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Streit um Sprache in der UkraineVerbaler Schlagabtausch im Taxi

Ein Taxifahrer weigert sich, mit zwei Frauen Ukrainisch zu sprechen. Der Streit eskaliert. Er wird gefeuert, bekommt aber auch Unterstützung.

Auf den Straßen von Kyjiw, während eines Blackouts nur notdürftig beleuchtet Foto: Mykhaylo Palinchak/Zuma/imago

F rüher als vereinbart hält das Taxi in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw an. Der Fahrer steigt aus, stellt das Gepäck der Fahrgäste an den Straßenrand und bittet die Frauen, auszusteigen. Dem vorausgegangen war ein Streit über die Sprache. Obwohl die Frauen den Fahrer aufgefordert hatten, sie in der Staatssprache, also Ukrainisch, zu bedienen, antwortete dieser ausschließlich auf Russisch.

Als die Frauen weiterhin auf dem Gebrauch des Ukrainischen beharrten, hielt dieser kurzerhand an und setzte die beiden auf die Straße. „Ihr seid doch krank, macht, dass ihr rauskommt“, sagte er. Was er nicht wissen konnte: Der Vorgang wurde gefilmt. Anschließend ging das Video in sämtlichen ukrainischen Medien viral.

Inzwischen hat sich der Beauftragte für den Schutz der Staatssprache, Taras Kremin, eingeschaltet. Der Taxifahrer habe das Gesetz über den Gebrauch der ukrainischen Sprache verletzt. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Geldstrafe von umgerechnet hundert Euro. Der Arbeitgeber des Fahrers, die Firma Bolt, ließ verlauten, dass man sich von dem Fahrer getrennt habe.

Auch wenn der Vorfall nun schon eine Woche zurückliegt, sorgt er in den sozialen Netzen weiterhin für Aufruhr. „Ich frage mich, warum dieser Taxifahrer und andere so dreist handeln? Haben sie das Gefühl, dass sie völlig ungestraft bleiben? Das Gesicht und das Nummernschild des Fahrers wurden auf Video aufgenommen. Es dürfte nicht schwer sein, ihn zu finden. Wird es eine weitere ‚Entschuldigung‘ vor der Kamera geben?“, schreibt der Blogger Igor Solomadin aus Charkiw.

Keine Entschuldigung

Am Samstag ging der Taxifahrer in einem Video auf den Vorfall ein. Doch statt sich zu entschuldigen, bedankte er sich für die Unterstützung und bewies zudem, dass er sehr wohl des Ukrainischen mächtig ist.

Olexi Arestowitsch, Ex-Berater im Präsidialapparat, erklärte, er werde dem entlassenen Fahrer bei der Suche nach Arbeit helfen. In Anspielung auf den Beauftragten zum Schutz der staatlichen Sprache meinte Arestowitsch, der Fahrer sei offensichtlich das Opfer der „Sprachentaliban“ geworden.

Auch der Abgeordnete Juri Bojko, der bis zu deren Verbot im Juni 2022 Mitglied der Fraktion „Oppositionsplattform für das Leben“ war, stellt sich hinter den Taxifahrer. „Hört auf, die Gesellschaft und die Ukrainer zu spalten“, warnt er auf seinem Telegram-Kanal.

Und auf dem Instagram-Account des Taxiunternehmens Bolt häuften sich Posts von Personen, die eine Wiedereinstellung des Fahrers fordern. Außerdem, so ein Nutzer, sei es nicht korrekt, dass Bolt persönliche Daten des Fahrers veröffentlicht habe.

Angebot für Sowjetnostalgiker

In Frankreich werde man auch nicht auf Russisch bedient und in Estland könne man mit einem russischsprachigen Angebot nur ältere Damen mit Sowjetnostalgie gewinnen, meint hingegen der Geschäftsmann Sergej Martschenko auf Facebook. Ausgerechnet in der Ukraine, die im Krieg mit Russland sei, gebe es Leute, die unbedingt in der Sprache des Besatzers sprechen wollen.

