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Gaspreisdeckel der AmpelUnd es hat Wumms gemacht

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die staatliche Preisbremse kommt spät und ist teuer – sie ist aber bitter notwendig. Der gesellschaftliche Frieden steht auf dem Spiel.

Robert Habeck und Christian Lindner konnten sich gemeinsam mit Scholz doch noch einigen Foto: Lisi Niesner/reuters

T ausend Mal kritisiert, tausend Mal ist nichts passiert. Aber nun ist die Gasumlage für Ver­brau­che­r:in­nen tatsächlich Geschichte. Und mehr noch: Die Bundesregierung spannt einen 200 Milliarden Euro weiten Schutzschirm auf, der auch eine Preisbremse für Gas und weitere Hilfen für Unternehmen umfasst. Es hat tatsächlich Wumms gemacht oder, um es mit den Worten des Bundeskanzlers zu sagen: Doppelwumms.

Dieser Wumms – der erst mal rein psychologischer Natur ist, denn die Details der Preisbremse sind noch unklar – wird teuer, ist aber bitter nötig. Denn es geht nicht nur darum, die deutsche Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten, sondern auch darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, mithin die Demokratie zu stabilisieren.

Lange, fast zu lange hat die Regierung gezögert, bis sie sich durchrang und sich zu drastischen Maßnahmen entschloss. War es tatsächlich nötig, bis zwei Tage vor der schon in ein Gesetz gegossenen Einführung der Gasumlage zu warten, um sie dann doch zu kippen, um eine Preisbremse anzukündigen, die eine weitere Kreditaufnahme nach sich zieht? Andere Länder wie Frankreich hatten die Energiepreise schon gedeckelt, als sich die Ampelkoalition in Deutschland noch stritt und die FDP lieber mantrahaft von Haushaltsdisziplin sprach.

Die mutmaßlichen Sabotageakte an den Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee, aber vor allem das ebenfalls am Donnerstag vorgestellte Herbstgutachten werden die Entscheidungsfindung vor allem in der FDP beschleunigt haben. Denn die wirtschaftlichen Aussichten sind düster. Deutschland droht ein wirtschaftlicher Abschwung, bei weiterhin steigender Inflation. Die möglichen Folgen: Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit, Verarmung.

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Das würde einen toxischen Cocktail für die Demokratie bedeuten. Das Vertrauen in diese bröckelt, besonders im Osten, wie der Bericht des Ostbeauftragten gerade gezeigt hat. Um Vertrauen zurückzugewinnen, ist es essenziell, dass der Preisdeckel für Energie, der gerade verhandelt wird, die Menschen wirklich davor schützt, dass sie frieren oder sich verschulden müssen. Denn die Hälfte der Bevölkerung hat kaum Rücklagen und kann keine exorbitanten Nachzahlungen stemmen.

Es geht aber nicht nur um Zusammenhalt. Die Summen, die Deutschland jetzt aufbringt, sind nötig, um die Solidarität mit der Ukraine zu sichern und die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten, trotz des von Putin angezettelten Energiekriegs. Der Kurs der Regierung bleibt richtig. Aber sie darf die Menschen mit den Folgen dieser Politik nicht alleinlassen.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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21 Kommentare

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  • Vorhaltungen innerhalb EU, weltweit wiegen schwer, zuerst treibt Bundesregierung durch massiven Abkaufs von Gas dessen Preis an Märkten hoch Gasspeicher auf 94 % zu befüllen, der auch den Öl- und Strompreis diktiert, um dann mit der Insellösung doppelten 200 Milliarden € Wumms noch mehr an Unsicherheiten im Energie Welthandelsmarkt Ungleichgewichten zu verbreiten, statt Intentionen anderer Länder innerhalb Europas, EU zu unterstützen, weltweit Energie Abnahmeländer Kooperativen gegen das Kartell unterschiedlichster Gas-, Kohle-, Ölverkäuferländer finanziell substantiell unterfüttert auf den Weg zu bringen, eine Bresche zu schlagen für freien Handel, Wandel, Verkehr Personen, Gütern, Dienstleistungen, Technologietransfer in einer Welt anwachsenden Protektionismus, Sanktionsregimen als Votum zu hinterlegen. Gleicher Mangel an globalem Koordinierungswillen war bei Corona Pandemie globaler Bekämpfung in Berlin zu registrieren, WHO, Indien, Südafrika, USA, Votum PRO Impfstoff Patentrechte Aussetzung zuzustimmen

    • @Joachim Petrick:

