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Zwei Jahre Nutri-ScoreManchmal ist sie zu Unrecht grün

Seit zwei Jahren soll die Lebensmittelampel Nutri-Score Ver­brau­che­r:in­nen vor Zucker- und Fettbomben warnen. Das klappt aber nur bedingt.

Diese Ampel fand sie gut: Ex-Agrarministerin Julia Klöckner, CDU Foto: dpa

Berlin taz | Seit zwei Jahren macht die Lebensmittelampel Nutri-Score den Einkauf bunter: Rund 610 Unternehmen mit etwa 970 Marken machen laut Agrarministerium mittlerweile mit. Auf der Vorderseite vieler Müslis, Tiefkühlpizzen oder Joghurts prangen die Buchstaben A bis E, hinterlegt mit Dunkelrün, Grün, Gelb, Orange und Rot. Rotes E heißt: zu fettig, zu süß, zu salzig, zu ungesund.

Am besten macht sich im Korb das dunkelgrüne A. Das ist leicht zu verstehen. Nur: Die Ampel kann auch in die Irre führen. Armin Valet kümmert sich bei der Hamburger Verbraucherzentrale um Ernährungsfragen. Er sagt: „Grundsätzlich empfehlen wir, auf den Nutri-Score zu achten, wir sehen aber Verbesserungsbedarf.“ So sei der Nutri-Score freiwillig, darum schaue in der Regel kein Lebensmittelkontrolleur darauf.

Das Ergebnis: Zum Beispiel besteht das Kakaopulver Nesquik von Nestlé zu mehr als 70 Prozent aus Zucker. Es trägt trotzdem ein grünes B, weil die fertig zubereitete Trinkschokolade und nicht das reine Kakaopulver bewertet wird. Nestlé empfiehlt fettarme Milch, die als gesund gilt. Würde Nestlé Vollmilch empfehlen, die mehr Kalorien und gesättigte Fettsäuren enthält, erhielte der Kakao ein C. Würde er in seiner Pulverform gegessen, ein D.

Valet sagt: „Ein Produkt, das A oder B ist, ist nicht grundsätzlich gesund. Diese Aussage kann so eine einfache Nährwertkennzeichnung gar nicht leisten.“ Innerhalb einer Produktkategorie seien Unterschiede aber „zuverlässig“ auszumachen: Erhält der eine Kakao ein B und der andere ein C, greift man besser zu B – aber ein bedenkenlos zu trinkender Durstlöscher ist der Kakao deshalb nicht.

Europaweite Lösung muss her

Was heißt das alles? Deutschland hat sich schon vor Längerem mit sechs Ländern zusammengetan, die den Nutri-Score eingeführt haben und weiterentwickeln wollen: Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz und Spanien. Die von ihnen zu Rate gezogenen Experten haben empfohlen, einen hohen Zucker-, aber auch Salzgehalt strenger zu bewerten. Pflanzliche Öle sollen um eine Klasse besser bewertet werden als bisher.

Ab wann das greifen wird, ist noch offen. Für Verbraucherschützer Valet ist entscheidend, dass die Ampelkennzeichnung „verpflichtend wird“. Sie wirke erst richtig, wenn alle Produkte das Logo tragen – und dies kontrolliert wird. Das müsste europaweit geregelt werden. Die EU-Kommission hat zwar einen Vorschlag für eine einheitliche Kennzeichnung zugesagt. Bisher stemmen sich Länder wie Italien aber dagegen. Sie fürchten, dass etwa Parmesan schlecht bewertet wird.

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25 Kommentare

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  • Haha letztes Mal Lust auf Backofenpommes... Da war echt ein dunkelgrünes A drauf.

    • @Gostav:

      Backofenpommes bestehen aus viel Wasser und wenig Kalorien, liefern hochwertiges pflanzliches Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe.

      Das Problem ist das viele Fett, dass Sie eventuell noch dazu gießen.

  • Mir ist gar nicht aufgefallen, dass es diesen Nutri-Score gibt.