Und Irina Farion, ehemalige Abgeordnete der rechtsradikalen Swoboda-Partei, fordert, den Fahrer sofort in ein Strafbataillon an der Front zu schicken. „Dort sollen sie Schützengräben graben für unsere heiligen Soldaten. Solche Menschen haben nur eins verdient: ihre vollständige Entsorgung“, zitiert die Nachrichtenagentur Unian Farion.

Einen versöhnlicheren Ton schlägt Antisemitismusforscherin Marta Havryshko auf ihrer Face­book-Seite an. „Ein mir nahestehender Mensch liegt in einem Krankenhaus in Lwiw. Er kämpft um sein Leben. Aber was beunruhigt seine Mitpatienten? Nicht sein Stöhnen, sondern die Tatsache, dass er die Krankenschwester auf Russisch gerufen hat“, schreibt die Wissenschaftlerin.

Sie selbst spreche privat und im Beruf konsequent Ukrainisch. „Aber Hasssprache gegen Menschen, die Russisch sprechen, ist für mich nicht akzeptabel. Man muss die ukrainische Sprache fördern, aber bitte nicht mit Gewalt.“

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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14 Kommentare

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  • In Frankreich werde man auch nicht auf Russisch bedient und in Estland könne man mit einem russischsprachigen Angebot nur ältere Damen mit Sowjetnostalgie gewinnen,



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    Kann als Nord-Karelier (Finne) ein wenig Russisch. Sind halt die Nachbarn im Osten die nicht immer Finnisch, bzw "Karelisch" sprechen!



    Stelle mir gerade vor, was passiert, wenn in Suomi jemand versucht, der der Landessprache nicht mächtig ist, in irgendeiner Fremdsprache versucht sich verständlich zu machen!



    Da wird jeder verfügbare Sprachbrocken akzeptiert!



    Will mich ja nicht in den Streit da einmischen, aber der Taxifahrer "dreht mMn. ziemlich am RAD"!



    Ob das seinem Land hilft?



    MMn. nicht den "Nationalismus" ist wie alle -ismen, der beste Weg sich im eigenen Land & auch weltweit unbeliebt zu machen!



    Und, soweit bekannt, war & ist jedes Land, das einmal gezwungener Weise zur "UdSSR" gehörte, wenigstens im Alltag Zweisprachig!



    .



    Ps. Kann auch in Sumomi nicht im öffentl. Dienst anfangen, spreche kein Schwedisch, ist 2. Landessprache!)



    Ist z.B. an der Fähre in Schweden ein "immer (gern gemachter) 'Witz', wenn ich mit meinen Suomi-Pass in einem Finnischen Auto nach Finnland einreisen will & der Zoll-Mensch auf mein Englisch, schwedisch antwortet:



    "Als Finne müssen sie schwedisch können!" ;-)



    Wenn ich dem dann auf Deutsch antworte, wird es komplex & das Thema ist meist schnell vom Tisch! :-)



    Einmal erst mit "Hilfe" eines Vorgesetzten! :-(



    Nun ja, "Dummheit" findet jeder weltweit, ist ein nationalistisches, kein nationales Problem!

    • @Sikasuu:

      "In Frankreich werde man auch nicht auf Russisch bedient..."

      Liegt vielleicht daran, dass nur ganz wenige Bürger Frankreichs Russisch als Muttersprache haben...

  • Die zwei Frauen haben ja kommuniziert, sie auf ukrainisch und er auf russisch. Sie haben sich verstanden und ausgetauscht. Wo ist jetzt das Problem? Wenn ich in der Schweiz bin, passiert das andauernd.



    Und wenn dann noch welche von Entsorgung reden, erinnert das an finsterste Zeiten.

    • @Frankenjunge:

      Er hat die beiden Frauen vorzeitig rausgeschmissen und damit den Beförderungsvertrag verletzt.

