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Generaldebatte im BundestagAngriff per Versöhnungsangebot

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Mit vereinter Kraft will der Kanzler Deutschland wirtschaftlich wieder auf Kurs bringen. Damit nahm er dem Oppositionsführer den Wind aus den Segeln.

Entschieden: Scholz in der Haushaltsdebatte Foto: Michael Kappeler/dpa

W ar das die beste Rede, die Olaf Scholz jemals gehalten hat? Möglicherweise. Es war auf jeden Fall die richtige Rede am richtigen Ort, im richtigen Tonfall. Souverän parierte der Kanzler die erwartbaren Attacken der Opposition, indem er auf diese im Detail gar nicht allzu sehr einging.

Stattdessen zauberte er flott einen großen Gegenentwurf aus der Tasche und lud den verdutzten Oppositionsführer Friedrich Merz, der sich vor den Rängen des Bundestags gerade erst in Rage geredet hatte, großmütig dazu ein, einem „Deutschland-Pakt“ für mehr Tempo beizutreten, um die anstehenden Aufgaben zu meistern. Zum Wohle des Landes, natürlich. Scholz beschönigte nicht, was derzeit im Argen liegt.

Er machte dafür zwar mal wieder allein die Union verantwortlich – sie habe Bahn und Bundeswehr kaputt gespart, die Digitalisierung, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Anwerbung von Fachkräften verschlafen, ganz so, als hätte die SPD in den vergangenen Jahren nicht mitregiert. Auch gegenüber der AfD, die er als „Abbruchkommando für unser Land“ bezeichnete, zeigte sich Scholz angriffslustig, und die Augenklappe unterstrich den Eindruck der Entschiedenheit.

Doch dann schlug er wieder gewohnt bedächtige Töne an. Mit dem aktuellen Zustand des Landes könne niemand zufrieden sein, gab Scholz zu. Deshalb bräuchte es jetzt eine „nationale Kraftanstrengung“, um die Infrastruktur zügig zu modernisieren. Sein Aufruf zum Schulterschluss und zur Kooperation richtete sich explizit auch an das eigene Kabinett: Dieses habe „zu viel gestritten“, räumte der Kanzler ein.

Trotz der Zumutungen, die der Haushalt in Form von teilweise empfindlichen Kürzungen bereithält, schaffte es Scholz damit, so etwas wie Zuversicht und Optimismus, ja gar Aufbruchstimmung zu verbreiten. Dieser Haushalt stehe für die „Rückkehr zur Normalität“ nach „drei außergewöhnlichen Krisenjahren“, beruhigte er. Und Merz nahm er den Wind aus den Segeln, indem er dem Motto des ehemaligen Bundespräsidenten und SPD-Urgesteins Johannes Rau beherzigte: Versöhnen statt spalten.

Dabei wirkte er wie ein gutmütiger Vater, der großzügig über das rüpelhafte Verhalten eines trotzigen Kindes hinwegsieht. Merz muss sich dazu nun verhalten. Gibt er den Staatsmann, der sich kooperativ zeigt? Oder will er weiter in der Trotzecke verharren? So oder so, Scholz hat ihn unter Zugzwang gesetzt.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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15 Kommentare

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  • Aha, also noch ein "Ruck" durch den jetzt alles besser wird. "Deutschland-Pakt" statt "Bündnis für Arbeit." Alles neu! Haben wir nie zuvor gehört, so etwas! Hurra!

  • Erinnert an die Änderungen, die die Union an den Hartz-IV-Gesetzen im Vermittlungsausschuss 2003ff durchdrückte. Nur das die Ampel das offenbar dieses Mal freiwillig tun will. Das Ergebnis der Änderungen der Union damals ist bekannt.

  • Er hat ja auch Recht. Wenn die Krise wirklich so schlimm ist wie von den Kritikern behauptet, dann kann sie nur gelöst werden wenn Lagerübergreifend zusammengearbeitet wird.

    • @FancyBeard:

      Die "Krise" ist so, wie die "Krise" immer ist, wenn der Kanzler / die Kanzlerin kein CDU-Parteibuch hat. Als Kohl Mitte der 90er 5 Mio Arbeitslose hatte, was das gar kein Problem, wir steigerten weiter das Bruttosozialprodukt und alles was Friede, Freude Eierkuchen. Als Schröder dann ein paar Jahre später ähnliche Zahlen hatte, stand der Untergang kurz bevor ...

