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Schwarz-rote Koalition in BerlinSenat mit vielen Überraschungen

Sieben von zehn Se­na­to­r*in­nen im neuen Berliner Senat sind Frauen. Darunter die Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes und eine Baulobbyistin.

Die überraschendste Personalie ist dabei die künftige Justizsenatorin für die CDU: Felor Badenberg Foto: Metodi Popow/imago

Der designierte Berliner Senat enthält gleich mehrere Überraschungen. Auch wenn am Montag offiziell noch nichts feststand, sind die Personalfragen zwischen SPD und CDU schon weitgehend geklärt. Überraschend ist insbesondere ein deutlicher Frauenüberhang in der schwarz-roten Regierungskoalition. So sitzen im Senat des als rechtskonservativ geltenden baldigen Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) sieben Senatorinnen nur drei männlichen Kollegen gegenüber.

Die überraschendste Personalie ist dabei die künftige Justizsenatorin für die CDU: Felor Badenberg, promovierte Juristin und derzeit noch Vizepräsidentin im Bundesamt für Verfassungsschutz. Seit einem knappen Jahr ist die 47-Jährige dort im Amt, als erste Frau in der Führung der Behörde. „Eigentlich wollte ich für Gerechtigkeit sorgen und Richterin werden“, erklärte die gebürtige Iranerin, die mit 12 Jahren nach Deutschland kam und in Köln studierte, einmal der taz. Über ein Assessmentcenter landete sie 2006 dann beim Verfassungsschutz.

Badenberg arbeitete dort zunächst noch unter Hans-Georg Maaßen und trug seine Linie mit, vor allem auf den Islamismus zu schauen. Später trieb sie die Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall voran, auch gegen den Widerstand des damaligen Bundesinnenministers Seehofer. Badenburg erklärte den Kampf gegen Rassismus als „persönliches Anliegen“.

Für Aufsehen sorgte auch Cansel Kiziltepe (SPD), die Senatorin für Integration, Arbeit, Soziales sowie Vielfalt und Antidiskriminierung werden soll. Die gebürtige Kreuzbergerin hat erlebt, wie Verdrängung einen Stadtteil verändern kann, und sich bisher auch mit Klagen gegen Wohnungskonzerne ein Profil als linke Wohnungspolitikerin erarbeitet. Zuletzt war die 48-Jährige als Parlamentarische Staatssekretärin für SPD-Bauministerin Klara Geywitz tätig. ­Kiziltepe dürfte der Parteibasis auch als Gegengewicht für SPD-Chefin Franziska Giffey verkauft worden sein, die nur noch Wirtschaftssenatorin sein soll und damit zurücksteckt.

Lobbyistin der Baubranche

Aus einer Familie mit Zuwanderungsgeschichte stammt auch der neue CDU-Kultursenator Joe Chialo. Er ist ein Kind tansanischer Diplomaten aus Bonn, wuchs in einem Ordensinternat auf, lernte Fräser, war Metal-Sänger, Türsteher und Musikmanager. In den 90ern war Chialo kurz bei den Grünen, 2016 trat er wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik in die CDU ein. Dort kommt er immer wieder ins Spiel, wenn es um die „Kreativwirtschaft“ geht – und wenn Weltläufigkeit und Urbanität gefragt sind.

Kontrovers dürfte auch die neue Verkehrs- und Klimaschutzsenatorin sein: Für den Posten hat die CDU kurzerhand die Cheflobbyistin der Berliner Baubranche verpflichtet: Manja Schreiner. Kri­ti­ke­r*in­nen befürchten, dass mit ihr aus der Verkehrswende ein U-Turn werden könnte.

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5 Kommentare

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  • Huch, ein diverses Kabinett. Das ist ein besonders gemeiner Trick, mit dem die Koalition ihre bösen Absichten verschleiern will. Was kommt als Nächstes? Funktionierende Verwaltung? Bezahlbarer Wohnraum? Progressive Beobachter sind besorgt: Um die Bevölkerung zu täuschen, werden die Koalitionäre vor nichts zurückschrecken, fürchten sie.

  • Das ist ein Senat, der autoritäre Politik für Reiche verspricht. Polizeigesetz ala Bayern ist damit sicher. Dazu eine Wohnungspolitik, die Mietrendite auf Kosten der Mieter weiter explodieren lassen wird und eine Rückabwicklung der ohnehin viel zu zaghaften Verkehrs- und Klimaschutzpolitik hin zu einer CO2 neutralen Wenden.

    • @TeeTS:

      Wenn es keine Wohnungen gibt und auch keine gebaut werden, wird Wohnraum einfach unbezahlbar. Aber so ist das, wenn man ankündigt, die Wohnbaugesellschaften zu enteignen. Mir als ehem. DDR-Bürger war die Politik von RRG vollkommen unverständlich.

    • @TeeTS:

      Ja, und es wird Frösche regnen und die Spree wird Blut führen statt Wasser... beruhigen Sie Sich, unter diesem Senat wird Berlin genau so Scheiße bleiben wie unter jedem anderen davor.

      • @Wurstprofessor:

        Leider ist Berlin tatsächlich eine Albtraum-Stadt geworden. Sie haben ja so Recht!