    So geht es einem, wenn man diesen hochverarbeiteten Scheiss gar nicht kauft.

    • @Jim Hawkins:

      Der Nutriscore findet sich sogar auf unverarbeiteten Mandeln. Halt nicht auf allen, da freiwillig. Ist nicht nur auf stark verarbeiteten Lebensmitteln enthalten. Auf manchen ungesüßten Haferflocken auch entahlten. Beides mit A bewertet, da u.a. ungesüßt ...

      • @Hannah Remark:

        Schau mal einer an, das wusste ich gar nicht. Danke für den Hinweis.

        Da bin ich doch gleich mal in die Speisekammer gegangen und siehe da, meine Hafermilch spielt in einem B-Movie mit.

        Vorne steht drauf "Ohne Zuckerzusatz" und hinten in der Tabelle "Zucker 5,1 g auf 100 ml". Das sind 51 Gramm auf den Liter.

        Da kann ja ich gleich Cola kaufen.

        • @Jim Hawkins:

          Ja, Hafermilch und insbesondere auch Reismilch enthält wohl aufgrund der Fermentation sehr viel Zucker. Deshalb nur ein B. In Maßen genossen aber wohl okay. Haferflocken selbst sind ungesüßt und ohne sonstige Zusätze ein A.

          Bei Cola sind es laut Google übrigens: 10,6 Gramm Zucker finden sich in 100 Milliliter Cola.

        • @Jim Hawkins:

          In der Vollmilch stecken ja ganz ohne Zuckerzusatz auch 4,7% Milchzucker.

  • Genau das haben die Kritiker schon vor Einführung des Nutri-Scores vorhergesagt.

    Sie erinneren sich sicher an die milliardenschwere Lobbyschlacht der Lebensmittelindustrie als über eine Lebenmittelampel diskutiert wurde ?

    Und aus dieser Zeit schaukeln doch noch immer Politikerjachten in diversen verschwiegenen Mittelmeerhäfen.

  • So so, da hat Frau Klöckner also alles richtig gemacht bis auf ein paar Haare n der Suppe.

    Und weil das so gut funktioniert soll das nun alles wieder rückgängig gemacht werden bis wir es dann in 10 Jahren wieder für ganz EU wieder einführen.

    • @Rudolf Fissner:

      Haare in der Suppe: Wie wahr.

      Allerdings sind das hier schon sehr krause Haare ...



      Guten Appetit !

  • Greenwashing mal Anders!



    Was ist von einer Weinkönigin zu erwarten?



    Greenwashing Nr. 2 war ja: Alles für Bienen tun, indem Die Glyphosat Zulassung verlängert wurde ...

  • Nur weil die Leute nicht verstehen, wie der Nutri-Score funktioniert und welche Einschränkungen er hat, muss man ihn nicht abschaffen.

    Stattdessen den Leuten besser klarmachen, dass er nicht spartenübergreifend funktioniert (also nie Cola mit Fruchtsaft vergleichen oder Brötchen mit Pizza), sondern nur innerhalb einer Produktkategorie aussagekräftig ist (also Cola A mit Cola B oder Pizza A mit Pizza B).

    Die wenigsten haben die Zeit und Geduld im Supermarkt von jedem Produkt das Kleingedruckte zu lesen und zu vergleichen. Also ist die Ampel schon praktischer.



    (Trotzdem empfehle ich jedem mal Zuhause in Ruhe Zutaten und Nährwerte der meistgekauften Artikel durchzulesen, da findet man sehr oft Überraschungen, die man nicht erwartet hätte!)

    Als App empfehle ich dazu auch OpenFoodFacts:



    de.openfoodfacts.org/



    Das ist wie Wikipedia für Lebensmittel, also ein nichtkommerzielles Gemeinschaftsprojekt.