      Minister Robert Habeck GRÜNE ist seit völkerrechtswidrig russischem Ukrainekrieg 24.2.2022 in Gasmärkten zulasten anderer Akteure auf Käuferseite unterwegs massiv preistreibend deutsche Gasspeicher in kürzester Zeit zu 94 % zu befüllen, statt nun mit anderen Ländern hoher Speicherfüllungen Kooperativen am Weltgasmarkt zu koordinieren, mit Mengen die zu niedrigerem Preis eingekauft wurden als gegenwärtige Gasmarktpreise, auf Gas Verkäuferseite aktiv zu sein Gaspreise zu drücken, fehlt es an Begründungen aus Berlin, gar nicht marktkonformes Stillhalten zu kommunizieren. In vergleichbarer Lage im Ölmarkt führen USA bei hohen Öl-Lagerbeständen immer pressewirksam vor, dass sie als Ölverkäufer aktiv geworden, Ölpreis drücken, später auf niedrigerem Preisniveau Öllager wieder befüllen. Sollte Habeck untätig bleiben ist zu fragen ob Berlin preistreibend auf Gas Käuferseite blieben will, zu welchem Zweck, krisenhaft verstärkend Gaskonsumsenkung auszulösen, ohne es kenntlich machen zu wollen?

  • Dieser Preisdeckel ist nötig.



    Könnte sonst sehr schlimm werden für viele Mitbürger.

    Besser als Schulden zu machen, wäre es eine Vermögensabgabe einzuführen. Das will die FDP nicht mitmachen, darum wird nichts draus.

    Also neue Schulden in Milliardenhöhe.

    Wenigstens liest man heute von einer geplanten Gewinnabschöpfung bei Energieunternehmen, auf die sich die EU-Länder geeinigt haben sollen. Diese Unternehmen haben den Mangel an Gas ausgenutzt, um die Preise stark anzuheben. Man könnte sagen, sie sind Kriegsgewinnler.

  • Schauen wir mal, wie es um den gesellschaftlichen Frieden bestellt sein wird, wenn in den kommenden Jahren die jetzt angehäuften Schulden des Staates beglichen werden sollten. Oder vielleicht gibt es dann den Dreifach- Wumms?

    • @Felis:

      Zunächste sollte es ja statt dem Doppel-Wumms die Gaspreisumlage geben, sogleich wurde von Volksaufständen geraunt und die Regierung entschied sich doch lieber zu schuldenfinanzierter Entlastung. Das Ergebnis: es wird mit Volksaufständen gedroht. Real finden sich zwar allerlei Wutbürgis, die außer ihrer Wut und jenseits der Wiederherstellung des Kaiserreichs aber auch kein Konzept haben, aber keinerlei ernstzunehmende Organisation oder Gruppe die wirklich das Bestreben oder gar die Mittel zum Umsturz hätte. Und tatsächlich ist es vA das hart-rechte Spektrum das seinen (Gewalt-)Phantasien vom Ende des gesellschaftlichen Friedens nachhängt, diesem Schwachsinn muss man nicht auch noch von linker Seite aus Futter geben.

    • @Felis:

      Staatsschulden mussten noch nie beglichen werden. Immer dasselbe wenn Menschen betriebswirtschaftliche Vorstellungen an eine Volkswirtschaft anlegen. Die schwäbische Hausfrau und ihre Sparerei - auch bekannt als Schuldenbremse - ist das größte Ammenmärchen der deutschen Politik.

      • @WeistDuDochNicht:

        Staatsschulden müssen tatsächlich nicht zwangsläufig beglichen werden, Zinsen auf diese Schulden müssen gezahlt werden.



        Das Thema der Staatsfinanzierung ist womöglich doch ein wenig komplexer, als es ein Soziologe wahrhaben möchte...

  • Im Tricksen sind sie in Berlin und Brüssel mittlerweile geübt. Aber ob das im Sinne der vormals höchstrichterlich als Rahmen bekundeten langfristigen Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit für kommende Generationen sein kann? Die derzeitigen Krisen können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Immer ist zu berücksichtigen, dass mit den Fossilen für Heizen eigentlich zukünftig " kein Staat zu machen" ist.



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    taz.de/Karlsruher-...maschutz/!5763565/



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    taz.de/Debatte-um-...haushalt/!5822674/



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    Ob das BVerfG hier noch eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit anstrebt, oder die rhetorisch aggravierend adressierten Umstände "Notlage, Krieg und Knappheit" zur Begründung ausreichen, ich bin gespannt.

  • Damit sind Weihnachten und Neujahr gerettet, jetzt kann wieder geimpft werden.

