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Pläne zur Cannabis-LegalisierungNoch nicht berauschend

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Das Eckpunktepapier zur Cannabislegalisierung ist deutlich verbessert. Allerdings hat die Bundesregierung wohl ernste Sorgen, an der EU zu scheitern.

Teilnehmerin bei der Hanfparade läuft für die Legalisierung Foto: Jörg Carstensen/dpa

D ie gute Nachricht: Das mit allen beteiligten Bundesministerien abgestimmte Eckpunktepapier zur Cannabislegalisierung in Deutschland ist deutlich besser als die vergangene Woche durchgestochene Rumpfversion. Der Unsinn etwa, den THC-Gehalt auch für den Verkauf an über 21-Jährige auf maximal 15 Prozent zu begrenzen, ist vom Tisch. Es wäre ein berauschendes Argument für den Fortbestand eines opulenten Schwarzmarkts gewesen. Und das Papier ist in wesentlichen Teilen schon recht detailliert – nur bei wenigen Streitpunkten soll noch „geprüft“ werden.

Vor allem aber: Cannabis fällt in Gänze aus den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes – das macht eine vernünftige, Gesundheits- und Jugendschutz in den Vordergrund stellende Drogenpolitik in diesem Bereich überhaupt erst möglich.

Die schlechte Nachricht: Die Bundesregierung hat offenbar tatsächlich massive Bedenken, ob der deutsche Vorstoß in der EU und international akzeptiert wird oder zu diversen Vertragsverletzungsverfahren führt. Um einen Reinfall wie bei der von der CSU einst geplanten Einführung der Autobahnmaut zu vermeiden, soll jetzt also das Eckpunktepapier zur Vorprüfung an die EU-Kommission – und wenn die Nein sagt, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch, ist das ganze Vorhaben erst einmal vom Tisch.

Das ist Hochrisikopolitik. Denn auch Lauterbach und seine SPD haben erst vor eineinhalb Jahren endlich verstanden, dass Legalisierung und Kontrolle für das Erreichen der eigentlichen Ziele von Drogenpolitik, also Gesundheits- und Jugendschutz, viel besser geeignet sind als die seit Jahrzehnten scheiternde Prohibition. CDU/CSU und AfD kapieren das bis heute nicht. Eine ra­tio­nale Drogenpolitik jetzt davon abhängig zu machen, dass weder die Kommission noch eine andere EU-Regierung von Orbán bis Meloni den deutschen Ansatz torpedieren, hat gute Chancen, nach hinten loszugehen. Ein Plan B, von dem Lauterbach derzeit nichts wissen will, muss jetzt schnellstens her.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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14 Kommentare

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  • Wieso ist es "Hochrisikopolitik", wenn eine Regierung erst prüft, ob ein Gesetz legal sein kann, bevor sie es verabschiedet? Ganz im Gegenteil. Genau so muss es laufen.

  • 1A Einordnung.

    Dachte schon die Welt ist komplett verrückt geworden, als die TAZ gegen die Legalisierung und die BILD dafür gewesen ist. Schön, hier wieder die Vernunft lesen zu dürfen.

    Auch schön ist ja, dass sich die Hanfaktivisten seit 50 Jahren um die Legalisierung bemühen. Je mehr Pro-Legalisierungs-Politiker mit ihren eigenen Vorstellungen gegen die Wand fahren, umso mehr greift man auf das breite und seit Jahrzehnten gesammelte KnowHow der Aktivisten zurück. Eigentlich könnte sich Lauterbach entspannt zurücklehnen und die Experten machen lassen, dann wird das auch was bis 2024.

    Doch wenn es wirklich scheitert, dann nicht an der EU, sondern an der Kompetenz und dem Willen der deutschen Politik. Schade, dass das gar nicht so unwahrscheinlich ist.

  • Dr BundesKANNzler wird ein machtvolles "Megawums" sprechen müssen!

    Unser Gesundheitsminister weiß, was er tut. Den ein oder anderen Änderingsvorschlag wird es schon geben. Der wird berücksichtigt.

    Allen EU Beteiligten ist klar, dass wir dann eben weiter den Schwarzmarkt nutzen.



    Die Folgen einer verfehlten Drogenpolitik will niemand verantworten.



    Und das die Deutschen Christen Demokratisch dagegen sind, liegt auf der Hand, O'zapft is...

  • Wie wollen es die so freigiebigen Politiker verhindern, dass jetzt genau das Gegenteil einsetzt von dem, was unter der Decke läuft: Dass ein neues Geschäftsmodell 'Cannabis' entsteht, Landwirte ihre Produktion umstellen und damit sich das Drama noch einmal potenziert ? Ich fürchte, der Schuß geht nach hinten los, auch wenn ich ratlos bin, wie wir dem illegalen Handel wirksam begegnen können. Durch eine vermeintliche 'Mengenbegrenzung' des Stoffs verhindert kein Gesetz einen sich noch weiter ausbreitenden Konsum, wenn die Drogenpolizri mit der Briefwaage unterwegs ist. Fatal !

  • Andersherum wird ein Schuh draus. Wir dürfen aufgrund internationaler Verträge Drogen nicht legalisieren. Wollen wir dies ändern, müssen wir halt erst die internationalen Verträge ändern und können dann entsprechende Gesetze erlassen.

    Einfach gegen diese Verträge zu verstoßen (aka Malta) dürfte für Deutschland wohl keine Option sein.

    • @DiMa:

      "aufgrund internationaler Verträge"



      Das ist so formuliert allerdings schon maximal unkonkret.