    • @tazzy:

      Die Empfehlung für OpenFoodFacts kann ich nur unterstützen, wirklich toll! Außer dem Nutriscore ist oft auch der Ecoscore angegeben. Spaßeshalber habe ich dort Pesto rosso nachgeschaut: über 100 Produkte mit recht unterschiedlichen Bewertungen. Das zeigt, wie sehr verarbeitete Lebensmittel, die unter demselben Namen gehandelt werden, von einander abweichen können. Bei den vielen Zutaten und Rezepturen allerdings kein Wunder, aber schon erstaunlich, was da alles als Pesto ausgegeben wird. Bei Rahmspinat ist die Sache einfacher, aber da überraschen die variierenden Werte beim Ecoscore. Schon eine hilfreiche App/Website.

  • Also je weniger Nutri(tion) in einem Produkt, desto besser der Score. Schöne neue Dekadenz-Welt. ;)

    • @Fabian Wetzel:

      Ernährung dient nicht nur der Kalorienaufnahme.

  • Irgendwie erinnert mich das an "The heavy/ Wonneproppen", den Bericht der Mutter über die "Diät mit 7". Da wurde dem armen Kind unter anderem Hummus verboten, weil das kalorienreich war - die Diätberaterin ging auch nach einer Ernährungsampel - und stattdessen bekam das Kind als "Snack" "künstliche Sahne", weil da alle möglichen Zusatzstoffe drin waren, aber wenige Kalorien.



    Statt Kennzeichnungen auf Lebensmitteln sollte man vielleicht verpflichtend in der Schule 2 Stunden Ernährungslehre/ Hauswirtschaft in jedem Schuljahr einführen, wo man dann lernt, gesunde Gerichte zuzubereiten - Gerichte, die man sich in jedem Alter auch selbst zubereiten kann, also auch Sandwiches oder Müslis - und über Nährstoffe, Nährstoffbedarf, Tageskostpläne usw. informiert werden, später vielleicht auch über ernährungsabhängige Krankheiten etc.



    Also einfach den Schülern beibringen, selbst zu beurteilen, was gesund ist und was nicht. Dafür könnte man auch regelmäßige Übungen im Zutatenlesen machen. Was steht auf der Packung, was bedeutet das, wie groß wäre die Portionsgröße, gehört das zum vollwertigen Essen oder ist das eine Süßigkeit/ Fastfood? Kann ich das als Mittagessen essen oder ist das eher ein Zusatz, den ich nur wegen des Geschmacks esse?



    Und auch: Wie kann ich "gesundes Essen" für mich lecker zubereiten, ohne unnötige Kalorien zuzufügen oder Zusatzstoffe, die ich eigentlich nicht aufnehmen möchte?

    Stattdessen bringen wir Erwachsenen bei, sich um das Thema inhaltlich gar nicht mehr zu kümmern und stattdessen auf Farbampeln auf Verpackungen zu achten!

    • @BlauerMond:

      Wieso "statt"?

  • Solange Direktsaft mit Fruchtfleisch schlechter dasteht als Aspatham-Cola und ein so wertvolles Lebensmittel wie handwerklich hergestellter Käse schlechter als Light-Glyphosat-Chips ist das aus meiner Sicht ein Witz. Kalorien sind NICHT ungesund und natürliche, wenig bearbeitete Lebensmittel mit hoher Kaloriendichte schon gar nicht, das ist hochwertige Nahrung die sehr effizient die lebensnotwendige Energie liefert. Man muss so viel verbrennen wie auf den Grundumsatz draufkommt, was bei einem gesunden, sprich aktiven Lebensstil automatisch der Fall ist. Mit dieser ganzen ach so empfehlenswerten Diätnahrung wäre ich bei meinem Verbrauch schon längst verhungert. Wer sich so wenig bewegt, dass keine Nüsse und keine Obstsäfte drin sind und auch kein Stück Torte ab und zu, der hat ganz andere Probleme in Produktion...

    • @Eva Kern:

      Nun kann aber ein Label wie der Nutriscore eben kaum Lebensstil, Sportprogramm oder Verzehrmenge der Kund*innen berücksichtigen und man kann sich durchaus auch mit Bio-Fruchtsaft und traditionell, handwerklichem Rohmilchkäse katastrophal schlecht ernähren. Vieles von dem was gemeinhin als chemische Zusatzstoffe gilt ist bei näherer Betrachtung sehr viel natürlicheren Ursprungs als vermutet während umgekehrt auch etliches Naturbelassenes weit weniger gesund ist als oft angenommen.



      Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ist übergewichtig und da ist es dann durchaus sinnvoll die Aspartam-Cola eher als Getränk zu empfehlen als den Fruchtsaft oder auch das Glas Milch, die vom Nährwert her eben eher Nahrungsmittel als Getränke sind.

      • @Ingo Bernable:

        Nein, widerspricht dem Stand der Forschung. Süss-Stoffe haben eine extra hohe Insulin-Antwort und sind aus ernährungsbiologischer Sicht absolut unannehmbar.



        Milch ist aufgrund der Wachstumsfaktoren für Erwachsene höchstens in Form der "kastrierten" H-Milch verträglich.



        Und der Grundsatz - hochverarbeitet ist maximal schlecht - gilt uneingeschränkt.



        Müssen die Leute halt wieder mehr selber kochen und weniger Lieferdienste , TK-Kost etc. nutzen, das bringt dann auch finanzielle Einsparungen, die man in die Qualität der Lebensmittel stecken kann.

        • @u62:

          "Nein, widerspricht dem Stand der Forschung. Süss-Stoffe haben eine extra hohe Insulin-Antwort und sind aus ernährungsbiologischer Sicht absolut unannehmbar."



          Das hängt halt immer davon ab welche Alternative man dagegensetzt. Über die äquivalente Suße aus Monosacchariden würde die Forschung aus ernährungsbiologischer Sicht sicher auch nicht jubeln. Dass es immer noch besser und gesünder geht und die Vollkorn-Rohkost-Diät besser abschneidet ist halt klar, aber das ist eben nicht der Modus in dem die Mehrheit sich ernähren möchte.



          "Und der Grundsatz - hochverarbeitet ist maximal schlecht - gilt uneingeschränkt."



          Als grobe Richtschnur mag das häufig stimmen, aber allzu einfachen Wahrheiten Absolutheitsanspruch zuzuschreiben geht idR schief.

          • @Ingo Bernable:

            Dem letzten Halbsatz kann ich natürlich zustimmen. Trotzdem verbrennt man sich an heissen Oberflächen immer die Finger. Hab's auch nur als grober Richtschnur gemeint - vermeiden wenn's geht, und es gibt sicher das ein oder andere hochverarbeitete Lebensmittel, das ok ist. Aber ich glaub da sind wir uns eh einig (einiger als bei Atomkraft).

  • Besser noch als der Nutri-Score: Gesetzlich vorgeschriebene und von unabhängigen, wissenschaftlichen Instituten empfohlene Maximalmengen an Zucker, Cholesterine, Fetten und Salzen pro 100g in Lebensmittel einführen.

    Diese Maximalmengen sind so zu wählen, dass der durchschnittliche Mensch, der trotzdem Zucker, Fette oder Salze in irgendeiner Form benötigt, unter keinen Umständen ungesund ernährt werden kann.

    Dies, kombiniert mit einer veganen Ernährung, sollte natürlich gefördert werden. Sonst werden wir niemals eine Revolution in Sachen Ernährung erlangen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Dann haben Sie aber nur noch hochverarbeitete Fertignahrung im Supermarkt, weil Zucker und Butter oder Salz nicht mehr als Zutat verkauft werden dürfen.



      Wenn schon radikal, sollte es genau umgekehrt sein: Die Zutatenliste darf maximal drei Punkte aufweisen. (Zusätzliche Zutaten, die als Zutat der Zutat angegeben werden, müssen mitgezählt werden)

      • @Herma Huhn:

        Und auch keinen Käse.

        Wobei man das Produnktklassenspezifisch durchaus probieren könnte.

        Bei Fruchjoghurt zum Beispiel. Möglicherweise gibt es dann aber keinen Fruchtjoghurt mehr, sondern nur noch Früchte-Nachtisch.