Nato-Gipfel in Litauen: Ukraine-Beitritt aber ohne Zeitplan

Der Nato-Gipfel plädiert für die Aufnahme der Ukraine in das Bündnis wie schon 2008. Ein Zeitplan aber fehlt. Den hatte Ukraines Präsident gefordert.

Wolodomir Selenski mit seiner Frau bei einer Veranstaltung zur Ukraine in Vilnius

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ist am Dienstag in Vilnius angekommen Foto: Kay Nietfeld/dpa

VILNIUS taz | Selten waren die Erwartungen an einen Nato-Gipfel vorab so hoch wie derzeit. Das Militärbündnis der 31 Mitgliedstaaten, das bis Mittwoch im litauischen Vilnius tagt, will Stärke und Entschlossenheit zeigen. Eine erste Baustelle – nämlich der durch die Türkei blockierte Beitritt Schwedens – scheint bewältigt. Und nach zähem Ringen konnte eine gemeinsame Haltung für einen zukünftigen Nato-Beitritt der Ukraine gefunden werden. Zumindest im Grundsatz.

Einigkeit besteht darin, der Ukraine nach Ende des russischen Angriffskriegs grundsätzlich eine Aufnahme in die transatlantische Allianz zu ermöglichen. Doch wie und wann soll dies passieren? Wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstagabend erklärte, wird auf den sonst üblichen Membership Action Plan (MAP) zur Heranführung von Beitrittskandidaten verzichtet. Allerdings gibt es in der am Dienstag veröffentlichten Abschlusserklärung keinen konkreten Zeitplan. Und genau den fordert der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski.

Konkret heißt es in dem Text: „Die Zukunft der Ukraine ist in der Nato. Wir bekräftigen unsere auf dem Gipfeltreffen 2008 in Bukarest eingegangene Verpflichtung, dass die Ukraine ein Mitglied der Nato wird (…).„ Zu einer Einladung der Ukraine zu einem Bündnisbeitritt wird die Nato der Erklärung zufolge allerdings erst in der Lage sein, „wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind“. Als konkrete Beispiele werden „zusätzliche erforderliche Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors“ genannt.

Selenski reiste mit Forderungen an

Nachdem lange unklar war, ob Selenski nach Vilnius reisen würde, landete er am Dienstag in der litauischen Hauptstadt und brachte Forderungen mit: „Die Ukraine verdient Respekt. Es ist unerhört und absurd, wenn kein Zeitplan festgelegt wird, weder für eine Einladung noch für eine Mitgliedschaft der Ukraine“, hatte er sich zuvor auf Twitter geäußert. Offenbar gibt es derzeit keine Bereitschaft der Nato dazu, kritisierte Selenski.

Er befürchtet offenbar, dass ein möglicher Beitritt der Ukraine zum Militärbündnis zur Verhandlungsmasse mit Russland wird und den Aggressor zu weiterem Terror motiviert, statt zu Friedensverhandlungen zu führen. „Unsicherheit bedeutet Schwäche.“ Darüber will Selenski am Mittwoch auf dem Gipfel sprechen. Bundes­außenministerin Annalena Baerbock zeigte Verständnis für seine Äußerungen. „Dieser Gipfel ist zur Unterstützung der Ukraine da“, sagte Baerbock. Bundeskanzler Olaf Scholz soll am Mittwoch mit Selenski zusammentreffen.

Sicher sein kann sich der ukrainische Präsident über weitere Geldzusagen und zusätzliches militärisches Gerät – damit die Ukraine sich weiterhin verteidigen könne, sagte US-Außenminister Antony Blinken in Vilnius vor Journalist:innen. Er versicherte, dass die Ukrai­ne ein „robustes“ Paket erhalten werde. Und: Im Moment sehe er keine Bereitschaft seitens Russlands für Verhandlungen. Wenn sich das ändere, wären die USA die Ersten, die sich an solchen Gesprächen beteiligten.

Erneut verteidigte Blinken zudem die Lieferung von Streumunition an die Ukraine. US-Präsident Joe Biden hätte sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Zusage hatte zuletzt für kontroverse Debatten gesorgt. Das international geächtete Kriegsgerät macht Gebiete auf Jahre unbewohnbar. Befürworter der Streumunition argumentieren mit fehlenden Waffenalternativen. Zudem will die Ukraine diese Waffen nur auf ihrem Territorium einsetzen und nicht auf russischem Gebiet.

Scholz will Sicherheit der Ukraine zusagen

Die Bundesregierung kündigte am ersten Gipfeltag in Vilnius ein rund 700 Millionen Euro schweres weiteres Militärpaket für die Ukraine an. „Es bedient die Prioritäten der Ukraine: Luftverteidigung, Panzer, Artillerie“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius, der gemeinsam mit Kanzler Scholz nach Litauen reiste. Man wolle damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Durchhaltefähigkeit leisten. Teil des Paketes sind unter anderem zwei Patriot-Startgeräte aus Bundeswehrbestand, weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 Kampfpanzer vom Typ Leo­pard 1 A5 sowie Artilleriemunition und ein Drohnensystem.

Beim Kriegsgerät soll es aber nicht bleiben. Scholz feilt derzeit mit den G7-Staaten an einer gemeinsamen Erklärung zur Sicherheit der Ukraine. „Für uns ist von Anfang an wichtig, dass es Sicherheitszusagen für die Ukraine gibt, die nach einem Frieden wirksam sein können“, sagte Scholz. Deren Ausgestaltung liegt dann bei den einzelnen Staaten.

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