, wenn es Planungssicherheit gibt. Da stören die taktischen Manöver von Lindner. Zudem ist die grüne Technologie meist teurer als die fossilen Varianten – sodass die Industrie auf Subventionen hofft. Von der FDP sind jedoch keine verlässlichen Finanzhilfen zu erwarten, wie die Manager längst wissen.

RWE nähert sich den Grünen

wochentaz

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Sie müssen ja nur ins liberale Programm sehen: Da steht die „Schuldenbremse“ ganz oben. Wenn der Staat aber sparen soll, kann er keine Subventionen ausschütten. Die Grünen hingegen sind bereit, Klimainvestitionen mit Schulden zu finanzieren, weswegen Kaeser schon vor zwei Jahren den grünen „Pragmatismus“ lobte: Baerbock wisse, „dass wir ein Industrieland sind“.

Auch RWE-Chef Krebber hat sich für die grüne Politik erwärmt. Im vergangenen Herbst schloss er einen Deal mit dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und der grünen NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur: RWE schaltet seine Kohlekraftwerke nicht erst 2038, sondern schon 2030 ab, kann dafür aber während der Ukraine-Krise mehr Braunkohle fördern. Das nutzte beiden Seiten.

Die Grünen hatten erreicht, dass 280 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden – und Krebber hatte Handlungsdruck erzeugt.Die Kohlekraftwerke können 2030 nämlich nur abgeschaltet werden, wenn es neue Gaskraftwerke gibt – und diese klimaneutralen Kraftwerke werden nur entstehen, wenn Subventionen fließen.

Mit Staatshilfe will Krebber seinen Kraftwerkspark modernisieren. Lindner scheint dieses Kalkül erst jetzt zu begreifen, denn vor einem Jahr hat er noch zugestimmt. Lindner ist also nicht der Schnellste, was die Manager aber auch schon lange wissen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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12 Kommentare

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  • "RWE nähert sich den Grünen"



    Soll wohl heißen: RWE nähert sich denen, bei denen sie mehr Münze wittern :-)

  • "RWE nähert sich den Grünen"



    und die Industrie entfernt sich von Deutschland.



    Ist doch klar, dass RWE gerne sehr teuer produzierten Strom verkauft, denn 20% von einem Strompreis um 50Cent/kWh sind halt mehr als 20% von 25 Cent/kWh.



    Und mit dem Märchen vom blauen Wasserstoff sind wir schnell bei 50 Cent/kWh und mehr.

  • Mal wieder ein astreiner Beitrag der rot-grünen Regierungsreporterin Ulrike Herrmann. Ob Cum Ex Skandal, oder nun der Umgang mit Kohle und Gas; für alles was SPD und Grüne betrifft ist Ulrike Herrmann immer voll des Lobes und sparsam mit Kritik. Diesmal werden sogar Gaskraftwerke zu "klimaneutralen Kraftwerken" erklärt. Wenn Herrn Habeck bis 2030 das physikalische Wunder der Nutzung von Gaskraftwerken ohne CO2 Ausstoß gelingt, verdient der Philosoph und Kinderbuchautor nicht nur den Physiknobelpreis, sondern auch meine Wählerstimme. Die Annahme, dass nun "während der Ukrainekrise" mehr Kohle verheizt wird, die dann nach der Ukrainekrise wieder eingespart werden kann, ist an Naivität und politischer Kurzsichtigkeit nicht zu überbieten. Wann plant Herr eigentlich das Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine genau? Liegt ihm das Drehbuch vor? Wie sind die Planungen bezüglich der vielen noch laufenden und offenen Konflikte weltweit? Habecks Plan gleicht einem Schuldner, der verspricht seine schon kaum zu bewätigenden hohen Schulden noch früher abzubezahlen, wenn er doch jetzt bloß einen noch höheren Kredit bekommt. Soviel Fantasie, erst Recht in Zeiten der zunehmenden Krisen und Kriege weltweit, muss eigentlich schon weh tun.

    • @Klaus Kuckuck:

      Tja, es war schon immer so, daß logische Argumente - weil man damit so brutal aus seiner "Weiter so -Mentalität" gerissen wird - gerne mit "Schein-Argumenten" bekämpft werden.