      Soweit ich es überblicke ist der Freizeitkonsum global inzwischen in einer zweistelligen Zahl an Staaten legalisiert worden, uA auch in Kanada und einigen US Bundesstaaten. In Hinblick auf die UN Single Convention scheint es also durchaus möglich zu sein eine andere Drogenpolitik zu etablieren. Etwa durch Austritt und Wiedereintritt unter Vorbehalt.



      Damit blieben die EU-Regelungen. Schengen sollte doch eigentlich kein Problem sein, da es ja um Konsum und nicht um Im/Export geht, der heimischen Wirtschaft dürfte es entgegen kommen. Der EU-Ramenbeschluss der iA als Haupthindernis einer dt. Legalisierung angeführt wird und Mindeststrafen von den Mitgliedsländern fordert formuliert: "Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie ohne entsprechende Berechtigung vorgenommen wurden: a) das [...] Zubereiten, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern [...]" und weiter "Die Handlungen nach Absatz 1 fallen nicht in den Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses, wenn die Täter sie ausschließlich für ihren persönlichen Konsum im Sinne des nationalen Rechts begangen haben." sowie "Jeder Mitgliedstaat kann vorsehen, dass der Versuch des Anbietens oder der Zubereitung von Drogen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a) sowie der Versuch des Erwerbs von Drogen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c) keinen Straftatbestand darstellt." Demnach müsste eine Legalisierung doch möglch sein wenn man die Händler zum Handeln berechtigt und Konsument*innen ausschließlich persönlich konsumieren (wie auch anders?).



      eur-lex.europa.eu/...32004F0757&from=DE



      Wo also in den internationalen Verträgen ist das unüberwindbare Hindernis für eine Legalisierung?

      • @Ingo Bernable:

        Kanada ist wohl eher ein schlechtes Beispiel, weil Kanada einfach gegen die UN-Verträge verstößt und einfach darauf setzt, nicht gerügt zu werden. Sas ist wohl nicht der Weg des deutschen Abgeordneten.

        Im Übrigen: www.lto.de/recht/h...ertragsverletzung/

      • 6G
        650228 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Danke für diese Aufklärung!

  • Ich halte das Europa-Argument für ein Feigenblatt dafür, dass die Ampel das garnicht will.

    Man will aber auch den ohnehin schon desillusionierten Wähler (und besonders "Grünen-Anhänger) nicht noch weiter durch geplatzte Träume vergräzen.

    Also agiert man in schon Jahrtausende alter Manier:

    "Die Götter wollen das nicht"

    Ein sehr deutliches Indiz ist auch, mit welchen abstrusen Vorschlägen agiert wird: Das Material soll nur aus zertifizierter Quelle erlaubt sein, der Wirkstoffgehalt soll festgelegt werden usw.



    Alles Dinge die der Verbraucher nur ausgesprochen schwer nachprüfen kann - und die bei anderen Sachen völlig undenkbar sind.

    Oder muss etwa die Tomate auf der Pizza aus zertifizierter Quelle stammen? Oder der Apfel im Mus ?

    • @Bolzkopf:

      Hier kennt scheinbar jemand nicht die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011 die die Vermarktung von Tomaten in der EU regelt. Natürlich muss eine Tomate eine Zertifizierung haben, Ausnahme ist nur eine direkte Abgabe ab Hof an private Verbraucher.

    • @Bolzkopf:

      Ich glaube zwar auch, dass die Legalisierung an dem Weg über die EU scheitern wird, aber der Vergleich mit der Pizza ist absurd. Erstens wurde die Wirkstoffgrenze für über 21 jährige gestrichen, zweitens müssen diverse Punkte ohnehin noch diskutiert werden und drittens werden Wirkstoffgrenzen auch bei anderen Substanzen reguliert und festgeschrieben. Auf jeder Flasche Alkohol steht deren Gehalt drauf und dies ist auch eine wichtige Angabe. Natürlich kann man darüber streiten, ob man erwachsenen Menschen vorschreiben muss, wie stark die Substanzen sein dürfen, die sie konsumieren, aber das ist ein anderer Punkt. Die Pizza taugt hier keineswegs als Vergleich, obwohl es auch dort gesundheits- und lebensmittelrechtliche Punkte gibt, die einzuhalten sind.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Hanf ist grün.



      Die Grünen sind Hanf.

  • Auf Grund der aktuellen Weltlage kann eine zusätzliche legale Droge helfen.



    Die Polizei kann sich wieder dem Strassenverkehr zuwenden.



    Für zwei Gramm Hasch ein Kilo Papier zwischen den Ämtern sind einfach zuviel Aufwand. Der Bürger erhält auf seine Fragen wieder Antwort.



    Die Jugend erkennt endlich die Weisheit ihrer Eltern.



    Wer jetzt noch stören könnte, neben der EU, ist der Alkoholhandel. Er verliert sein Monopol auf den Rausch. Und das bei sinkenden Bierumsätzen.



    Die CDU betont den Leumund von Wodka Gorbatschow. Durch nichts zu ersetzen. Schließlich ist ein nicht unerheblicher Teil der Mitgliedschaft irgentwie beteiligt.Zumindestens passiv.



    Und die Scene? Entlastet das Klima. Keine Autofahrten mehr nach Amsterdam.



    Wäre doch in diesen Zeiten nicht schlecht.



    Noch ein plus ist sichtbar,vollkommen verödete Einkaufsmeilen werden wieder attraktiv, "Coffeeshop" ich hör dir trapsen.



    Es wird nicht mehr in jede Ecke gepinkelt, das passiert ja nur mit Bier.



    Alles in allem also eine Überlegung wert.

  • Ein Plan B könnte sich an Malta orientieren.