  • Pure Verzweiflung eines schwachen Kanzlers !! Da er sich in seiner Regierungskoalition nicht durchsetzen kann soll jetzt die Opposition die Arbeit für ihn machen.

  • @ MITCH MILLER - Die Fehler warn in 12 der 16 Merkeljahre auch die Fehler der SPD !

    • @lesnmachtdumm:

      Die SPD war aber nur der Quotendepp - selber schuld natürlich, kann man sagen.



      M.W. waren aber die entscheidenden Minister von der CDU. Abgesehen von Gabriel...aber warum sollen SPDler nicht von der Industrie lobbyiert werden mit genügend ihrwisstschon.

  • So ist es ja auch echt schlicht und ur-richtig.



    Und ich denke, die meisten von uns fühlen es eigentlich... irgendwie.

    Spaltung ist eine Sachgasse ohne Perspektive.

    "Versöhnen statt spalten."



    Dann können wir auch endlich gemeinsam anpacken und dann werden wir auch viel bewegen können.

  • Hehe...schlauer Zug. Jetzt muss Merz zeigen, ob er kooperieren und gestalten will oder nur meckern.

    Aber was wird das dann? Eine Art Riesengrosse Koalition bei der er die CDU durch die



    Hintertür mit ins Boot der Ampel holt?

    Abgesehen von der an sich guten Taktik hiesse das aber, dass man die Verursacher dazuholt, um ihre eigenen Fehler einzugestehen und zu revidieren?

  • Super Bild, danke😁

  • Ein erfreulicher Kommentar.



    Die Botschaft ist es ebenfalls.



    Vorhandene Probleme sind nämlich nicht mit dem Fingerzeig auf Andere zu lösen.



    Die eigene Nase ist auch viel leichter erreichbar!



    So wäre beispielsweise Urlaub ohne Fliegen oder Schiff bereits ein guter Schritt zu weniger Klimaschaden.



    Lokales Einkaufen einheimischer Produkte würde aktiv die Wirtschaft unterstützen und somit dem Staat Steuergelder für die vielfältigen Aufgaben zur Verfügung stellen.



    Gleichzeitig würde die Abhängigkeit von fragwürdigen Ländern wie China geringer und Sklaverei bzw. Zwangsarbeit nicht befördert.



    Longlife Klamotten statt fast Fashion,



    gleiches gilt für die Einrichtung.



    Viele Forderungen von Klimaschützern sind sinnvoll, an Vielem kann frau/man auch teilnehmen.



    Wenn Alle nur noch umweltfreundlichen Strom kaufen oder sogar produzieren, eine umweltfreundliche Heizung einbauen und vielleicht mal einen Urlaub ausfallen lassen und das Haus energetisch sanieren, ist Einiges geschehen, was natürlich auch wirtschaftlich relevant ist.



    Es ist mal wieder Zeit den Hintern vom Sofa zu lösen und statt der Konsole mal was Richtiges, im echten Leben anzupacken.



    Stellen wir den alten Slogan auf den Kopf:



    es gibt viel zu tun, packen wir es an!

  • Kindergarten as usually.



    Schade, das es nichts neues, ernstzunehmendes, oder wichtiges in der deutschen Politik gibt, über das berichtet werden könnte.

  • Nimmt der Kanzler der Opposition damit wirklich den Wind aus den Segeln oder bestätigt er damit nicht eher deren Position. Meines Erachtens eher letzteres, womit die gescholtene Nicht-Kreuzberg-Kampagne der CDU letztlich bestätigt wird.

  • Ich bezweifle, dass diese "Aufbruchstimmung" auch bei der Bevölkerung ankommt. Dazu bräuchte es erstmal greifbare Verbesserung etwa bei Infrastruktur, Stompreisen, Wirtschaftswachstum usw.

    • @gyakusou:

      "Dazu bräuchte es erstmal greifbare Verbesserung etwa bei Infrastruktur, Stompreisen, Wirtschaftswachstum usw."



      Zäumen Sie den Gaul nicht von hinten auf? Ich verstehe den Pakt nämlich so, dass genau diese Ziele erreicht werden sollen.