      Ehrlich gesagt ist mir ein "Kinderbuchautor", der lange verdrängte Probleme endlich angeht, lieber als "Fachleute/ Physiker*innen", die eben diese Probleme durch Nichthandeln heraufbeschworen haben.



      Und, daß deshalb jetzt wegen des Ukrainekrieges Kohlekraftwerke länger laufen müssen, hat wohl nicht der Kinderbuchautor zu verantworten, sondern eine Physikerin, die diese unverantwortliche Abhängigkeit von russischem Gas etc. zugelassen hat.



      Und die Aussage, "wann plant der Herr ... das Ende des ... Krieges gegen die Ukraine" ist - mit Verlaub - an Dummheit nicht mehr zu überbieten.

      • @Thüringer:

        Jaja, die Angela hats verbockt. Die ewige Leier... Ich weiß nicht, warum es manchen so schwer fällt mal die eigene Glaubens- und Gefühlsblase zu verlassen und die Flexibilität des menschlichen Halses zu nutzen, um in mehr als eine Richtung zu blicken. Das Gasgeschäft mit Russland war immer ein Herzensanliegen der SPD. Willi Brandt brach das Tabu mit den Stalinisten billige Geschäfte zu machen als erster. Diese SPD Tradition erreichte ihren Höhepunkt dann im allseits bekannten Putinfreund Gasgerd. Was da Angela noch verbockt haben soll, kommt bei Ihrer Kritik, Herr Thüringer, nicht so ganz raus. Die Frage nach den Kriegsplanungen ist eine direkte Replik an Frau Herrmanns Artikel, nicht an Herrn Habeck. Haben Sie den gelesen? Ihre unflätige Wortwahl zeigt da sehr in Ihre eigene Richtung.

  • Lindner ist also nicht der Schnellste, was die Manager aber auch schon lange wissen.



    ----



    In Kurzform kann d/W/m auch sagen:



    "Der Markt wird es richten!" Doch nicht die "unsichtbare Hand mit Phantasien a la Lindner", sondern die real & sachlich denkende Hand von Wählern & Wirtschaft! :-)



    .



    Ps. Was sagte Gorbi mal so schön & hat es doch nicht gesagt? :-)



    "Wer zu spät kommt, den bestraft das leben!" oder die Wirtschaft, wahlweise der Wähler uvam.

    • @Sikasuu:

      Ich krieg des auf Russisch nimmer zamm, jedenfalls meinte Gorbatschow: "Ich denke, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren."



      (Irgendwo im Zuge des 40-Jahre-DDR-Besuchs 1989.)



      Die Kohle, die RWE als Geschenk erpressen will, wäre wohl in dezentralen Modellen besser angelegt, Plan B wäre eine staatliche Beteiligung an RWE in Höhe der Investitionen.

  • sind Gaskraftwerke jetzt Klimaneutral?

  • Neue Gaskraftwerke - „klimaneutral“ ? Aprilscherz ?

    • @Hubertus Behr:

      Kein Aprilscherz - vorausgesetzt, der Strom der Gaskraftwerke wird für Wärmepumpen verwendet und dass die Gaskraftwerke die Braunkohlemeiler ersetzen.

      Abgesehen davon braucht es die schnellregelbaren Gaskraftwerke zur Netzstabilisierung.

  • "Die Kohlekraftwerke können 2030 nämlich nur abgeschaltet werden, wenn es neue Gaskraftwerke gibt – und diese klimaneutralen Kraftwerke werden nur entstehen, wenn Subventionen fließen."



    "klimaneutrale Kraftwerke"? Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft meistens eine große Lücke.

    3:51 Minuten, zur Info:



    www.deutschlandfun...-765a705e-100.html



    Auch RWE wird erwähnt.



    Beste Grüße!

  • RWE ist natürlich erpicht auf die Unsummen an Steuergeldern, die vom Staat fließen werden bei einem ökologischen Umbau. Dass ist allemal besser als es selber zu stemmen. Linder soll halt zahlen ... an RWE letztendlich 🤪