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Bündnis ruft zu Energie-Protest aufAlle durch die Krise bringen

Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis ruft für Samstag zu bundesweiten Energiepreisprotesten auf. Rechte sind dabei aber nicht erwünscht.

Nicht mit den Rechten: Gegendemo zu Protesten der AfD unter dem Motto „Heißer Herbst“ in Berlin Foto: M.Golejewski/AdoraPress

Berlin taz | Unter dem Motto „Solidarisch durch die Krise – soziale Sicherheit schaffen und fossile Abhängigkeiten beenden“ ruft das neu gegründete Bündnis „Solidarischer Herbst“ für kommenden Samstag zu Demonstrationen in sechs deutschen Städten auf: Berlin, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt a. M., Hannover und Stuttgart.

Das Bündnis ist seit Beginn des russischen Angriffskrieges und der damit einhergehenden Energiekrise das bislang breiteste, das gemeinsam für Klimaschutz, eine gerechte Gesellschaft und Solidarität mit der Ukraine mobilisiert. Neun Haupt­or­ga­ni­sa­to­r:in­nen – die Gewerkschaften GEW und Verdi, die Sozialverbände Attac, Campact, Volkssolidarität und der Paritätische, die Umweltverbände BUND und Greenpeace sowie der Verein Finanzwende – unterstützten den Aufruf.

Diese Vielseitigkeit des Bündnisses spiegelt sich auch in dem Forderungskatalog wider, der am Dienstag bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Die Grundforderung: eine Sozial-, Umwelt-, und Finanzpolitik, die sich nicht in kleinschrittigen Reformansätzen verliert, sondern zukunftsfähig ist und somit alle sicher durch die Krise bringt.

„Schon letztes Jahr lebten 14 Millionen Menschen in Deutschland in Armut, 2 Millionen Menschen sind auf ein regelmäßiges Essen bei der Tafel angewiesen“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Inflationsbedingt sei der Preis von Lebensmitteln nun um 18 Prozent angestiegen, und die steigenden Lebensinstandhaltungskosten und Energiepreise reißen insbesondere jene, die bereits unter oder knapp über dem Existenzminimum leben, in noch tiefere finanzielle Nöte.

„Germany first“ soll zu Hause bleiben

Die aktuellen Krisen träfen in Deutschland auf eine Gesellschaft, die zutiefst ungleich sei und „uns so verwundbar“ mache. Diese Verwundbarkeit werde insbesondere von der AfD und außerparlamentarischen rechten Gruppierungen genutzt, um die Gesellschaft zu spalten. „Eine Abspaltung nach extrem rechts und nach extrem links müsse dringend verhindert werden“, so die stellvertretende Vorsitzende von Verdi, Andrea Kocsis. Die Veranstaltenden spielen dabei auf die parallel laufenden Energieproteste von Linkspartei und Rechten an, die je montags stattfinden und beide unter dem Motto „Heißer Herbst“ laufen.

Nun hat die Linke selbst zu der Demonstration des Bündnisses „Solidarischer Herbst“ aufgerufen. In der Mitteilung heißt es, die Partei teile die Forderungen nach einer Übergewinnsteuer, einer gerechten Entlastung, Investitionen in den Klimaschutz und einer Gesamtstrategie für bezahlbare Grundversorgung. Wie die Partei jedoch dazu steht, dass das Bündnis sich klar von „Linksnationalisten, wie sie auch in der Linkspartei mit Wagenknecht, Dağdelen und Ernst vertreten sind“, wie Mitveranstalter Christoph Bautz in einem Interview im Deutschlandfunk erklärte, abgrenzt, bleibt unklar.

„Manche sehen in den aktuellen Krisen eine Chance, zurück in die Vergangenheit zu rudern. Sie wollen Energie wieder aus Atomkraft, Gas und Kohle gewinnen, mit dem Kriegstreiber Putin zusammenarbeiten und an den Klimazielen rütteln“, warnt Antje von Broock vom Umweltverband BUND.

Für das Bündnis bedeutet zukunftsfähige Krisenbewältigung, bestehende Zusammenhänge zu erkennen und anzugehen. Soziale Entlastungen sollen unter anderem durch einen sofortigen Mietenstopp, eine zu versteuernde Soforthilfe von 500 Euro und eine Erhöhung des Bürgergeldes um 200 Euro erreicht werden.

Das Bündnis möchte auch nach Samstag geschlossen auf die Politik Einfluss nehmen. Dazu braucht es nun aber erst einmal die zivilgesellschaftliche Unterstützung auf den Straßen. Nur wer meint: „Germany first oder aber auch soziale Sicherheit first, soll mit seinen Plakaten zu Hause bleiben“, so ­Schneider.

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5 Kommentare

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  • Die einzigen, die sich fast komplett aus dem hier beginnenden Bündnis heraushalten sind die Möchtegern-Grünen, die mit der gesellschaftlichen Realität permanent steigender Armut, weil menschliche Arbeitskraft = Existenzen durch Energieverbrauch und Automaten zugunsten der großen, auf dem Weltmarkt auftretender und das Klima zerstörender Unternehmen ersetzt werden, nichts mehr zu tun haben. Im Gegenteil: Sie raffen weiter Gas Oil und Kohle, um den zerstörischen Laden am Laufen zu halten, Statt die großen Verschmutzer einfach zugunsten der kleineren und mittleren Betriebe, die wir auch nach dem Ende des Kapitalismus noch brauchen sowie der 'Privaten' SOFORT abzustellen. Ich verstehe den blinden Parteiaktionismus so vieler -inzwischen kleingäubiger. Grünen an dieser Stelle nicht, dabei werden doch für die gesellschaftliche Neuordnung alle mitdenkend benötigt.

  • Wo gibt es eine Gefahr der Abspaltung nach extrem links? Auf der rechten Seite gibt es gleich mehrere Gruppierungen, die unsere Gesellschaft spalten und die Demokratie beenden wollen. Aber links??? Da ist Verdi noch eine Erklärung schuldig.

  • Ich verstehe nicht, wieso man als Verdi Funktionärin hier unbedingt nach rechts und links abgrenzen muss.



    Es gibt nicht wenige Mitglieder, die sich selbst zur radikalen Linken zählen. Und durch solche Aussagen spaltet man den eigenen Protest, anstatt anzuerkennen, dass man gerade alle Gruppen, die solidarische Lösungen bevorzugen, auf der Straße braucht.

    • @Piratenpunk:

      Genau aus diesem Grund bin ich vor ein paar Jahren aus der Verdi ausgetreten. Dieses ständige ideologisch bedingte Abgegrenze sorgt bei den Mitgliedern nur für Verdruss und Kopfschütteln.



      Man fühlt sich dann, unabhängig von seinem eigenen politischen Kompass, in seinem Berufsumfeld nicht mehr gebührend gewerkschaftlich vertreten.



      Jedes Jahr heult der Vorstand von Neuem wegen dem Mitgliederschwund, den rosa Eelefanten im Raum will aber in der Chefetage keiner sehen.



      Pech gehabt.

  • Wenn dies auch gegen die Erdgasverbrauchs-Prämie geht, möchte ich dabeisein.