  • Ganz groß in Mode ist derzeit die Aussage führender Politiker, man habe schlicht keine Handlungsanweisungen für derartige Krisen, weshalb das Rumeiern der Regierung seitens des geneigten Bürgers schlicht zu tolerieren sei. Sie haben einfach keine Ahnung und sie sagen das auch ganz deutlich. Aber war das nicht eigentlich schon immer so? Keiner von denen könnte eine Currywurstbude erfolgreich führen, unseren Staat schon, weil wir Bürger für deren Fehler mit unserem Geld geradestehen.

  • Da ist das bei Anne Will versprochene Schuldenpaket von Lindner, dem Obertrickser des Scholz-Kommandos. Manchmal dauert es auch lämger, gerade weil Lindners Show vom Wochenende so ein eigenes Drama war. Dieses unselige Trio, was jetzt auf Verderb und etwas Gedeih zusammenhalten sollte, hat mal wieder etwas Zeit gewonnen, vielleicht sogar bis Weihnachten.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Sprachlich traurig und gut gemeint.



    Fast.

  • Besser nicht regieren als schlecht regieren. Hättet ihr von der FDP besser nicht regiert.



    An diesem Tage hat die FDP für mich jede Glaubwürdigkeit verloren. Von wegen keine neuen Schulden, bei nun schon 300 Milliarden, unter schönen Titel Sondervermögen getarnt.

  • Übrigens: Die Schulden müssen auch bezahlt werden. Bis dahin gibt es höhere Zinsen, damit auch höhere Renditen, weniger Investitionen u.a. in erneuerbare Energien als Folge der Verdrängung privater Darlehensnehmer durch den Staat.

  • Gute Nachricht/ Schlecht für den Suppenkasper!



    Das Meckermerzi nicht zufrieden ist, kann vor der Wahl in Niedersachsen Niemanden überraschen.



    Aber vielleicht ist es den semiprofessionellen SchwarzseherInnen doch mal gegeben, das eifrige Haaresuchen dem ungekrönten Suppenkasper der Nation allein zu überlassen .

  • "Der gesellschaftliche Frieden steht auf dem Spiel."



    Ja, steht er. Denn alle die mit Öl oder Pellet heizen und den doppelten bis dreifachen Preis zahlen wird nicht geholfen, sie aber zahlen mit ihren Steuern die Gasrechnung der Gaskunden mit. Was ist daran sozial?

  • Es geht nicht um Vertrauen. Vertrauen ist letztendlich sogar genau das Gegenteil von dem, was jetzt passiert. Der Staat bezahlt seine Bürger dafür, dass sie ruhig bleiben. Ob sie ruhig bleiben ist aber noch gar nicht so sicher. Gerade im Osten meckert man gerne und eine Deckelung nur des Basisbedarfs wird vielen nicht reichen. Ob die besser gestellten Bürger zu Verzicht und Solidarität bereit sind, ist und bleibt mehr als fraglich. In den vergangenen Monaten hat zwar die Industrie Energie eingespart, die Privathaushalte aber nicht. Wahrscheinlich konnte die Bundesregierung jetzt nicht anders handeln und im Interesse der Ärmeren musste sie auch so handeln, aber sie muss den Menschen auch sagen, dass es nicht so weitergehen kann.

  • Na, Herr Lindner - geht doch. Glückwunsch Hr. Habeck. Mal sehen ob die Atomstrategie bis Ende des Jahres noch aufgeht.



    Jetzt sollten die Födermittel wieder auf altes Niveau gehoben werden, dann könnte das mit der Stromerzeugung auch noch schneller gehen und die alten Kraftwerke einsparen, wie auch das Störfallrisiko eleminieren helfen. Auch hier sollten Sie nicht weiterhin in die Fußsstapfen von Hrn. Altmaier treten.

  • Na, es hat solange gedauert, weil es ein Pokerspiel war.



    Der Druck wurde immer größer und man hoffte, dass der innerkoalionärr Gegner schon irgendwann mürbe wurde.



    Daher war es auch klug, die Optionen nur scheibchenweise auszuspielen.



    So wie Habeck das mit dem Atomausstieg und den Scheibchenweisen Zugeständnissen an die FDP auch gut hinbekam.



    Ich bin erleichtert, dass es keinen Ausstieg aus dem Ausstieg gibt.

  • Gute Nachrichten: Olaf Scholz hat eine neue Einheit definier: 1 Wums == 10^11 Euro.

    Ob er weiss was er tut? Macht nichts, Theo Waigel hätte das auch nicht verstanden.