    • @Frankenjunge:

      Das Problem liegt daran, dass beide Frauen haben verlangen, dass der Taxifahrer auch ukrainisch mit ihnen spricht. Wie er selbst in einem späteren Video bewiesen hat, kann er mehr als gut ukrainisch. Trotzdem waren die Frauen so agressiv, dass er einfach nicht wollte, auf seine Muttersprache verzichten. Wir müssen nicht vergessen, dass mindestens die Hälfte der ukrainischen Soldaten russisch als Muttersprache haben.

    • @Frankenjunge:

      "Wo ist jetzt das Problem?"

      Nationalismus.

    • @Frankenjunge:

      Naja, Schwizerdütsch ist für die meisten der restlichen deutschsprachigen kaum verständlich. Ukrainisch und Russisch haben ja schon beim Alphabet Unterschiede. Ukrainisch hat mit dem Vokativ einen Fall mehr, der Plusquamperfekt fehlt im Russischen und es finden sich noch mehr Untesrschiede in Vokabel und Grammatik, und mit den Einflüssen aus den polnischen, österreichischen, ungarischen und rumänischen Nachbarn hat sich Ukrainisch schon lange anders entwickelt. Der Vergleich von Spanisch und Portugisisch ist treffender.

  • ..... einen Schritt weitergedacht....



    in den von den Russen besetzten Gebieten leben in großer Anzahl bis mehrheitlich russische Muttersprachler-



    bei ihrer Befreiung wäre es dann aus mit dem freien Gebrauch der Muttersprache

    aber klar



    man dann endlich seine Meinung sagen... nur nicht in seiner Muttersprache

    • @Luxusverschmäher:

      Sie können lesen, dass es eine rege Diskussion dazu in der Ukraine gibt.

      Die ukrainische Nation ist gerade voll in der Diskussion, was denn ihre Identität ausmachen soll.

      Die russische Invasion mit dem Ziel der kulturellen Auslöschung der Ukraine macht da nichts leichter und nichts friedfertiger.

      Die Annäherung an die EU wird diese Diskussion eingrenzen.

    • @Luxusverschmäher:

      Der Fahrer spricht ukrainisch, die Kundinnen wollten auf ukrainisch bedient werden. Wo ist also das Problem?

      Auf jeden Fall hat er seine 5 Minuten Berühmtheit bekommen.

      Und wir wissen noch nicht, wieviel von den russischen Muttersprachlern in den besetzen Gebieten nach Putins Krieg noch übrig sind. Einfach mal weiter gedacht.

  • Interessanter Artikel; gerne mehr davon!

    Leider liesst man ja sehr selten über den realen Alltag in der Ukraine in deutschen Medien.

    Natürlich dient solches Vorgehen in keinster Weise einer Relativierung der russischen Verbrechen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass fast 1/3 der Ukrainer gar kein ukrainisch spricht sollte es uns zu denken geben, ob das wirklich Werte und Minderheitenschutz ist wie wir ihn uns vorstellen. Vielleicht sollte man auch noch anmerken, dass das Sprachgesetz bereits vor Kriegsausbruch eingeführt wurde.

    • @Alexander Schulz:

      „Anbetracht der Tatsache, dass fast 1/3 der Ukrainer gar kein ukrainisch spricht“



      Was für ein Unsinn, der Anteil der Ukrainer, die gar kein Ukrainisch, oder gar kein Russisch können, liegt jeweils bei ein paar Prozent. Die allermeisten sind zweisprachig (wie z.B. dieser Taxifahrer).

    • @Alexander Schulz:

      Das Sprachgestz wurde aber angesichts der Besetzung der Krim und der russischen Drohgebärden beschlossen.

      Dass es in der Ukraine den perfekten Minderheitenschutz gibt,m hat niemand behauptet.

      Wenn man die Ukrainer dem russischen Faschismus ausliefert, wird es den Minderheitenschutz in der Ukraine auch nicht weiterhelfen.

      In der Sprachenfrage muss man aber sagen:



      Ja, dass alle Einwohner eines Landes grundsätzlich die Landessprache sprechen, ist ein Wert, wie "wir" (Deutsche oder EU, wie sie wollen) ihn uns vorstellen.

  • Vielleich sollte man Frau Havryshko zur Beauftragten für Vernunft machen...